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Im Clinch. Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) und Günther Fuchs, langjähriger Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Land. Wie bereits ihre Vorgänger, schnitt auch Ernst mit ihrer aktuellen Bildungspolitik bei der gestrigen Pressekonferenz der Lehrergewerkschaft nicht gut ab.

© Ralf Hirschberger/dpa

Bildungspolitik in Brandenburg: Herr Fuchs und Frau Ernst

Brandenburgs GEW-Chef Günther Fuchs zerpflückt die Bildungspolitik, wie immer. Und die Ministerin?

Potsdam - Schon legt er los, im Stakkato, wie immer. Günther Fuchs, Brandenburgs Chef der Bildungsgewerkschaft GEW, zerpflückt in gewohnter Manier die Bildungspolitik des Landes. Er spricht so schnell, dass Journalisten mit dem Notieren kaum mitkommen, im Hintergrund ein Bild mit einer Schneelandschaft. Herr Fuchs, ist die von Ihnen seit Jahren beklagte Eiszeit in der Schulpolitik des Landes vorbei? „Wir hatten noch nie einen Frühling“, antwortet er. „Wir hatten lange Zeit nur Mangelwirtschaft. Und auch heute gibt es einen fundamentalen Widerspruch zwischen Anspruch und Realität.“ Und weiter: „Wenn man bei der Formel 1 mit einem Trabi in der Poleposition steht, gewinnt man das Rennen trotzdem nicht.“

Ja, typisch Fuchs. Ein, zwei, drei Mal im Jahr lädt er zu einer Pressekonferenz in die GEW-Villa am Rande des Neuen Gartens in Potsdam. Sie beginnt immer mit dem gleichen Satz: „Wir sind in großer Sorge.“ Es folgen dramatische Schilderungen, Warnungen, Beschreibungen, Klagen, wie es an den Schulen aussieht. Seit 1994 führt Fuchs, heute 59, die mit 8500 Mitgliedern mächtige Lehrergewerkschaft. Die SPD-Minister kamen und gingen, Angelika Peter, Steffen Reiche, Holger Rupprecht, Martina Münch, Günter Baaske, seit vorigem Jahr ist es Britta Ernst, die Norddeutsche. Einer blieb, nämlich Günther Fuchs, das personifizierte schlechte Gewissen der Schulpolitik im Land. Einer, von dem selbst Genossen nicht glauben, dass er wirklich ein SPD-Parteibuch hat. Er nahm die Bilanzen eines jeden Ressortchefs auseinander. Er prangerte, lange vergeblich, die damals noch krasse Unterfinanzierung an, die damals noch im Bundesvergleich schlechte Schüler-Lehrer-Relation samt zu großer Schulklassen im Land.

Ja, Günther Fuchs beherrscht das Repertoire eines Gewerkschaftslenkers. Er kann in Brandenburg die Puppen tanzen lassen, landesweit Lehrer für die größten Protestdemonstrationen am Landtag mobilisieren. Es gab einst ein nun legendäres GEW-Plakat, das ziemlich ins Schwarze traf. Im Stile eines Diktates stand dort in Kinderschrift geschrieben: „An unseren Schulen gibt es keine Probleme und Frau Birthler war eine gute Bildungsministerin.“ Dann folgten die gleichen Sätze mit allen Nach- und Nachnachfolgern, bis zu Martina Münch. Apropos, Herr Fuchs, wie macht sich Ministerin Ernst?

Nein, nicht dass Fuchs die Neue persönlich attackieren würde, direkt. Das tut er nicht. „Es gibt eine besorgniserregende Kontinuität in Brandenburg“, antwortet Fuchs, der vielleicht selbst gern Minister geworden wäre. „Und die Probleme an den Schulen sind nicht kleiner, sondern größer geworden.“ Dem Bildungssystem im Lande nutze es nicht, wenn große bundespolitische Debatten geführt werden. Eine Spitze dagegen, dass Ernst – anders als ihre Vorgänger nach Steffen Reiche - bei Bundesthemen mitmischt. Er spielt auf ihre westdeutsche Vita an, einer „hohen Sensibilität im Lande“, was man ja an der Debatte um die Abschaffung von Noten und Kopfnoten gesehen habe.

Freilich, die Pläne, die da jüngst für Wirbel sorgten, waren im Bildungsministerium – bekannt für sein Eigenleben – noch unter den ostdeutschen Vorgängern Münch und Baaske angeschoben worden, bis Ernst sie nach der Aufregung stoppte. Und natürlich will Fuchs, als eine kritische Nachfrage kommt, nicht so verstanden werden, dass er gegen Ernst die Ost-West-Karte zieht.

Ach ja, was die aktuelle Botschaft seiner Pressekonferenz ist? „Wir haben große Sorge bei der Vorbereitung des neuen Schuljahres“, sagt Fuchs. Und zwar, dass nicht genügend qualifizierte Lehrer gefunden werden. Für das Schuljahr 2018/2019 brauche das Land 1200 neue Lehrer, eigentlich sogar 1600, aber bis Mitte Mai seien erst 550 Stellen besetzt. Es werde erneut darauf hinauslaufen, dass in einigen Regionen die meisten wieder Seiteneinsteiger sein werden, eigentlich nicht qualifiziert genug. Es fehlten Grund- und Oberschullehrer, besonders in naturwissenschaftlichen Fächern, auch Sonderpädagogen. „In den berlinfernen Regionen ist die Entwicklung besonders dramatisch.“ Fuchs’ Fazit: „Es geht mittlerweile um die Sicherheit der Grundversorgung. Vor allem die Grundschulen müssen in die Lage versetzt werden, dass sie den Kindern wieder Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen.“ Vorher brauche man über das Abitur gar nicht reden. „Alle anderen Experimente müssen zurückstehen.“ Er erwähnt „Modellversuche“, die geplanten fächerübergreifenden neuen Lehrpläne in Gesellschafts- und Naturwissenschaften oder den Ausbau der Inklusion.

Was hält Britta Ernst von dieser Fundamentalkritik? „Ich kann keinen Anlass erkennen“, sagt sie den PNN. Die Ministerin, deren Stil quasi der Gegenentwurf zu Fuchs ist – nüchtern, pragmatisch, polemikfrei – bleibt gelassen. „Wir wissen, dass wir uns anstrengen müssen, um neue Lehrer zu gewinnen.“ Aber dass man Ende Mai bereits 537 der benötigten tausend Lehrer gefunden habe, sei für diesen Zeitpunkt „sehr viel“. Man komme ohne Seiteneinsteiger nicht aus, habe aber gerade mit der GEW verabredet, wie man diese qualifiziere. Es seien „starke Signale“, dass man die Grundschullehrer höher eingruppiert habe. Bei der Inklusion setze man sowieso auf Gründlichkeit vor Schnelligkeit. „Für ein Moratorium gibt es keinen Grund.“ Und so geht das Punkt für Punkt. „Wir tun das, was wir tun können“, lautet ihr Fazit. „Es gibt keinen Grund etwas zu dramatisieren.“ Es sei denn, man ist GEW-Chef in Brandenburg.

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