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Voll im Sprung. Löwe „Icke“ jagt eine Onyx-Antilope im Menschen-Museum. Die komplizierte Anfertigung der Plastinate hat drei Jahre gedauert.

© Willem van Oort/promo

Brandenburg: Ewige Jagdgründe

Neues Schau(er)stück: Im Berliner Menschen-Museum ist der plastinierte Löwe los „Icke“ gehört zu den Zootieren, denen nach dem Tod ein Denkmal gesetzt wird

Brüllen kann „Icke“ nicht mehr, aber er ist jetzt wieder zu Hause: Der Löwe kam 1992 im Berliner Zoo zur Welt, erlebte dort seine Jugend, zog aber später in den Zoologischen Garten von Kaiserslautern um, wo er vor fünf Jahren starb. Doch seit Anfang Dezember kann man das mächtige Tier erneut bewundern. Icke ist zurückgekehrt in seine Heimatstadt Berlin, allerdings nicht quicklebendig, sondern als plastiniertes Ausstellungsstück. Präsentiert wird Icke jetzt im Menschen-Museum unterm Fernsehturm: In spektakulärer Jagdpose und fast ohne Fell, sodass man seine spannende Anatomie und die massiven Muskelpakete, die ihm Sprungkraft geben, direkt vor Augen hat.

Ickes Rückkehr ist allerdings kein exklusiver Einzelfall. Sein Name steht vielmehr in einer ganzen Reihe von einstigen Bewohnern, Lieblingen oder gar Stars des Berliner Zoos wie Flusspferd Knautschke, Gorilla Bobby, Eisbär Knut oder Pandabär Bao Bao, die nach ihrem Ableben auf verschiedenste Weise der Nachwelt im Zoo oder Museum für Naturkunde erhalten wurden – als Bronze- oder Granitplastik, als sogenannte Dermoplastik, also mit Haut und Fell originalgetreu präpariert. Oder eben wie Icke, dem das Fell über die Ohren gezogen wurde, damit man sein Innenleben studieren kann.

Eine Premiere, denn bisher wurden im Menschen-Museum dort nur plastinierte Körper verstorbener Menschen gezeigt, doch einige Exponate mussten nach einem Gerichtsstreit mit dem Bezirk Mitte wie berichtet entfernt werden, weil für sie keine Einwilligung zur Plastination der jeweiligen Verstorbenen vorlag. Diese Lücke füllen nun Löwe Icke sowie ein plastiniertes Pferd und ein Kalb. „Wir zeigen die Wunder ihrer Körper, um den achtsamen Umgang mit Tieren zu fördern“, teilt das Museum mit. Ähnliche Beweggründe hatten wohl auch die Schöpfer aller anderen Berliner Zootier-Plastiken.

Da wäre zuallererst Gorilla Bobby zu erwähnen. 1926 irgendwo im Kongo geboren, mit zwei Jahren eingefangen und nach Marseille gebracht. Dort erwarb ihn der Tierschriftsteller Paul Eipper 1928 auf einem Exotenmarkt und brachte ihn im Zug nach Berlin. In der Obhut des Zoos entwickelte sich Bobby zu einem ansehnlichen Gorilla und Publikumsliebling. 262 Kilo brachte er auf die Waage. In den frühen 30ern inspirierte er den Komponisten Walter Jurmann und Texter Peter Kuckuck zu ihrem Chanson „Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo“, 1933 erstmals von Hans Albers gesungen. „Er denkt, wenn Menschen gaffen, wir sind Menschen und die sind Affen“, heißt es in der zweiten Strophe.

Doch am 1. August 1935 war Bobbys Lebenszeit vorbei, er starb an einer Blinddarmentzündung. Bildhauer Fritz Behn meißelte umgehend eine lebensgroße Granitstatue. Mit etwas miesepetrigem Gesicht und großen Nüstern hockt der massige Kerl seither im Zoo vor einem Gebüsch. Außerdem wurde im Museum für Naturkunde in Mitte eine Dermoplastik von Bobby angefertigt.

Kommen wir nun zum nächsten Kandidaten. Rufname: Knautschke, ein Flusspferdbulle, lateinisch: Hippopotamus amphibius, Vater von insgesamt 35 Nachkommen, die er teils inzestuös mit seiner 1952 geborenen Tochter, genannt Bulette, zeugte. Bis dahin hatte Knautschke schon ein bewegtes, hochgefährliches Leben: Während des Krieges im Zoo geboren, überstand er einen Bombentreffer, der das Flusspferdhaus mitsamt dem Wasserbecken zerstörte. Täglich übergossen ihn die Pfleger in den Wochen danach mit Wasser und brachten ihm Futterrationen, die teils Bürger dem Zoo spendeten.

Den Wiederaufbau und die Wirtschaftswunderjahre verbrachte Knautsche überwiegend geruhsam im Zoo. Es sind allerdings auch Fotos überliefert, die Stress dokumentieren. So zwickt ihn Bulette im Sommer 1955, damals noch ein kleines Nilpferdmädchen, auf einem Schwarz-Weiß-Schnappschuss herzhaft in den Hintern.

Hochbetagt verlor Knautschke schließlich im Juni 1988 sein Leben durch eine regelrechte Ödipustragödie im Zoo. Sein Sohn Nante brachte ihm bei einem Revierkampf derart schwere Verletzungen bei, dass er eingeschläfert werden musste. Vermutlich haben junge Flusspferde in einem solchen Fall ebenso wenig Ahnung, dass es sich um ihren Vater handeln könnte, wie Ödipus bei der Attacke auf seinen Erzeuger, den König von Theben. Nach Knautschkes Tod ließen Mäzene das legendäre Flusspferd in Bronze nachbilden. Lebensgroß steht er mit seinen riesigen Kulleraugen seither vor dem Flusspferdhaus.

Und nun zu Knuddel-Knut, Sohn von Bärin Tosca und Bär Lars. Der 2006 geborene Eisbär, als Jungtier das Ebenbild eines perfekten Schmusetiers, löste bis zu seinem überraschenden Tod im Alter von fünf Jahren weltweit Begeisterung aus. Zwei Jahre nach der Trauer um ihn überschlugen sich dann die Medien mit Schlagzeilen wie diesen: „Eisbär Knut ist wieder da!“ oder „Comeback des Überbären“.

Präparatoren des Naturkundemuseums hatten eine Plastik nach seinen Originalmaßen angefertigt, bezogen mit Knuts Fell. Seither sitzt er in der Sonderausstellung des Museums „Highlights der Präparation“ auf einem kleinen Felsen, die Vorderpfoten locker abgelegt. Gorilla Bobby ist dort ebenfalls als Dermoplastik zu sehen – unsterblich, wie nun auch Löwe „Icke“ im Menschen-Museum.

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