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Von Jörn Hasselmann, Lars v. Törne und Christoph Stollowsky: Empörung über NVA-Feier im Tierpark

Veteranen der DDR-Truppe marschierten in Uniform zum Armeejubiläum auf. SPD fordert Konsequenzen

Berlin - Es war wie der Aufmarsch einer Geistertruppe: Etwa 100 einstige Offiziere der Nationalen Volksarmee (NVA), allen voran Ex-DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler, feierten am Sonnabend im Tierpark Friedrichsfelde den 55. Jahrestag der NVA-Gründung. Manche kamen in ihrer steingrauen Uniform in die Tierpark-Cafeteria, wo die Party stieg – alles original, vom Knobelbecher bis zum silbergeflochtenen Schulterstück. Am Nachmittag folgte ein weiteres DDR-Gedenkfest: Frühere Mitglieder der Freien Deutschen Jugend (FDJ) trafen sich zu deren „65. Geburtstag“ im privaten Vietnam-Center an der Leipziger Straße. Parteienvertreter und der Verband der Opfer des Stalinismus reagierten mit Entsetzen.

Die Tierpark-Cafeteria wird von einem privaten Pächter betrieben. Offenbar hatte der NVA-Traditionsverband dort Räume gemietet und ein Catering bestellt. Das Rednerpult war dem Vernehmen nach mit DDR-Fahnen geschmückt, als der heute 91-Jährige frühere NVA-Chef Keßler zu den roten Veteranen sprach. Offiziell galt das Fest als „geschlossene Gesellschaft“. Ordner sorgten dafür, dass man nicht gestört wurde.

Landespolitiker zeigten sich am Sonntag erstaunt darüber, dass die Veteranentruppe sich ungehindert auf einem öffentlich geförderten Terrain wie dem Tierparkgelände treffen konnte. „Man könnte es für einen obskuren Karnevalsbeitrag halten, aber wir müssen das ernst nehmen“, sagte der Verfassungsschutzexperte der SPD, Tom Schreiber. Der Tierpark erhalte Landesgelder. „Die Verantwortlichen müssen ein klares Signal setzen und den Cafeteria-Pächter abmahnen.“ Auch die Linkspartei distanzierte sich am Sonntag am Rande ihrer Klausurtagung entschieden von den NVA-Veteranen. „Diese Gruppierung hat keinerlei politische Relevanz in unserer Partei“, sagte Landeschef Klaus Lederer. Und Ramona Pop, Fraktionschefin der Grünen, wunderte sich über das „mangelhafte politische Feingefühl“ im Tierpark. Der Aufsichtsrat von Zoo und Tierpark war gestern vom NVA-Aufmarsch „völlig überrascht“. Dessen Vorsitzender Frank Bruckmann, zugleich Finanzchef der Berliner Wasserbetriebe, will heute klären, wer den Vertrag mit dem Traditiosnverband abgeschlossen hat. Der Caféteria-Pächter oder der Tierpark selbst? Erst danach werde man Stellung nehmen. Ähnlich äußerte sich die Staatsekretärin der Senatsfinanzverwaltung Iris Spranger. Sie sitzt gleichfalls im Aufsichtsrat.

„Es kann doch nicht sein, dass der Tierpark seine Tore für Systemträger einer Diktatur öffnet“, sagte der Vize-Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Stalinismus (VOS), Ronald Lässig. Zugleich forderte er, Uniformen und Symbole der DDR müssten in der Öffentlichkeit ebenso verboten sein wie nationalsozialistische Relikte. Lässig: „Es geht doch darum, ein Bewusstsein für die Gefahren von Diktaturen zu schaffen.“

Die NVA ist nach Auskunft des Justiziars der Berliner Polizei, Oliver Tölle, keine verbotene Organisation. Ihre Uniform zu tragen, sei deshalb keine strafbare Handlung. Da die NVA nicht mehr als Armee existiere, begingen die Uniformträger auch keine Amtsanmaßung. Nazikennzeichen sind hingegen als Symbole einer verbotenen Organisation strafgesetzlich untersagt.

Ehemalige Angehörige der NVA, FDJ und Staatssicherheit unterhalten seit der Wende ein enges Netzwerk und treffen sich regelmäßig, um in Erinnerungen zu schwelgen. Beliebt sind Besuche auf ehemaligen Übungsgeländen wie dem einstigen Führungsbunker Harnekop bei Strausberg.

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