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Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und ihr Brandenburger Amtskollegen Jörg Steinbach (SPD).

© ILB

Berlin und Brandenburg: Eine Wirtschaftsregion, verschiedene Interessen

Die gemeinsame Standortpolitik für Berlin und Brandenburg ist mehr Wunsch als Wirklichkeit. Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall überwiegen bei Unternehmensansiedlungen die eigenen Interessen der Länder.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin/Potsdam - Es ist symptomatisch, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), als er am Dienstag zur Tesla-Ansiedlung im brandenburgischen Grünheide Stellung nahm, die „Metropolregion Berlin“ erfand. Dass die Hauptstadtregion mit sechs Millionen Menschen, die im letzten Jahr ein Bruttoinlandsprodukt von 250 Milliarden Euro erwirtschafteten, auch das Nachbarland Brandenburg umfasst, wurde ignoriert.

Ein bisschen Nachhilfe ist offenbar nötig: Berlin-Brandenburg ist eine von elf deutschen und 43 europäischen Metropolregionen, die von der „Gemeinsamen Landesplanungsabteilung“ beider Länder auch international vertreten wird. Was aber nicht heißt, wie man jetzt wieder bei Tesla sieht, dass der flächenmäßig größte deutsche Wirtschaftsstandort – zwischen Uckermark und Lausitz, Potsdam-Mittelmark und Märkisch-Oderland – von beiden Landesregierungen quasi Schulter an Schulter vorangebracht wird.

Eigene Interessen überwiegen

Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall und den gescheiterten Bemühungen um eine Länderfusion überwiegen bei der Ansiedlung von Unternehmen immer noch die jeweils eigenen Interessen. Zusätzliche Steuereinnahmen und neue Arbeitsplätze sind nun mal ein starkes Argument, erst einmal an sich selbst zu denken. Auch wenn vor einem Jahr die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) eine Vereinbarung „zu den Informations- und Entscheidungsfindungsprozessen bei Ansiedlungen und Verlagerungsinvestitionen“ abgeschlossen haben.

Darin versprachen beide Seiten, sich systematisch und frühzeitig über „relevante Ansiedlungsvorhaben“ zu informieren. Alle Ansiedlungen, bei denen „ersichtlich Standortalternativen zwischen Berlin und Brandenburg bestehen“, sollten von den Wirtschaftsfördergesellschaften beider Länder „gemeinsam oder koordiniert betreut“ werden. Im Fall Tesla gab es wohl tatsächlich eine streng vertrauliche Gesprächsebene zwischen dem Chef der „Wirtschaftsförderung Land Brandenburg“, Steffen Kammradt, und dem Chef von „Berlin Partner“, Stefan Franzke. Doch Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop wurde vom Amtskollegen Steinbach vorab nicht eingeweiht.

Müller wenige Tage vor Abschluss des Geschäfts informiert

Zu groß war die Befürchtung, dass der geheime Deal, angeblich unter dem Codenamen „Anuschka“, über den Umweg Berlin öffentlich werden – und deshalb platzen könnte. Außerdem war die Potsdamer Landesregierung angesichts eines selbstbewussten und drängenden Investors unter starkem Zeitdruck. Dem Vernehmen nach soll Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den Parteifreund und Amtskollegen Müller wenige Tage vor Abschluss des sensationellen Geschäfts persönlich informiert haben. Das war es aber auch schon. Trotzdem versuchte der Senat zunächst, die geplante Ansiedlung des Tesla-Werks als eigenen Erfolg zu verkaufen. Schließlich gilt Berlin als wirtschaftlicher Motor der Metropolregion, da lag es nahe, das 8 700 Seelen zählende Grünheide südöstlich der Hauptstadt einzugemeinden. In der Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag bemühte sich Senatorin Pop zwar darum, den hohen Wert der künftigen E-Autofabrik für die „gesamte Region“ zu betonen. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass die Ansiedlung nicht in der Lausitz oder anderen entfernten Gebieten erfolge, sondern nahe an Berlin. Dort, wo Bombardier und Stadler, VW, Daimler und BMW ansässig seien.

Berlin bekommt Designzentrum

Immerhin erhält Berlin auch noch ein Stück vom großen Kuchen. Elon Musk will in der Stadt ein Design- und Entwicklungszentrum errichten. Wo dies sein könnte, darüber wird heftig spekuliert. Die Pankower Wirtschafts-Stadträtin Rona Tietje (SPD) wirbt für das Gewerbezentrum Buchholz-Nord, aber auch Marzahn-Hellersdorf macht sich wohl noch Hoffnung auf die äußerst attraktive und prestigeträchtige Ansiedlung.

Eine Standortpolitik für Berlin-Brandenburg ist aber nach wie vor mehr Wunsch als Wirklichkeit. Das bestätigen auch aktuelle Zahlen. Von Anfang 2018 bis Mitte 2019 haben beide Wirtschaftsfördergesellschaften zehn kleine Unternehmen mit 743 Arbeitsplätzen gemeinsam betreut. Und es wirbt die Hauptstadtregion in diesem Jahr auf 45 internationalen Messen unter einer „Dachmarke“ für sich.

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