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Längst nicht abgehakt. Rechtsextreme Gewalt hat in Brandenburg zuletzt wieder zugenommen. Politiker warnen davor, das Problem als erledigt zu betrachten.

© dapd

Rechtsextremismus: Eine Image-Frage

Erstmals seit Jahren gibt es wieder mehr rechtsextreme Straftaten. SPD und Linke warnen deshalb vor einer Verharmlosung. Die NPD habe ihren Zenit zwar überschritten, das neonationalistische Spektrum aber habe deutlichen Zulauf, so der SPD-Generalsekretär Klaus Ness.

Potsdam - Angesichts steigender Zahlen von rechtsextrem motivierten Straftaten in Brandenburg haben SPD und Linke im Landtag vor einem Nachlassen im Kampf gegen Rechts gewarnt. „Im Gegensatz zu anderen Bundesländern haben wir zwar keine rechtsextreme Partei mehr im Landtag, es gibt die Stimmung, das Problem sei gelöst. Das entspricht aber nicht der Wirklichkeit“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete und Generalssekretär Klaus Ness am Donnerstag in Potsdam.

Es gebe deutliche Veränderungen, die NPD habe ihren Zenit überschritten, dafür habe das neonationalistische Spektrum erheblichen Zulauf. Auch nach dem Verbot des braunen Netzwerks „Wiederstand Südbrandenburg“, auch Spreelichter genannt, dem bis zu 200 Personen zugerechnet wurden, seien die Kader weiter aktiv. Die Neonationalsozialisten seien hochprofessionell organisiert, nutzten moderne Medien und seien gewaltbereiter. Sie zeichneten sich durch aktivistisches und aggressives Auftreten aus, häufig verbunden mit Straftaten. „Mit dem Verbot ist das Problem aber nicht erledigt“, sagte Ness, der am Donnerstag die Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage von SPD und Linke im Landtag präsentierte.

Die sogenannte Volkstod-Kampagne, unter der die Spreelichter zahlreiche Propagandaaktionen gestartet hatte und die bundesweit Vorbild für die rechte Szene war, sei durch das Verbot nicht gebannt. Das zeigten Schmierereien etwa am Rathaus gegen den Bürgermeister von Lauchhammer und den CDU-Landtagsabgeordneten Ingo Senftleben an dessen Wahlkreisbüro. „Das ist weitaus gefährlicher als das, was die NPD veranstaltet“, sagte Ness. Während die Neonazis in den 1990er Jahren vor allem Ausländer angegriffen hätten, würde sie nun Bürger attackieren, die sich gegen die Rechten wehren. „Das ist auch ein Ausdruck von Radikalisierung“, so Ness. Der Druck der Ermittlungsbehörden auf die rechtsextremistische Szene müsse deshalbaufrecht erhalten werden, sagte er. Innenmininister Dietmar Woidke (SPD) müsse an der harten Repressionslinie und an Verbotspraxis seiner Vorgänger konsequent festhalten. Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher sieht dabei aber noch „Luft nach oben“. „Insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in der Fläche des Landes muss noch viel stärker geführt werden“, sagte sie.

Wie berichtet ist die Zahl der rechtsmotivierten Straftaten im Jahr 2012 in Brandenburg erstmals seit 2008 wieder gestiegen. Im Jahr 2011 waren es 1140 Fälle, allein bis Ende November 2012 zählten die Behörden schon 1242 Straftaten. Der überwiegende Teil sind Propagandadelikte. Bei den rechtsmotivierten Gewaltstraftaten gab es seit 2005 einen Rückgang. 2012 ist die Zahl aber erstmals wieder von 36 auf 53 Fälle angestiegen. Hauptursache für den Anstieg sind Angriffe auf Linke und fremdenfeindliche Gewaltstraftaten. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) wollte trotzdem noch nicht von einer Trendwende sprechen: „Wir werden das aber gründlich auswerten“, sagte Woidke am Donnerstag. SPD und Linke im Landtag machten für den Anstieg rechter Straftaten eine wachsende Gewaltbereitschaft, aber auch eine höhere Aufmerksamkeit in der Bevölkerung verantwortlich. „Bürger lassen sich nicht mehr alles gefallen, sie zeigen zivilen Mut“, sagte Linken-Politikerin Bettina Fortunato. Selbst Hakenkreuzschmierereien würden bei der Polizei angezeigt. Laut Ness steht der Anstieg in Brandenburg auch im Zusammenhang mit der Zunahme rechtsmotivierte Straftaten und dem Zulauf zur Neonazi-Szene bundesweit.

Allerdings macht der SPD-Politiker auch eine andere Gefahr in Brandenburg aus, nämliche jenen Eindruck, das Problem am rechten Rand sei gelöst. „Wir müssen das Problem im Bewusstsein halten“, sagte Ness. Zumal es neue besorgniserregende Entwicklungen gebe. So sei etwa jeder zehnte Neonazi bei einem Wachschutzdienst angestellt. Es gibt nach Einschätzung der Behörden eine Grauzone zwischen rechtsextremer Szene, Kampfsportvereinen und Wachschutzfirmen, die ein Tummelplatz für Neonazis sei. Bei Konzerten oder Fußballspielen kommen häufig Wachschützer aus der rechten Szene zum Einsatz.

Und noch immer seien gerade in der Lausitz, wo die rechtsextremistische Szene landesweit am aktivsten ist, Tendenzen zur Verharmlosung zu beobachten. „Ich weiß um die Widerstände, die es dort gibt“, sagt Ness. „Es gibt Menschen, die glauben, dass das Image der Lausitz geschädigt würde, wenn man das Problem anspricht.“

Ness erwähnte auch den Fußball-Zweitligisten FC Energie Cottbus, ausgerechnet das Aushängeschild des Brandenburger Sports, wo genau das zu beobachten war. Bei Auswärtsspielen fielen Anhänger der Fangruppierung „Inferno“ immer wieder durch rechtsextreme und antisemitische Propagandaaktionen auf. Im vergangenen Jahr schallte es deshalb bei einem Auswärtsspiel durch das Kölner Stadion von den Rängen den Gästefans aus Cottbus sogar „Brandenburg Naziland“ entgegen. Energie Cottbus aber tat sich lange schwer damit, sich von den Fans zu distanzieren, es sind schließlich die aktivsten. Der Verfassungsschutz rechnet etwa 25 „Inferno“-Mitglieder der rechtsextremen Szene zu, darunter ist ein Mitglied des verbotenen Neonazi-Netzwerks „Widerstand Südbrandenburg“. Auf Druck der Behörden sprach der Verein schließlich doch noch 16 Stadionverbote aus. Ness sagt: „Es bewegt sich was.“ Am heutigen Freitag will ein breites Bündnis in der Stadt einen NPD-Aufmarsch verhindern.

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