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Auf dem Friedhof bei der Kapelle sind die Ukrainer bestattet worden.

© CC0/Gemeinde Wusterhausen/Dosse

Dreimal begraben und trotzdem vergessen: Wegemuseum Wusterhausen erinnert an zwei ermordete Zwangsarbeiter

Iwan Sacharow und Boris Szchadanowski wurden am 3. April 1945 erschossen. Ihr Schicksal galt lange als unbekannt. Seit dem 3. April 2023 erinnert eine Gedenktafel an die beiden Ukrainer.

Auf den Tag genau 83 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod konnte in Wusterhausen/Dosse (Ostprignitz-Ruppin) am Montag, 3. April, an zwei junge Männer aus der Ukraine erinnert werden, die als Zwangsarbeiter nach Deutschland gekommen waren. Sie wurden in den letzten Kriegstagen „auf der Flucht“ erschossen, weil sie versuchten, ihr Leben zu retten. Eine entsprechende Gedenktafel wurde am Eingang des Wusterhausener Friedhofs eingeweiht.

Anlass seien neue Erkenntnisse zur Ermordung der beiden jungen Männer in der Nähe der Stadt Wusterhausen, teilte das Wusterhausener Wegemuseum mit. „Die Gebeine der beiden liegen seit 2008 auf dem Wusterhausener Friedhof. Anhand von in Archiven gefundenen Unterlagen konnten wir die Namen der Opfer und den Ablauf der Geschehnisse ermitteln und auf der Tafel dokumentieren“, sagt Katharina A. Zimmermann vom Wegemuseum.

Zimmermann und Ulrike Kersting, Archäologin und Historikerin, zeichnen für die Dokumentation verantwortlich, die mittlerweile über das Schicksal von Iwan Sacharow und Boris Szchadanowski existiert. Nun ist gesichert, dass Sacharow am 18. Juli 1925 in Mariupol und Boris Szchadanowski am 5. Mai 1924 in Renilew geboren wurde.

Zwei Berichte der Schutzpolizei entdeckt

Unter anderem Recherchen im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes brachten zwei Berichte der Wusterhausener Schutzpolizei zutage, die die Vorgänge vom April 1945 genauer beschreiben.

Demnach waren Sacharow und Szchadanowski aus Angst vor Bombenangriffen von ihrer Zwangsarbeit geflohen und trafen einander zufällig in der Gegend um Nauen (heute Kreis Havelland). Beide hatten keine Papiere und wurden von der Polizei aufgegriffen, die sie am 31. März ins Wusterhausener Gefängnis brachte. In der Nacht vom 2. zum 3. April gelang den beiden die Flucht, indem sie sich vom Dachboden des Gefängnisses Decken bis in den Hof hinunterließen.

Angeblich bei Fluchtversuchen erschossen

Sie entkamen zunächst – obwohl der Nachtwächter, der die Flucht beobachtet hatte, die Polizei informierte – und wurden getrennt voneinander am nächsten Morgen erneut gefangen genommen. Angeblich unternahm Szchadanowski dort einen Fluchtversuch und wurde dabei erschossen. Iwan Sacharov sei in Kampehl durch einen Wachtmeister festgenommen worden, sollte ein Versteck im Wald zeigen und habe ebenfalls einen Fluchtversuch unternommen. Auch er wurde sofort erschossen.

„Irgendwie“ – quasi als erzählte Geschichte – war das Schicksal der zwei Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangenen in Wusterhausen und Umgebung immer bekannt. Sie wurde weitererzählt, weitergegeben.

Viele Einwohner wussten auch, dass die Gebeine der beiden Männer zunächst im Wald verscharrt worden waren und erst später durch den sowjetischen Stadtkommandanten umgebettet und auf dem Markt vor dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges begraben wurden. Ein Gedenkstein für die Opfer des Faschismus wurde dort ebenfalls gesetzt. Doch im Laufe der Jahrzehnte gerieten die beiden Gräber in Vergessenheit.

Das Wegemuseum liegt am Marktplatz von Wusterhausen/Dosse.

© CC0/Gemeinde Wusterhausen/Dosse

Im Jahr 2008 wurden die Gebeine bei einer archäologischen Untersuchung des Marktes wiedergefunden. Am 10. November 2008 wurden die beiden Toten vom Landesumbettungsbeauftragten von der Ausgrabungsstätte auf dem Markt geborgen und auf den Wusterhausener Friedhof umgebettet. Die Beisetzung erfolgte am Volkstrauertag, dem 16. November 2008. Aufgrund der damals nur wenigen mündlichen Überlieferungen wurde am Grab ein Grabstein mit der Aufschrift: „Zum Gedenken an zwei unbekannte polnische Kriegsgefangene“ aufgestellt.

Die neuen Erkenntnisse über die Identität der beiden jungen Männer, die gut einen Monat vor Ende des Krieges ihr Leben verloren, machen neben dem Volkstrauertag und anderen Gedenktagen auch den 3. April zu „solch einem Gedenktag“, heißt es aus dem Wegemuseum.

Mit der Aufstellung der Erinnerungstafel am Montag, 3. April, auf der neben der Geschichte der ermordeten Zwangsarbeiter auch die Historie des Ortes erzählt wird, ist auch ein Spendenaufruf gestartet worden. Damit solle ein „würdiger neuer Grabstein mit den Namen und Lebensdaten der Ermordeten“ finanziert und innerhalb des Friedhofs aufgestellt werden.

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