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EXKLUSIV: Die Abrechnung der Rechnungsprüfer - zum Nachlesen!

In einem einmaligen Brief haben Direktoren des Landesrechnungshofes auf das Agieren des Wirtschaftsministers im Skandal um die Odersun-Förderung reagiert. Ihr Fazit: Er ist inkompetent. Hier lesen Sie das Schreiben - exklusiv bei den PNN auch als Downlownd.

Es sind nur neun Seiten (HIER KÖNNEN SIE ES NACHLESEN). Aber es sind neun Seiten, die es in sich haben. Neun Seiten, die für Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) das Aus bedeuten könnten. Seit Monaten steht er unter Druck, weil er persönlich eine Millionen-Hilfe für den inzwischen insolventen Solarmodulhersteller Odersun aus Frankfurt (Oder) genehmigt hat. Der Rechnungshof hat das geprüft – und festgestellt: Christoffers persönlich trägt die Verantwortung. Das ist bekannt. Nur übernommen hat er sie noch nicht.

Doch nun haben die Rechnungsprüfer auch noch diesen neunseitigen Brief – vertraulich – an das Wirtschaftsministerium geschickt. In dem Papier, das den PNN vorliegt, wird aufgelistet, wie das Ministerium getrickst und gemauschelt hat, um den Minister aus der Schusslinie zu bringen. Nebenbei wird dem Ministerium in einem Kapitel über zwei Seiten auch noch eine Kurzvorlesung in Förderrecht und Verfahrensregeln gehalten.

Verfasst haben des Papier am 7. Januar 2014 zwei Direktoren des Landesrechnungshofes (LRH). Sie diagnostizieren, worauf sie im Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg und bei dessen Minister gestoßen sind: Inkompetenz und Anmaßung, Vertuschungsversuche und Halbwahrheiten, sachliche und fachliche Unkorrektheiten, Weglassungen und Verdrehungen. Allein drei der neun Seiten haben sie der „Mitwirkung des Wirtschaftsministers hinsichtlich der Gewährung einer Rettungshilfe an die Odersun AG“ gewidmet.

In dem Brief findet sich zusammenfassend ein Zitat, das dem altrömischen Philosophen Seneca zugeschrieben wird: „Wer den Hafen nicht kennt, für den ist kein Wind günstig.“

Übersetzt: Kapitän und Steuermann Christoffers hatte, als er sich in Sachen Odersun gegen alle Warnungen einsam gegen die Strömung und gegen den Wind stellte, keine Peilung. Und auch Fachleute konnten ihm nicht helfen: Denn der Minister habe persönlich jeglichen „Sach- und Fachverstand“ in den Wind geschlagen. Christoffers’ Millionen-Hilfe für Odersun sei schon bei Genehmigung erkennbar sinnlos und ein Verstoß gegen die Haushaltsordnung des Landes gewesen. Es sei allen Experten im Hause und bei der Investitionsbank des Landes (ILB) klar gewesen, dass die Firma nicht zu retten ist. Unter Bezug auf einen handschriftlichen, von Christoffers gefertigten Vermerk zu dem Fall, schreibt der Rechnungshof nun: „Der Vermerk spricht jedoch dafür, dass der Minister dies trotz der Expertenausführung nicht erkannte.“

Weil das Ministerium versucht habe, die Tatsachen über das Wirken des Ministers zumindest zu verschleiern, listen die Rechnungsprüfer nun in der Replik alle Fehler des Ministers einzeln auf. Das Ministerium, so die LRH-Direktoren, habe den „Sachverhalt hinsichtlich der Mitwirkung des Wirtschaftsministers (...) nicht vollständig“ dargelegt.

Ein Auszug aus der Mängelliste:

Über ein Schreiben des Ministers an Odersun heißt es: „unüblich und durch den Rahmenvertrag nicht gedeckt“.

Statt die ILB entscheiden zu lassen, wie es vorgeschrieben ist, liege eine „Einwirkung (...) in den von der ILB zu gestaltenden Verfahrensgang“ durch den Minister vor.

Der Minister sei nicht gewillt gewesen, der ILB allein das Förderverfahren zu überlassen.

Der Minister selbst habe bei der ILB die Krise bei Odersun herunterzuspielen versucht. Angeführt wird dafür ein Schreiben des Ministers an den ILB-Vorstand vom 27. Januar 2012.

Der Minister selbst habe die Zahlung der Beihilfe durch die ILB schriftlich angewiesen. Angeführt wird ein Schreiben des Ministers an den Vorstand.

Der Minister habe statt mit der ILB mit zuerst mit dem Investor die Bedingungen für die Hilfe geklärt. Der ILB, die eigentlich zuständig war, habe er am 23. Dezember 2012 nur noch angewiesen, so zu verfahren, wie er es mit den Pleitiers vereinbart hatte.

Da der Minister aber die Verantwortung für die Auszahlungen bei der ILB sieht, die schließlich noch einmal hätte intervenieren können, schreibt der Rechnungshof nun, Minister und Ministerium könnten die „Verantwortung (...) nicht auf die ILB abwälzen“.

Zu der Ansicht des Ministers, man habe sich die Hilfe für Odersun durch Grundstückssicherheiten gesichert, schreiben die Prüfer: „Die Werthaltigkeit der Sicherheiten war nicht nur zum Zeitpunkt der Entscheidung des Ministers, sondern auch noch während der Erhebung des LRH im Juni 2013 zweifelhaft.“

Die Tatsache, dass der Minister den Chef der ILB unmittelbar vor Weihnachten, am 23.12.2011, schriftlich angewiesen hatte, „die Rettungsbeihilfe zu bewilligen“, sei vom Ministerium gegenüber dem Rechnungshof in einer Stellungnahme schlicht „nicht erwähnt“ worden.

In einem anderen Kapitel des Briefes listen die Prüfer zudem „unzutreffende Zitate und unvollständige Ausführungen in der Stellungnahme“ auf, die das Ministerium zum Rechnungsprüfbericht geschickt hatte.

Doch so viele Fehler Christoffers in Sachen Odersun auch selbst gemacht hat, stellen sich Beobachter in der Regierung zunehmend die Frage, warum das Krisenmanagement gegenüber dem Rechnungshof so erkennbar schlecht und frech war, dass die LRH-Leitung sich zu dem Brief vom 7. Januar genötigt sah.

Bei den Linken wird offen, und im Wirtschaftsministerium zumindest verdeckt, der Verdacht laut, der Minister werde nach seinen eigenen Fehlern bewusst im Regen stehen gelassen. Dafür spräche eine Begebenheit, die sich zur Jahreswende in der Kantine des Ministeriums zutrug: Dort saß Michael Richter, einst Staatssekretär und Abteilungsleiter unter CDU-Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns, offen mit ebenfalls der CDU zugeordneten Ministeriumsmitarbeitern traut beisammen. Dabei waren auch die Verantwortlichen für die Kommunikation mit dem Rechnungshof und die seit Jahren für Solarförderung verantwortliche leitende Mitarbeiter. Richter, das macht den Fall so pikant, ist längst Staatssekretär in Sachsen-Anhalt. Dass sich ein Staatssekretär eines anderen Bundeslandes offen in die Kantine eines anderen Landes setzt und mit einstigen Vertrauten Kriegsrat hält: anderswo undenkbar.

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