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Corpus delicti. Gegen NPD-Funktionär Marcel Zech wird wegen seines Tattoos ermittelt.

© Facebook NPD/Privat, Montage: Andreas Klaer

Urteil im Prozess um KZ-Tattoo in Oranienburg: Der Speck muss weg

Update: Nachdem ein NPD-Kreistagsabgeordneter wegen seines KZ-Tattoos zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde, legt sein Verteidiger nun Berufung ein. Auch die Anklage prüft weitere rechtliche Schritte.

Oranienburg - Wenige Minuten nach dem Richterspruch feixt Marcel Zech schon wieder mit seinen rechten Kameraden. Gerade wurde er vor dem Amtsgericht Oranienburg (Oberhavel) in einem beschleunigten Verfahren wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, in denen er sich nichts zuschulden kommen lassen darf. Will er nicht ins Gefängnis, darf er sein Tattoo auf dem Rücken über dem Hosenbund, das zu diesem Urteil führte, nicht mehr öffentlich zeigen. Es zeigt die Silhouette des KZ Auschwitz mit dem Spruch vom Haupttor des KZ Buchenwald: „Jedem das Seine“. Entfernen muss er das Tattoo aber nicht.

Einen Tag nach dem Urteil hat Zechs Verteidigung Rechtsmittel eingelegt. Ein entsprechender Schriftsatz sei eingetroffen, teilte das Amtsgericht Oranienburg am Mittwoch mit. Auch die Unklage prüft, ob sie in Berufung geht. Noch sei aber die Entscheidung nicht gefallen, hieß es am Mittwoch. 

Niemand im Spaßbad habe Anstoß an dem KZ-Tattoo genommen

Zech ist jetzt deutschlandweit und auch international bekannt – oder besser sein Tattoo, das seither mal als KZ-Arschgeweih, mal als „Brauner Speck“ durch die Medien geht. Ein Journalist war Zech im November im Oranienburger Spaßbad begegnet und verbreitete ein Foto vom Tattoo in den sozialen Medien. Am Dienstag sagte er als Zeuge vor Gericht: „Ich war der Auffassung, dass es so außergewöhnlich war, dass ich das dokumentieren musste.“ Jeder in dem Spaßbad habe das Tattoo gesehen, niemand habe Anstoß daran genommen. Ausgerechnet in Oranienburg, wo wenige Minuten vom Spaßbad entfernt eine Gedenkstätte an das frühere KZ Sachsenhausen erinnert. Der Journalist sagte: „Umso mehr sah ich es als meine Pflicht an, es zu dokumentieren.“

Die PNN machten dann publik, wer sich dieses Tattoo hat stechen lassen und es am 21. November in Oranienburg im Spaßbad präsentierte: Marcel Zech, 27 Jahre alt, Gebäudereiniger, ist ein NPD-Mann aus Panketal, sitzt dort im Gemeindeparlament, im Kreistag Barnim und ist Mitglied der laut Verfassungsschutz neonazistischen Bruderschaft „Barnimer Freundschaft“. Auch vor Gericht bekennt er sich zu dieser Gruppe: Die Kürzel sind gut sichtbar auf seine Finger tätowiert, auch seinem Gürtel steht in großen Buchstaben ihr Name.

Staatsanwalt fordert deutliche Reaktion

Staatsanwalt Torsten Lowitsch hat in seinem Plädoyer eine Haftstrafe von zehn Monaten gefordert, aber ohne Bewährung. Zech zeige mit dem Sinnbild der Massenvernichtung der Juden im Dritten Reich, dass er diesen Völkermord gutheiße und billige – und habe damit den öffentlichen Frieden gestört. Justiz und Polizei waren auf Zech gestoßen, weil sein Tattoo bereits einmal bei „Identitätsmaßnahmen der Polizei“ registriert worden war. Zudem habe Zech dieses Tattoo nicht nur im Spaßbad, sondern bereits andernorts – nach PNN-Recherchen im Sommer an einem See im Brandenburgischen – gezeigt. Deshalb sei eine deutliche Reaktion nötig, im Jahr 2015 dürften derartige Äußerungen mit einem Tattoo in der Öffentlichkeit nicht getätigt werden, sagte Lowitsch. Der Staatsanwalt verwies auch auf ein Tattoo, das Zech auf dem Bauch trägt: Es ist ein Reichsadler, ähnlich dem aus dem Dritten Reich. Dort wo sonst das Hakenkreuz im Lorbeerkranz prangte, ist sein Bauchnabel.

Zech bringe mit dem KZ-Tattoo seine „tiefste Überzeugung“ zum Ausdruck. Es sei angesichts der aktuellen politischen Umstände in Deutschland höchste Zeit, dass Taten, mit denen „die schlimmsten und schwersten Verbrechen in der jüngeren deutschen Geschichte gebilligt werden, mit Nachdruck bestraft werden“. Das öffentliche Zeigen sei keinesfalls zu tolerieren, damit trete Zech das Grundgesetz mit Füßen. Für eine Bewährungsstrafe gebe es keinen Raum. Seine sozialen Verhältnisse, etwa ob er ein Kind hat, wozu der 27-Jährige vor Gericht aber keine Angaben machte, hätten ihn nicht vom Zeigen des Tattoos abgehalten. Es bestehe Wiederholungsgefahr.

Trotz Vorstrafen ein mildes Urteil

Zechs Verteidiger ist der rechte Szeneanwalt Wolfram Nahrath, der leitete die 1994 verbotene Wiking-Jugend und ist auch Anwalt des im Münchner NSU-Prozess angeklagten Neonazis Ralf Wohlleben. Für Zech gab er am Amtsgericht ein Teilgeständnis ab. Er argumentierte aber, dass der Spruch „Jedem das Seine“ nicht im Zusammenhang mit der Abbildung des „Lagers“ stehe – das Wort Konzentrationslager benutzte er nicht –, sondern mit einem Tattoo im Nacken. Dort steht „Freundschaft verbindet“. Der Spruch von Buchenwald sei Allgemeingut, auch das Möbelhaus Ikea habe ihn verwendet. Zudem zeige die Abbildung nicht Auschwitz, da Auschwitz einen anderen Turm hätte. Das Tattoo sei generell auch keine Meinungsäußerung. Über Zech sagte er: „Er war mit dem Kind da und wollte nur Spaß haben im Bad, wenn er überhaupt ein Bewusstsein hatte.“

Richterin Barbara Speidel-Mierke folgte mit dem Schuldspruch der Staatsanwaltschaft. Doch trotz der Vorstrafen Zechs blieb das Strafmaß milde. Der 27-Jährige ist in den vergangenen Jahren wegen Körperverletzung, Beleidigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Amtsanmaßung jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden. Das jüngste Urteil fiel im Juni 2015 vor dem Amtsgericht Bernau. Zech hatte im Jahr 2014 vermutlich linke Aktivisten erwischt, als sie NPD-Wahlplakate herunterrissen. Daraufhin hatte sich Zech laut Urteil als „Kripo-Beamter“ ausgegeben, um an die Personalien der Männer zu gelangen. Einschlägige politische Straftaten liegen nicht vor. Dennoch sagte die Richterin: „Ich gehe davon aus, dass er sich die Verurteilung zur Warnung dienen lässt.“ Auch gehe sie von einer positiven Sozialprognose aus – und dass es nicht zu weiteren Straftaten kommen werde.

Revision möglich

Rechtskräftig ist das Urteil nicht. Nahrath kündigte bereits im Plädoyer am Dienstag an, dass der Fall noch höhere Instanzen beschäftigen werde. Möglicherweise werde mit einer Verurteilung seines Mandanten Rechtsgeschichte geschrieben.

Die Staatsanwaltschaft prüft noch, ob sie Revision oder Berufung einlegt. Damit ist zu rechnen, die Ermittlungsbehörde hat schon mit dem durchgesetzten Eilverfahren gezeigt, dass sie ein Zeichen setzen will. Bei beschleunigten Verfahren handelt es sich um vereinfachte Prozesse ohne schriftliche Anklage und mit klarer Beweislage. Allerdings wird dafür das Höchststrafmaß auf ein Jahr begrenzt. Auf Volksverhetzung stehen nach dem Gesetz bis zu fünf Jahre Haft.

Das Internationale Auschwitz-Komitee reagierte empört auf das Strafmaß. „Dieses Urteil muss als müdes Zeichen eines allzu gleichgültigen Rechtsstaates gegenüber seinen Feinden bewertet werden“, sagte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner. Der „Angeklagte und seine Nazi-Freunde“ würden sich belustigt die Hände reiben. Er beleidige nicht nur menschenverachtend die „Überlebenden von Auschwitz mit ihren ermordeten Angehörigen“, sondern auch das heutige Deutschland. (mit dpa)

Hinweis in eigener Sache: Es gibt einen Grund, dass wir den Beschuldigten beim Namen nennen: Er ist Mandatsträger im Kreistag des Landkreises Barnim und in der Gemeindevertretung Panketal. Auch bei jedem anderen Politiker oder Amtsträger, gegen den ermittelt wird, der vor Gericht steht oder der verurteilt wird, nennen wir den vollen Namen. Und Zech ist daher nicht wie jede andere Privatperson zu behandeln. Das ist normaler journalistischer Umgang in solchen Fällen.

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