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Solarzellen auf dem Kirchendach - auch in Brandenburg bald ein normaler Anblick?

© dpa

Denkmalpflege in Brandenburg: „Solar auf Kirchen ist möglich“

Landeskonservator Thomas Drachenberg erklärt die Pläne - und warum auf Schloss Sanssouci keine Anlagen zu sehen sein werden.

Herr Drachenberg, in Brandenburg soll es künftig auch Solarzellen auf denkmalgeschützten Gebäuden geben können. Wie gehen Sie als Denkmalpfleger damit um?
Es soll in Brandenburg jede Möglichkeit, die denkmalverträglich ist, genutzt werden, um auch Solaranlagen an Denkmalen anbringen zu können. Dies ist auch heute schon möglich und wir haben einen nur sehr geringen Anteil an Versagungen. Angesichts der zu erwartenden Vielzahl der Anträge wird es eine Gesetzesänderung geben, die gerade in der parlamentarischen Diskussion ist: Der CO2-freien Energieversorgung soll der Vorrang gegeben werden. Damit folgt Brandenburg vielen anderen Bundesländern. Wichtig ist aber, dass mit dieser Regelung der Denkmalschutz nicht ausgesetzt wird: Es geht vielmehr darum, dass der vorhandene Spielraum genutzt wird.

Was heißt das konkret?
Das Anbringen von Solaranlagen ist zu ermöglichen - Punkt. Man wird aber auch weiterhin prüfen müssen, ob ein historischer Dachstuhl, zum Beispiel aus dem 14. Jahrhundert, dafür geeignet ist, eine Solaranlage zu tragen. Man wird überlegen müssen, wie man mit den neuen Brandlasten umgeht. Und man wird prüfen müssen, ob das Erscheinungsbild des Gebäudes dadurch verunstaltet wird und ob es bessere Aufstellungsmöglichkeiten gibt, die das Denkmal weniger beeinflussen. Gerade im Umgebungsschutz sehe ich aber noch viele ungenutzte Möglichkeiten. Auch entwickelt sich die Solartechnologie sehr schnell weiter, so dass man in Zukunft voraussichtlich mit verbesserten Anlagen arbeiten kann.

Kann auf Schloss Sanssouci eine Solaranlage entstehen?
Da werde ich die Prüfung gleich vorwegnehmen: Das Schloss ist zentraler Punkt einer künstlerischen Gartenkomposition, die zum Weltkulturerbe gehört. Deswegen dürfte zumindest im sichtbaren und kompositorisch bedeutenden Bereich des Schlosses keine Solaranlage möglich sein. Aber wir sind in der Tat mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten im Gespräch darüber, wie man den Gebäudebestand, den die Stiftung hat, nachhaltig sanieren und betreiben kann.

Auf Schloss Sanssouci werden wohl keine Solaranlagen installiert werden.

© Thilo Rückeis

Ein anderes Thema sind Windkraftanlagen. Wie dicht dürfen sie neben einem Denkmal stehen?
Das ist nicht eine Frage der Entfernung, sondern der Umgebung. Es geht dabei um den Schutz der Wirkung von Gartenanlagen, von Schlössern und von anderen raumbildenden Denkmalen wie etwa Stadtanlagen und Kirchen. Konkret heißt das: Hinter einer großen Stadtpfarrkirche, die man schon aus vielen Kilometern Entfernung sieht, sollte sich nicht ein optisch noch größeres Windrad drehen und den Anblick zerstören. Für den Ausbau der Windkraft ist das aber kein Problem: Nach Angaben des zuständigen Branchenverbands sind 90 Prozent aller Windkraftprojekte in Brandenburg gar nicht von diesen Fragen betroffen. Außerdem: Das Land Brandenburg ist in der Bundesrepublik eines der Flächenländer mit den meisten Windenenergieanlagen.

Eine der Sachen, die etwa bei Kirchbauten immer wieder im Gespräch sind, sind Solarzellen in der Farbe der Dächer...
Es ist schon bewundernswert, was mittlerweile alles möglich ist. Es gibt auch Solarfolie, die man auf Flachdächern ausrollen kann. Aber ich persönlich bezweifle, dass Solaranlagen, die rot sind und die nur ein Bruchteil der Wirksamkeit einer schwarzen Solarzelle haben, gleichzeitig in der Anschaffung aber drei Mal so teuer sind, der Ausweg sind. Wir müssen vielmehr die baukulturellen Besonderheiten in Übereinstimmung mit den energetischen Erfordernissen bringen. Das muss immer wieder neu austariert werden. Das ist eine klassische Aufgabe für Architekten und Architektinnen.

Was konkret kann da passieren?
Die Eigentümerin eines Denkmals überlegt sich genau wie jede andere Hauseigentümerin: Wie kann ich meine eigene Energieversorgung ohne Co2-Fußabdruck schaffen? Und wie kann ich die Kosten senken? Durch die Folgen des russischen Angriffskrieges läuft diese Diskussion derzeit auch emotional: Wie kann ich effektiv heizen und wie kann ich dennoch meinen Energieverbrauch bezahlen? Wir sind für die Bewahrung der Denkmale – das Beste an Baukultur das wir haben – zuständig und prüfen die Auswirkungen auf die Substanz und das Erscheinungsbild.

Hier werden die Genehmigungsbehörden vom Gesetzgeber nun aufgefordert werden, jeden Spielraum auch zu nutzen. Das könnte im Übrigen auch bei den vielen nichtdenkmalgeschützten Bauten eine vernünftige Praxis sein – denken Sie nur an das riesige Potential der Dachflächen zum Beispiel aller Supermärkte im Land Brandenburg. Aber eigentlich greift mir die Diskussion noch aus einem anderen Grund in der Öffentlichkeit viel zu kurz…

Inwiefern?
Wir müssen in Brandenburg den Begriff der Nachhaltigkeit diskutieren und ausfüllen. Denn es sind ja nur zwei Prozent der brandenburgischen Bausubstanz überhaupt als Denkmale geschützt. 98 Prozent sind es nicht. Gerade bei dieser Mehrheit der Bauten ist doch völlig klar, dass eine ressourcenschonende Instandhaltung und, wenn notwendig, Erweiterung wesentlich besser für die Bilanz des Verbrauches an Grauer Energie ist als die derzeit herrschende Abrisswut.

Die Denkmalpflege hat seit Karl Friedrich Schinkel große Erfahrungen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit – nutzen wir sie als moderne Gesellschaft: Denkmalschutz ist aktiver Klimaschutz. Ich zitiere an dieser Stelle auch unsere Kulturministerin, die die Denkmalpflege zurecht immer wieder als Mutter der Nachhaltigkeit bezeichnet. Ich kann nur empfehlen genau hinzuschauen, warum die oft mehrere hundert Jahre alten Denkmale so resilient, also widerstands- und reparaturfähig sind. Da gab es übrigens spannende Diskussionen auf der vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Leipziger Denkmalmesse.

Mit der Bundesstiftung Baukultur, dem Förderverein Baukultur in Brandenburg, der Arbeitsgemeinschaft der Städte mit historischen Stadtkernen, dem Förderkreis Alte Kirchen und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg Schlesische Oberlausitz, den Architekten- und Ingenieurkammern sowie den zuständigen Referaten in den Ministerien haben wir hier im Land starke Partner.

Denkmalschutz ist aktiver Klimaschutz.

Landeskonservator Thomas Drachenberg

Aber viele Gebäude sind doch gar nicht für die Ewigkeit gebaut...
Und das ist unser Problem! Weder die dickste Wärmedämmung noch der elektrische SUV, für den unsere Städte schon jetzt zu klein sind und dessen Entsorgung eine umwelttechnische Herausforderung darstellt, sind die nachhaltige Lösung. Und wenn neu gebaut wird: Bauen wir doch bitte so, dass eine Reparatur in 30 Jahren möglich und nicht die komplizierte Belüftungsanlage dann Schrott ist und durch eine noch kompliziertere ersetzt werden muss. Ich beobachte, dass die Universitäten da schon deutlich weiter sind, als die aktuelle Baupraxis. Da geht es schon längst um die Frage, wie man bei Neubauten ein Niveau hinbekommt, das immer reparaturfähig bleibt. Es geht um ganzheitliche Ansätze. Ganz sicher wird die Initiative „Bauhaus Erde“ von Potsdam aus die bisherigen Perspektiven ändern helfen.

Gelingt das denn der Denkmalpflege? Sie haben ja auch Bauten, die alle 25 Jahre neu restauriert werden müssen.
Restaurieren heißt erhalten, reparieren und Fehlstellen beseitigen. Da sehen Sie den Grundgedanken der Reparatur und Pflege, der in unserer normalen Baupraxis unterentwickelt ist. Wenn wir das Klima schützen wollen – und wir müssen das! - muss die Reparatur vor dem Neubau und der Neuanschaffung stehen. Und es geht auch darum, intelligent zu rechnen und nicht stumpf zu bilanzieren. Die Ressource Kulturerbe und Baukultur ist wichtiger Bestandteil der Energiewende – ohne sie gibt es keine nachhaltige Zukunft unseres gefährdeten Planeten. Hier brauchen wir gute und langlebige Lösungen, die mit dem vorhandenen Potential der Städte und Gemeinden umgeht und diese nutzt, ohne sie kaputt zu machen.

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