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Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) ruft zu Besonnenheit auf.

© dpa

Der Ukrainekrieg und die Folgen: „Bitte, bitte keine Panik!“

Brandenburg und Berlin sind abhängig von Öl aus Russland. Welche Folgen hätte ein Lieferstopp für die Hauptstadtregion? 

Potsdam - Ein Lieferstopp von Gas und Öl aus Russland wird nach Worten von Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) die Versorgung der Bevölkerung in der Hauptstadtregion nicht schlagartig zusammenbrechen lassen, obwohl Berlin und Brandenburg fast komplett von Öl-Importen aus Russland abhängen. "Die Lichter werden überhaupt nicht ausgehen. Bitte, bitte keine Panik!“, sagte Steinbach am Mittwoch im rbb-Inforadio. „Man kann davon ausgehen, dass die ersten zwei, drei Wochen nahezu unterbrechungsfrei weiter versorgt werden können, so dass ausreichend Zeit bleibt, Ersatzlösungen auf die Beine zu stellen.“

Kurzzeitige Versorgungsengpässe 

Allerdings, auch das sagte Steinbach, werde es „nicht ohne Engpässe, nicht ohne kurzzeitige Versorgungsengpässe abgehen“. Einen weiteren Anstieg der Benzinpreise, die schon jetzt bei über zwei Euro pro Liter liegen, schloss der Minister nicht aus. Am Vortag hatte waren Steinbach, die anderen ostdeutschen Wirtschaftsminister und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zusammengekommen. Thema waren neben der Energiepolitik auch die Benzinpreise. Die Politik könne nur wenig tun, räumte Steinbach ein. „Ich habe nichts in Sicht, das die Brandenburger kurzfristig entlasten würde.“ 

Raffinerie gehört russischen Staatskonzern

Gerade Brandenburg und Berlin sind weit stärker als andere Bundesländer von Öl aus Russland abhängig. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte jetzt erstmals mitten in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine mit einem Lieferstopp gedroht. Zuvor hatte die EU bereits angekündigt, dass sie innerhalb eines Jahres den Bezug von Öl und Gas aus Russland um zwei Drittel reduzieren will. In der Raffinerie der PCK in Schwedt, die dem russischen Staatskonzern Rosneft gehört, endet die Erdöl-Pipeline „Drushba“.

Die Raffinerie PCK in Schwedt gehört dem russischen Staatskonzern Rosneft.
Die Raffinerie PCK in Schwedt gehört dem russischen Staatskonzern Rosneft.

© REUTERS

„90 Prozent der Versorgung mit Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl in Berlin und Brandenburg wird von PCK sichergestellt“, heißt es auf der Homepage der PCK. Jährlich würden in der Raffinerie mit 1000 Mitarbeitern rund zwölf Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet. Und, so das russische Unternehmen: „Neun von zehn Autos in Berlin und Brandenburg fahren mit Kraftstoff aus Schwedt.“ Rosneft hat auch Verträge mit verschiedenen Airlines am BER-Airport, Flugzeuge zu betanken. 

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Das Szenario, dass Schwedt, ausfällt – Russland dreht den Hahn zu oder wegen Importstopps auf EU-Seite – wird wahrscheinlicher. Für die Bewohner von Schwedt gab Steinbach für diesen Fall zumindest für die Wärmeversorgung Entwarnung, die bisher von PCK kommt. „Sollte die Raffinerie komplett vom Netz müssen, werden die Stadtwerke Schwedt die Versorgung mit Fernwärme komplett übernehmen.“ Mit Blick auf Auswirkungen für Brandenburg und Berlin versicherte Steinbach: „Es gibt eine ganz klare Priorität: Wenn wir diese Versorgungssituation haben, ist erstmal die Bevölkerung zu versorgen, und erst in zweiter Linie dann die freie Wirtschaft.“ Auch die Debatte, welche Konsequenzen Russlands Krieg gegen die Ukraine für die Energiepolitik von Bund und Land hat, geht weiter. 

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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte eine mögliche Verschiebung des von der Ampel-Koalition im Bund „idealerweise“ bis 2030 angepeilten Kohleausstiegs ins Spiel gebracht. Derzeit macht Woidke bei Habeck Druck, dass die Entscheidung über den weiteren Fahrplan, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Evaluierung, „nicht in Hinterzimmern“ fallen dürfe, sondern wie bei der Kohlekommission gemeinsam mit den betroffenen Regionen. 

Ausbau der erneuerbaren Energien

Steinbach sagte zwar auch, dass vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine womöglich Kraftwerksblöcke länger in der Sicherheitsreserve bleiben müssen. Doch vor allem sei es, so sein Petitum, „zwingend notwendig, den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht zu verlangsamen, sondern zu beschleunigen“, um bei der Energieversorgung auf eigenen Füßen zu stehen. Schon jetzt zeige sich an den Strombörsen, dass die Preise sinken, wenn viel erneuerbare Energie im Netz sei, so der Minister. „Grüne Energien sind bereits eine praktische Preisbremse.“ 

Um eine schnellere Energiewende zu ermöglichen, müssten die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland beschleunigt werden, so Steinbach. Man sei sich darüber bei dem Treffen mit Habeck einig gewesen. Bisher dauere es drei bis fünf Jahre bis zur Aufstellung eines Windrades, kritisierte Steinbach. „Das sind Zeiträume, die wir uns nicht mehr leisten können.“

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