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Brandenburg: Bewegender Abschied

Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof wurde der Seelenschauspieler Otto Sander beigesetzt

Berlin - Das Licht auf den Blättern. Stille. Nur das entfernte Rauschen des Verkehrs. Und dann wehen von irgendwo hinter den Büschen die Klänge einer Mundharmonika herüber. Ein Mann spielt, abseits, leise, wie für sich, Seemannslieder, während sich die Familie, Freunde und Kollegen und Zuschauer, während sich das nahezu vollständig versammelte kulturelle Berlin auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof von seinem geliebten Schauspieler Otto Sander verabschiedet.

Am Samstag um 13 Uhr findet er, unter einer vom Blitz getroffenen Robinie, bewacht von einer Eiche und einer Birke seine letzte Ruhe. Hunderte warten. Schauspielerkollegen, viele aus alten Schaubühnenzeiten, Edith Clever, Eva Mattes, Corinna Kirchhoff, Gerd Wameling und Ernst Stötzner, auch Hannelore Hoger, Iris Berben, Joachim Król und Anna Thalbach. Regisseure wie Claus Peymann oder Wim Wenders, in dessen Film „Himmel über Berlin“ Otto Sander einen Engel spielte. Akademiepräsident Klaus Staeck, Otto Schily mit Tochter Jenny Schily. Udo Lindenberg nimmt die Sonnenbrille ab, als es so weit ist. Am Grab, mit großer Würde, Otto Sanders Frau Monika Hansen und seine Ziehkinder, Meret und Ben Becker. Irgendwann hält Ben es nicht mehr aus, zieht sich zurück. Als er sich wieder unter die Familie mischt, nimmt ihn Klaus Wowereit in den Arm.

An den Gräbern von Heinrich Mann und Johannes R. Becher kam der Zug vorbei. Auf der bewegenden Trauerfeier im Berliner Ensemble zählte Claus Peymann auf: „Brecht, Heiner Müller, Tabori, Jürgen Gosch. Mensch, was für eine Combo. Da möchte man sofort Regie führen. Und da tanzt du jetzt mit.“

Es war bewegend, mitunter fröhlich. Wie auch nicht, bei der weltbekannten Sander-Lache! Bei der clownesken Weltweisheit, er musste nur da sein und schief lächeln. „Ich kann“, sagt Wim Wenders, „bei aller Trauer eine gewisse Fröhlichkeit nicht unterdrücken. Die Fröhlichkeit, dich gekannt zu haben.“ Klaus Wowereit sagt: „Er war Berlin.“ Und: „Otto besaß die Leichtigkeit, die so schwer zu spielen ist. Er wirkte so zart und zerbrechlich.“ Peter Raue sagt: „Er ist immer ein Seefahrer geblieben. Ein Melancholiker mit der Sehnsucht nach der Ferne.“

Am Ende kniet Meret Becker neben dem Sarg und legt eine kleine Spieluhr auf den Deckel. Man hört Otto Sanders unvergessliche Stimme aus den Lautsprechern. Er rezitiert Ringelnatz. „Ich habe dich so lieb!/ Ich würde dir ohne Bedenken eine/ Kachel aus meinem Ofen schenken/Ich habe dir nichts getan./Nun ist mir traurig zu Mut./An den Hängen der Eisenbahn/leuchtet der Ginster so gut.“ Als die Menschen nach draußen treten, ist der Himmel gleißend blau. Andreas Schäfer

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