zum Hauptinhalt
Rechtsextremismus bleibt das Hauptproblem in Brandenburg, die Szene ist weiter groß.

© Patrick Pleul/dpa

Bei Anruf Verfassungsschutz: Brandenburg startet Aussteigerprogramm für Extremisten

Zu einem selbstbestimmten Leben ohne Hass und Gewalt sollen Berater des Verfassungsschutzes ehemaligen Extremisten verhelfen. Innenminister Stübgen stellte die Maßnahme vor.

Das Land Brandenburg will ehemalige Extremisten unterstützen, die sich von ihrer Ideologie abwenden. Das Innenministerium hat ein Ausstiegs- und Distanzierungsprogramm mit dem Namen „wageMUT“ gestartet, das die Präventionsarbeit des Landesverfassungsschutzes für ausstiegswillige Extremisten ergänzen soll. „Wer aus eigenem Antrieb ein extremes Umfeld verlassen möchte und dafür Begleitung und Hilfe anfragt, verdient diese Unterstützung aus meiner Sicht auch“, erklärte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Dienstag.

Mit dem neuen Programm, das ein weiteres zentrales Vorhaben des Maßnahmeplans im Kampf gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität sei, solle Ausstiegswilligen geholfen werden, ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben ohne Gewalt und Extremismus zu führen.

„Die Erfahrungen anderer staatlicher Ausstiegsprogramme zeigen ihre Wirksamkeit. Diese Programme haben zahlreichen Menschen dabei geholfen, ihr Denken und Verhalten nachhaltig zu ändern“, so Stübgen. Mit „wageMUT“ werde eine Lücke in Brandenburg geschlossen. Neben staatlichen Programmen hat sich vor allem der seit 20 Jahren deutschlandweit aktive, spendenfinanzierte Verein Exit einen Namen gemacht, der Menschen hilft, mit dem Rechtsextremismus zu brechen.

Der Haupteinsatzbereich des Aussteigerprogramms dürfte der Rechtsextremismus sein, denn er bleibt in Brandenburg das größte Problem. 2021 wurden laut Verfassungsschutzbericht insgesamt 108 Gewaltstraftaten durch Rechtsextremisten verübt, 39 mehr als noch im Jahr zuvor. Gleichzeitig sank die Zahl der Extremisten aus der rechten Szene um 30 auf 2830 Personen. „Vom Rechtsextremismus geht in Brandenburg weiterhin mit Abstand die größte Gefahr aus“, hatte Stübgen bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes im Juni 2022 erklärt. Das Personenpotenzial war 2021 trotz des Rückgangs das zweithöchste seit Bestehen des Landes.

Hilfe zur Selbsthilfe für Ausstiegswillige

„Auf dem Weg in ein Leben ohne Extremismus sind Ausstiegswillige häufig mit persönlichen und sozialen Problemen konfrontiert. An diesen individuellen Bedürfnislagen setzen die Ausstiegsbegleiterinnen und -begleiter des Verfassungsschutzes an“, so Behördenchef Jörg Müller. „Sie werden bedarfsgerechte Hilfsangebote zur Bewältigung des Alltags in Form von Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.“ Ebenso seien Beratung und Hilfe für das familiäre Umfeld oder für Schulen möglich.

Überrascht von den Plänen des Innenministers wurde die CDU-Landtagsfraktion. Während ihrer Fraktions-Pressekonferenz am Dienstag mit Schwerpunkt Innenpolitik wurde die Mitteilung des Ministeriums zum neuen Aussteigerprogramm verschickt. „Alles, was den Ausstieg aus extremistischen Szenen fördert, ist gut“, sagte der von der Pressemitteilung überrumpelte CDU-Fraktionschef Jan Redmann auf Anfrage. Er will Stübgen wie berichtet als Landesparteichef beerben.

Der in Potsdam ansässige Verein Opferperspektive kritisierte am Dienstag unterdessen, dass die Situation für Betroffene rechter Gewalt in Brandenburg schwierig sei und nennt folgenden Fall: Am 20. Januar 2018 mobilisierte der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Verein „Zukunft Heimat“ nach Angaben der Opferperspektive zu einer Großkundgebung nach Cottbus, die sich gegen Geflüchtete richtete. Kurz nach Ende der Kundgebung sei eine Journalistin durch einen Versammlungsteilnehmer angegriffen worden. Der ermittelte Tatverdächtige komme aus der rechten Cottbuser Hooliganszene.

Die Cottbuser Strafverfolgungs- und Justizbehörden seien fünf Jahre nach dem Angriff bisher nicht im Stande, das Verfahren soweit voranzubringen, dass es zu einer Verhandlung in erster Instanz kommt. „Leider ist der genannte Sachverhalt kein Einzelfall“, so Martin Vesely von der Opferperspektive. Das Problem bestehe seit Jahren. „Die Landesregierung muss nun endlich politisch intervenieren und dafür sorgen, dass sich auch in Südbrandenburg rechte Schläger für ihre Taten vor Gericht verantworten müssen“, fordert Vesely.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false