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Brandenburg: Armutszeugnis-Ausgabe

Zeugnisse ohne Noten: Nach dem Eingeständnis Baaskes fordern GEW, Opposition, Schüler und Eltern mehr Lehrer für die Schulen

Potsdam - Schon wieder keine Zeugnisnoten, weil zu oft der Unterricht ausfiel: Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Landesschülerrat, Eltern und die Opposition im Landtag haben am Freitag deshalb erneut zusätzliche Lehrer gefordert, um die Vertretungsreserve aufzustocken. Bildungsminister Günter Baaske (SPD) hatte zuvor – PNN berichteten – eingestanden, dass es an mindestens 21 Schulen in 14 Städten Brandenburgs auf den Zeugnissen wieder Fächer ohne Noten geben wird. Und das, obwohl zum Schuljahr 2014/2015 rund 900 neue Lehrer eingestellt worden waren, so viele wie nie seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990. Vor einem Jahr hatte es an 31 Schulen das Problem gegeben. Damals hatten 4 100 Schüler in 150 Klassen wegen ausgefallenen Unterrichts in bestimmten Fächern keine Zeugnisnoten erhalten.

Exakte Zahlen, wie viele Schüler jetzt betroffen sind, will Baaske am Montag vorlegen. Laut Ministerium hat sich die Größenordnung zwar halbiert, so gehe es um weniger als 2000 Schüler. „Das ist dennoch besorgniserregend. Ich kenne kein anderes Bundesland, wo das so ist“, reagierte GEW-Chef Günter Fuchs. Zwar stelle Brandenburg deutlich mehr Lehrer ein als früher. Doch es würden vor allem ausscheidende Lehrer ersetzt, sodass es keine signifikanten Verbesserungen beim Unterrichtsausfall geben könne. „Es sind Ersatzeinstellungen. Da kommt nix obendrauf.“ Nach der offiziellen Statistik wird im Land etwa jede zehnte Unterrichtsstunde nicht regulär nach Plan erteilt, fallen knapp drei Prozent des Unterrichts ersatzlos aus. Vor der Landtagswahl im September 2014 hatten alle Parteien versprochen, das Problem energischer anzupacken. Die rot-rote Regierungskoalition will bis 2019 mindestens 4300 neue Lehrer einstellen. In dieser Zeit gehen nach Schätzungen zwischen 3200 und 3600 Lehrer – insgesamt gibt es im Land 18 000 Lehrer – in den Ruhestand. Verschärft wird das Problem, weil es laut Fuchs 450 bis 550 langzeiterkrankte Lehrkräfte gibt. Die GEW will jetzt mit der Landesregierung über Entlastungen für ältere, oft ausgebrannte Lehrkräfte verhandeln, was auch zu weniger gesundheitsbedingten Ausfällen beitragen könnte. Die Situation an den Schulen habe sich nicht verbessert. „Es ist nicht in Ordnung, dass viele Schüler auf den Zeugnissen keine Zensuren haben werden“, sagte Landesschülersprecherin Pauline Reinicke den PNN. „Es werden immer noch zu wenige Lehrer eingestellt. Es muss mehr Vertretung stattfinden.“ Das sei vor allem eine Folge der verfehlten Politik der Vergangenheit.

Es sei ein Armutszeugnis, sagte der CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann. „Das Thema Bildung taugt bei Rot-Rot zwar als Wahlkampfschlager, die echten Probleme werden aber verschlafen.“ Der Unterrichtsausfall sei viel zu lange kleingeredet worden. ,,Wenn eine Leistungsbewertung unmöglich ist, weil der Unterricht gar nicht erst stattfand, liegt klares Versagen des Staates vor“, sagte Grünen-Bildungsexpertin Marie-Luise von Halem „ Das Land muss sicherstellen, dass der Unterricht erteilt wird, ohne Wenn und Aber.“ Das Ministerium gehe immer noch zu zögerlich gegen den Ausfall vor. Es mangle neben Personal offenkundig immer noch an einem frühzeitig anschlagenden Meldesystem. Das fordern die Grünen und die CDU. Zwar hat die Regierung bereits eine Vetretungsreserve von 10 Millionen Euro eingerichtet, aus der die Schulen – etwa bei kurzfristigen Erkrankungen – befristete Ersatz-Pädagogen, etwa Pensionäre, anheuern können. Allerdings finden sie, wie die Praxis zeigt, oft niemanden.

Etwas hat sich allerdings geändert: Das Problem werde nicht mehr wie unter der früheren Bildungsministerin Martina Münch (SPD) verharmlost. Es sei Baaske anzurechnen, „dass er diesen Missstand nun offener anspricht“, sagte von Halem. Auch Fuchs sagte, dass mit Baaske im Vergleich zu früher „mehr Pragmatismus und Realitätsbezug einziehe“. Baaske selbst hatte zu den Zeugnissen ohne Noten erklärt: „Ich bedaure es sehr. Wir müssen uns ehrlich machen und transparent sein.“ Er versicherte aber, dass der ausgefallene Unterricht nachgeholt wird und auf den „Jahreszeugnissen Endnoten stehen werden“.

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