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Von Thorsten Metzner: Alternativer Staatsdiener

Eigentlich bräuchte Cornelius Everding nicht mehr arbeiten – jetzt ist er Brandenburgs Chef für E-Government

Potsdam - Er hat schon vieles gemacht in seinem Leben. Aber das, was er jetzt gerade tut, dürfte das bisher Verrückteste sein. Zumindest für die, die ihn nicht kennen. „Ich bin stolz, für den Staat zu arbeiten“, sagt dieser Mann, der eigentlich gar nicht mehr arbeiten müsste. Er ist ein unorthodoxer, hemdsärmliger Typ, dieser Cornelius Everding. Jahrgang 1965, Jurist, Musiker und Ex-Geschäftsmann, ein unbekümmerter Idealist mit einem verschmitzten, schalkhaften Blick, der mit seinen 43 Jahren schon so viel Geld verdient hat, dass es zum Ruhestand reichen würde. Aber zum Nichtstun ist er eben zu ruhelos, zu kreativ, zu neugierig.

Und so kam es zur wohl ungewöhnlichsten Neueinstellung in den Brandenburger Landesdienst seit Langem. Ausgerechnet dieser jungenhaft gebliebene Mann ist jetzt CPIO der Regierung, wie es offiziell heißt, der „Chief Process Innovation Officer“. Das heißt, Everding ist Chefkoordinator für E-Government, einem Großprojekt zur besseren Verwaltung des Landes mit elektronisch-virtueller Hilfe.

Die Personalie im Ressort von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) verblüfft angesichts der unkonventionellen Persönlichkeit Everdings umso mehr. Er stammt aus einer bekannten Musikerfamilie. Sein Vater August Everding war der langjährige Generalintendant des Bayerischen Staatstheaters und Präsident des Deutschen Bühnenvereins , eine Ikone der Hochkultur. Klar, dass Cornelius, einer von drei Söhnen, mit „Kulturkram“ aufwuchs, wie er despektierlich formuliert. Klar, dass er lernte Instrumente zu spielen, Klavier, Saxofon, Schlagzeug. Er wusste früh, was er wollte und was nicht. Nach Abitur, Schreinerlehre und Jurastudium zog es ihn mit nur „ausreichenden Examina, aber ausreichend Idealen“, so hieß es in seiner damaligen Stellensuchanzeige, vor allem weg aus München. Dort hätte ihn zwar eine renommierte Kanzlei eingestellt, allein wegen des Namens, wie er sagt, aber „das war nichts für mich“.

Also ging er 1993 in das sowieso spannendere Berlin, arbeitete als angestellter Anwalt. Er war es, der damals für die noch junge Love Parade durchsetzte, dass sie als Demonstration anerkannt wurde – um in dem Moment auszusteigen, als sie „kommerziell zu werden begann“. Für seine Karriere sollten solche Sprünge in unbekannte Gefilde irgendwie typisch werden. So war es auch, als er 1995 Personalchef im Potsdamer Polizeipräsidium wurde, mit 30 Jahren. Es waren die märkischen Aufbaujahre. Der damalige Polizeipräsident Detlef Graf von Schwerin war auf den jungen Juristen aufmerksam geworden, der ehemalige, über Stasi-Überprüfungen gestolperte Volkspolizisten verteidigte und das Herz offenbar auf dem rechten Fleck trug. In der Zeit als Personalchef habe sich vieles relativiert in seinem Denken über die DDR, sagt der in München und Hamburg Aufgewachsene. „Ich weiß nicht, ob ich ein Held gewesen wäre.“

Gut vier Jahre später war es erneut Zeit – für den nächsten radikalen Wechsel. 1999, das Jahr, in dem sein Vater starb, in dem er selbst in einer privaten Krise steckte, wechselte Everding in das Büro von Leo Kirch, der sein Privatsender-Imperium ausbaute. Es folgten verschiedene Führungsjobs, bei Sat 1, Pro 7, es ging um digitales Fernsehen, interaktive neue Formate. Er blickte, sehr nah an den Chefs, hinter die Kulissen der Medienwelt, in der man gut verdiente, die trotzdem nie die seine wurde, die „von Dummheit und Rücksichtslosigkeit geprägt war“. Seine Tätigkeit dort, so sagt er heute, sei „nicht immer ehrenwert“ gewesen. Nichts für ihn, den rebellischen Freigeist, aber trotzdem eine „lehrreiche Zeit“, erzählt Everding. Die Erfahrungen halfen, gemeinsam mit drei Freunden eine TV-Medienfirma für interaktives Fernsehen zu gründen, die sie gute drei Jahre später an einen Schweizer Telekommunikationskonzern verkaufen konnten. Ein lukrativer Coup, der das Quartett auf einen Schlag wohlhabend machte. Wie viele Millionen er damals verdiente, will Everding nicht verraten, das dürfe er nicht wegen der Verträge, erklärt er. Da ist er ganz Jurist. Fest steht, dass er seitdem „so schnell nicht wieder arbeiten müsste“.

Cornelius Everding ist in dieser Hinsicht also ein ziemlich freier Mann. Er kann tun, was ihm Spaß macht. Er arbeitet weiter als Klavier- und Improvisationslehrer in Berlin, mit der Musik im Blut, getreu seinem Leitspruch: „Nach einer Stunde kann jeder improvisieren und komponieren.“ Er engagiert sich für die „United Transnational Republics“, ein alternatives, intellektuell-internationales Kulturprojekt das die globalisierte Welt demokratischer machen will. Und er hat einen Heidenspaß, wenn er mit Gleichgesinnten das „Popanzspiel“ spielt, bei dem sich ein von ihnen erfundenes „Zentralbüro für Komplikationsoptimierung“ für Opfer des Amtsschimmels einsetzt, diesen so mit den eigenen Waffen schlägt – oft mit Erfolg. Gemeinsam mit einem Freund hat er gerade ein Buch geschrieben, das noch im Januar erscheinen soll – über, wie passend in diesen Zeiten, das Geld.Und er tut eben Gutes in seinen neuen Job als Staatsdiener, den er sich in einem harten Auswahlverfahren erkämpft hat. In das Land Brandenburg hat sich der passionierte Biker auf seine Art verliebt: „Das Baumblütenfest in Werder ist zehn Mal cooler als die Münchner Wiesn.“

So ist Cornelius Everding jetzt voller Begeisterung dabei, Amtsstuben in Schwung zu bringen, mit „elektronischen Akten“ und intelligenteren Verwaltungswegen. Einer, der sich nicht als Techniker oder oberster Computer-Ausstatter der Ministerien sieht, sondern als Anstifter, der in den Köpfen etwas verändern will. Ungeduldig dabei, aber mit Verständnis für manche Sorge, dass mehr Computerarbeit auch zur Einsparung von Personal führen könnte. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat Brandenburgs CPIO deshalb bei der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen sondiert, wie man dieses sperrige E-Government, schon der Begriff eine einzige Unübersichtlichkeit, nach Innen und Außen verkaufen und erklären könnte. „Wir brauchen Bilder“, sagt er. „Gegen Bilder gibt es keine Argumente.“ Das hat Cornelius Everding, so schließen sich Kreise, in seinen Fernsehjahren gelernt.

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