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Bergmann-Klinik rettet Pflegedienst: In Zeiten des Pflegenotstands

Klinikum sichert Pflege von 80 Senioren. Unterdessen streiten Altenpflegeschulen und Land um Zuschüsse.

Potsdam - Bisher unbemerkt von der Öffentlichkeit haben die Stadt und das Klinikum „Ernst von Bergmann“ einen in finanzielle Schieflage geratenen Pflegedienst gerettet: den insolventen Diakonie-Pflegeverein Potsdam-Nord. Über die Aktion informierte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am Freitag vor Journalisten. Damit habe die ambulante Pflege von rund 80 Senioren übergangslos gesichert werden können, so Jakobs. „Sonst wären sie ohne Versorgung gewesen.“ Der Verein mit Sitz in einem Bürohochhaus im Industriegebiet sei vor allem am Schlaatz, in der Waldstadt und in Rehbrücke tätig.

Demnach habe eine gemeinsame Tochter des Klinikums sowie der privaten Hoffbauer-Stiftung, die vor knapp zwei Jahren gegründete gemeinnützige Ernst von Bergmann Care GmbH, den insolventen Verein zum 30. Oktober übernommen. Allen 13 Mitarbeitern sei die Übernahme angeboten worden – und damit die „Sicherheit ihres Arbeitsverhältnisses im Verbund und Tarifwerk eines großen Trägers“, wie es in der offiziellen Mitteilung aus dem Rathaus hieß. Ausdrücklich lobte Jakobs auch das „beherzte Agieren“ seines Sozialdezernenten und Nachfolge-Aspiranten Mike Schubert (SPD), der die Verhandlungen zur Rettung mitgeführt habe.

Im Sommer kam der Antrag wegen Zahlungsunfähigkeit

Der Diakonie-Verein bestand seit 1991, laut Amtsgericht wurde am 20. Juni ein Eröffnungsantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt. Laut eines Sprechers des Insolvenzverwalters Rolf Rattunde aus Berlin hätten die Umsätze nicht mehr die laufenden Kosten decken können – nach PNN-Informationen soll der kleine Verein mit der Zeit schlichtweg überfordert gewesen sein, speziell mit der Bürokratie.

Nun gehe der Pflegedienst in einer größeren Struktur auf, die Mitarbeiter würden „Teil einer großen sozialen Gemeinschaft“, wie es hieß. Hoffbauer-Chef Frank Hohn, der bereits vor Jahren das insolvente Diakonische Werk Potsdam übernommen und saniert hatte, sagte: „Wir sehen uns in der Verpflichtung zur Weiterführung der Diakonie-Pflege als Dienst am Nächsten.“

Ein Nebeneffekt: Mit der Aktion erweitert das städtische Klinikum sein Angebot und ist nun in der Lage, neben der stationären und der Kurzzeitpflege Senioren auch ambulant zu betreuen. Das hatte insbesondere Dezernent Schubert bereits im Frühjahr während der seitdem anhaltenden Debatte um den Pflegenotstand in Potsdam gefordert. Ein Hauptgrund ist, dass viele Pfleger eine Stelle in Berlin vorziehen, wo sie besser bezahlt werden. Schubert hatte daher – wie auch die oppositionelle CDU-Fraktion im Landtag – bereits gefordert, dass die zuständige Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) handeln müsse.

Nachwuchsförderung in der Kritik

Deren Ministerium steht auch in einem anderen Bereich der Altenpflege in der Kritik: bei der Nachwuchsförderung. Das bestätigte die auf Hermannswerder ansässige Landesarbeitsgemeinschaft der freien Altenpflegeschulen im Land Brandenburg, deren Vorstandschef Jürgen Franzen für die Hoffbauer-Stiftung eine solche Schule in Kleinmachnow betreibt – dort werden rund 200 Personen ausgebildet. Den PNN sagte Franzen auf Nachfrage, das Land zahle längst nicht den eigentlichen Bedarf der Schulen. Pro Schüler würden demnach 380 Euro pro Monat gewährt – nötig seien aber 571 Euro.

Für einige Schulen im Land sei diese Situation bedrohlich: „Sie laufen ständig Gefahr, den Betrieb einstellen zu müssen oder zumindest die Qualität der Ausbildung zu verschlechtern.“ Das Land spare hier an einer fatalen Stelle. So müssten sich die Träger mit Notlösungen über die Zeit hangeln und zum Beispiel auf notwendige Investitionen oder neue Unterrichtsmaterialien verzichten, die Lehrer schlechter als angemessen bezahlen oder Klassengrößen einrichten, die eigentlich nicht mehr sinnvoll sind. „ Das alles geht eine Zeit lang – dann aber bricht die Qualität massiv ein und irgendwann geht dann die ganze Schule zugrunde“, so Franzen. Auch die Arbeiterwohlfahrt in Potsdam, die in der Röhrenstraße eine Altenpflegeschule betreibt, bestätigte auf Anfrage die nicht auskömmliche Finanzierung.

Anspruch auf Förderhöhe besteht laut Ministerium nicht

Dagegen teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mit, die Förderung der Altenpflegeausbildung sei eine „freiwillige Leistung“, ein Anspruch auf eine Förderhöhe bestehe nicht. 2015 habe man die Förderung um 50 Euro pro Schüler und Monat erhöht. Seien bis 2014 für die Förderung der Altenpflegeausbildung im Landeshaushalt noch rund 3,6 Millionen Euro eingestellt gewesen, sei diese Summe inzwischen auf rund 4,5 Millionen Euro pro Jahr gewachsen. Die Frage „Warum spart das Land Brandenburg an dieser Stelle?“ sei also nicht zutreffend, so der Ministeriumssprecher. Gleichwohl prüfe man, wie die Lage der Schulen „weiter verbessert“ werden könne. Schulvertreter Franzen drängt jedenfalls auf eine schnelle Lösung: „Jeder Mensch, den wir jetzt nicht oder nicht gut ausbilden, fehlt uns am Ende in der konkreten Pflege.“

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