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Badeunfall am Sacrower See: Langes Warten auf die Retter

Die Stadt Potsdam hat sich nach PNN-Recherchen für einen missglückten Rettungseinsatz nach einem dramatischen Badeunfall im entlegenen Stadtteil Sacrow entschuldigt.

Potsdam - Der Grund: Die Rettungskräfte haben deutlich länger zum Einsatzort gebraucht als es das Gesetz vorschreibt. So soll ein vor dem Ertrinken Geretteter etwa eine Stunde auf den Rettungswagen gewartet haben. „Das war eine Ausnahme, wir bedauern das sehr“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow auf PNN-Anfrage. Für den Patienten habe keine Lebensgefahr bestanden, betonte Brunzlow.

Der letztlich glimpflich verlaufene Unfall passierte am Donnerstagnachmittag vor rund zwei Wochen. An einer wilden Badestelle an der Havel, in der Nähe der Heilandskirche, sollen einen 68 Jahre alten Mann beim Schwimmen die Kräfte verlassen haben, wie Zeugen gegenüber den PNN berichteten. Bevor er unterging, konnte er noch um Hilfe rufen. Die Notlage des Mannes fiel glücklicherweise schnell auf, ein kleine Gruppe von Jugendlichen konnte den Schwimmer schließlich aus dem Wasser retten. Völlig entkräftet sei der Mann ans Ufer gebracht worden. Er soll minutenlang nicht ansprechbar und grau im Gesicht gewesen sein. Weitere Zeugen hatten derweil den Notruf gewählt. Doch der ließ auf sich warten: Laut den Zeugen vor Ort soll es an jenem 31. Mai etwa eine Stunde gedauert haben.

Den PNN liegt mittlerweile das Telefonprotokoll der Helfer vor Ort vor: Demnach ging der erste Anruf an die Notrufnummer „112“ gegen 16.45 Uhr heraus – und kam im benachbarten Berlin an. Die dortige Rettungsstelle sicherte Hilfe zu. Doch der daraufhin geschickte Rettungswagen soll sich verfahren haben, weil die Adresse falsch verstanden wurde, berichtete ein Zeuge. Auch ein weiterer „112“-Anruf gegen 17.05 Uhr brachte keine Besserung. So rief der Helfer gegen 17.12 Uhr schließlich die Potsdamer Rettungsstelle unter der Nummer „0331-37010“ an – die dann das Lotsen übernommen hatte. Samt dem Anmarsch der Rettungskräfte zum Patienten an der Badestelle sei etwas mehr als eine Stunde vergangen, in dem die Zeugen versuchten, dem verunglückten Schwimmer mit stabiler Seitenlage bis zum Eintreffen der Retter zu helfen, so die Schilderung der Zeugen vor Ort.

Inzwischen hat der städtische Fachbereich Feuerwehr unter Ordnungsdezernent Mike Schubert (SPD), der für die Notfallrettung in Potsdam zuständig ist, den Fall ausgewertet. Stadtsprecher Brunzlow bestätigte, dass Anrufer, die sich an Potsdams Stadtgrenzen befinden und von dort über das Handy die „112“ anrufen würden, mitunter bei den Notrufzentralen der benachbarten Kommunen landen könnten. „Das kann durchaus vorkommen“, so Brunzlow.

In diesem Fall sei man jedenfalls von den Berliner Kollegen gegen 16.58 Uhr alarmiert worden. Doch bei der Übermittlung sei offenbar in Berlin eine falsche Adresse aufgenommen worden, weswegen der Potsdamer Rettungswagen zunächst an eine andere Ecke des Sacrower Sees steuerte. Mit Anrufen bei den Zeugen vor Ort sei später die richtige Stelle gefunden worden. Um 17.29 Uhr soll laut Stadtverwaltung der Wagen am Sacrower See gewesen sein – dann folgte noch der Marsch durch das Grün zur wilden Badestelle. Zwischendurch habe man durch Anrufe sich auch über den Gesundheitszustand des Patienten informieren lassen, betonte der Rathaussprecher. Der fast ertrunkene Sacrower wurde nach PNN-Informationen für eine Nacht im Krankenhaus beobachtet und am nächsten Morgen entlassen.

Die lange Rettungszeit sei für Potsdamer Verhältnisse ungewöhnlich, machte Brunzlow deutlich. Danach seien die Rettungskräfte noch einmal sensibiliert worden, im Fall eines Notrufs, sich bei Adressfragen auch rückzuversichern. Die Berliner Feuerwehr prüft derzeit den Fall, wie ein Sprecher gegenüber den PNN deutlich machte.

Die Rettungszeiten in der Mark sind gesetzlich verankert: Das brandenburgische Rettungsdienstgesetz schreibt vor, dass jeder Einsatzort an einer öffentlichen Straße innerhalb von 15 Minuten erreicht werden muss – zumindest in 95 Prozent aller Fälle. Diese Frist werde in den allermeisten Fällen eingehalten, machte Brunzlow deutlich. Die durchschnittliche Zeitspanne zwischen Notfallmeldung und Eintreffzeitpunkt vor Ort habe in Potsdam im Zeitraum von 2013 bis 2017 bei zehneinhalb und bei der Feuerwehr bei elf Minuten gelegen, davon allein rund acht Minuten für die Anfahrt. Bei Alarmierungen mit den Stichworten Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf oder Atemnot betrug die Zeitspanne bis zum Eintreffen der Rettungskräfte rund acht Minuten und 20 Sekunden.

Im vergangenen Jahr seien in Potsdam rund 17 850 Rettungsdiensteinsätze gefahren worden, von denen laut dem Rathaus in 95,28 Prozent aller Fälle die sogenannte Eintreffzeit der Rettungskräfte unter 15 Minuten lag. Zumindest statistisch dürfte Potsdam künftig besser dastehen.

Mit der im Land geplanten Novellierung des Brandenburgischen Rettungsdienstgesetzes soll die Hilfsfrist zwar weiterhin 15 Minuten betragen – aber ohne das Gespräch zur Notfallaufnahme. Dann würde die Feuerwehr den gesetzlichen Auftrag im Rettungsdienstbereich der Stadt sogar in 98 Prozent aller Einsätze erfüllen, betonte Brunzlow. Zudem hatte die Feuerwehr im Februar auf AfD-Anfrage angekündigt, dass eine Ampelvorrangschaltung für Einsatzwagen des Rettungsdienstes getestet werden solle.

HINTERGRUND

Zwei aktuelle Initiativen zur Rettung in Notlagen werden derzeit im Stadtparlament behandelt. Laut der Linke-Fraktion sollen 1000 sogenannte Notfalldosen an etwa einkommensschwache Senioren ausgegeben werden – wie dies in Landkreisen wie Teltow-Fläming und Oder-Spree bereits praktiziert werde. Diese Dosen sind für wichtige Patienteninformationen gedacht. Eine weitere Initiative, gerade im Kampf gegen Herzattacken, gibt es von der Fraktion Bürgerbündnis/FDP: Demnach soll die Stadt eine Notfall-App anbieten, mit der der nächste verfügbare Defibrillator auf einer Karte angezeigt und ein Notruf abgesetzt werden kann. Zudem soll die Zahl der Defibrillatoren in Potsdam, gerade in den Ortsteilen, vergrößert werden. Über beide Initiativen müssen noch die Fachausschüsse und schließlich das Gesamtplenum entscheiden.

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