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Manche Leitungen sind veraltet.

© dpa

Ausgewechselte Wasserleitungen: Potsdamer Haushalte müssen tausende Euro für giftfreies Trinkwasser zahlen

Potsdam bürdet Hausbesitzern die Kosten für Austausch von Bleirohren auf. Laut Experten ist das rechtens.

Es ist eine saftige Rechnung, die die Stadt Dutzenden Potsdamer Haushalten stellt. Mehrere Tausend Euro sollen sie zahlen, weil bei ihnen die Wasserleitungen ausgewechselt werden. Sie sind aus giftigem Blei und könnten Gesundheitsschäden verursachen. Doch nicht alle wollen die Kosten widerstandslos zahlen.

Eine Rechnung über 3305, 54 Euro hat etwa ein Ehepaar auf der Halbinsel Hermannswerder erhalten – und Widerspruch dagegen eingelegt. Die Kosten für den Umtausch der schon vor Jahrzehnten verbauten Leitung müsse die Kommune tragen, so die Argumentation. Und schließlich obliege der Stadt die Versorgung mit Trinkwasser – das schädlich sein kann, wenn es durch Bleirohre fließt. Zuletzt hatte wie berichtet auch eine Babelsberger Familie, die ebenfalls für neue bleifreie Rohre zahlen soll, mit einem Gang vor Gericht gedroht. Die Stadt berufe sich auf eine rechtswidrige und erst 2013 erlassene Satzung, wenn sie Eigentümern die Zahlungen für den Rohrwechsel aufbürde, so die Betroffenen. Seit 2013 gelten neue, strengere Grenzwerte für Blei im Trinkwasser. Das Ehepaar aus Hermannswerder jedenfalls erklärt: „Jetzt die letzten noch betroffenen Bürger für den notwendigen Austausch der Bleileitungen zur Kasse zu bitten, halten wir für nicht gerechtfertigt.“

Dagegen argumentiert die Stadt, man erhebe zwar Gebühren für das Trinkwasser, die Aufwendungen für einen ordnungsgemäßen Grundstücksanschluss seien darin aber nicht enthalten. Dies werde auch nicht erst seit 2013, sondern schon seit 1997 so gehandhabt, betont die Verwaltung. Die festgestellten Mängel stellten eine Gefahr für die Gesundheit dar, heißt es in der Entgegnung auf den Widerspruch aus Hermannswerder. Und: Der Grundstückseigentümer müsse den Umtausch der Rohre – auch zwangsweise – zulassen, so die Stadt. Andernfalls drohe eine Verfügung gegen die Eigentümer.

Für ein anderes Vorgehen müsste die Stadt die Satzung ändern

Experten halten die Klagechancen für gering. So sagte der Potsdamer Chef des Landesverbands von Haus und Grund, Lars Eichert, auf PNN-Anfrage: „Leider sind die Gesetze und auch die Rechtsprechung öfter sehr zum Nachteil der Eigentümer.“ Der Satzung nach hat der Eigentümer „für die ordnungsgemäße Errichtung, Erweiterung, Änderung und Unterhaltung der privaten Hausinstallationsanlage hinter dem Grundstücksanschluss, mit Ausnahme der Wasserzählanlage, zu sorgen.“ Ausschlaggebend für die Kostentragung ist damit laut Eichert nicht, ob die Bleirohre vor oder hinter der Wasseruhr liegen, sondern ob sie vor oder hinter dem Grundstücksanschluss liegen. „Diese Regelung ist durchaus üblich und wird bundesweit von den Kommunen in Satzungen verwendet.“ Ergo müsste das Ehepaar die Kosten tragen. Für ein anderes Vorgehen müsste die Stadt die Satzung ändern, sagte Eichert, der ehrenamtlich auch für die CDU im Stadtparlament sitzt.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die satzungsrechtlichen Regelungen in Potsdam seien auch nach dem brandenburgischen Kommunalabgabengesetz rechtmäßig, sagte ein BDEW-Sprecher. Zudem „sind die Behörden verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Bleigehalt im Trinkwasser soweit wie möglich reduziert wird – der Grenzwert darf auf keinen Fall überschritten werden“, so der BDEW-Sprecher.

Überhöhte Bleiwerte bei Kindern

Das Thema Trinkwasserbelastung mit Blei bewegt Potsdam seit Juni. Damals hatte besagte Babelsberger Familie ihren Fall öffentlich gemacht. Diese hatte nach eigenen Angaben nicht gewusst, dass der Wasseranschluss ihres 2003 erworbenen Hauses aus den 1930er-Jahren noch aus Blei war. Später kam heraus, dass die beiden minderjährigen Kinder überhöhte Bleiwerte im Blut haben. Dabei kann das giftige Schwermetall laut Bundesgesundheitsministerium bei Kindern zu Entwicklungsstörungen im Gehirn führen. Erst vergangenes Jahr hätte die Stadt die Familie über das Problem offiziell informiert – dabei gelten schon seit Ende 2013 verschärfte neue Grenzwerte für Blei. Die für das Trinkwasser zuständigen Stadtwerke hatten gleichfalls betont, ihrer Informationspflicht durch Serienbriefe und Veröffentlichungen nachgekommen zu sein.

Die Familie wiederum hat inzwischen einen Anwalt eingeschaltet – und unter anderem auch Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt, weil das Potsdamer Gesundheitsamt in seiner Überwachungsrolle versagt habe. Allerdings hatte die Potsdamer Staatsanwaltschaft keinen Anfangsverdacht für eine Straftat erkennen können. Inzwischen hat sich die Familie unter anderem beim Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg und beim Petitionsausschuss des Landtages beschwert.

Insgesamt bestanden Mitte des Jahres in ganz Potsdam noch 280 alte Hausanschlussleitungen aus Blei, die nach und nach ausgewechselt werden. Ein Anschluss kostet um die 2500 Euro.

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