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Die Peter und Paul Kirche am Bassinplatz in Potsdam.

© Andreas Klaer

AfD im Pfarrgemeinderat St.-Peter-und-Paul: Potsdamer Propst strebt Neuwahlen an

Der Propst der Pfarrgemeinde Sankt-Peter-und-Paul in Potsdam hat um die Auflösung des Pfarrgemeinderats gebeten, weil ein Mitglied der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative dort Mitglied ist. 

Potsdam - Kein Platz für Rechtspopulisten: Nach der umstrittenen Wahl eines führenden Mitglieds der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) in den Pfarrgemeinderat der katholischen Potsdamer Kirchengemeinde Sankt-Peter-und-Paul zieht Propst Arnd Franke die Notbremse und will das Gremium wieder auflösen. Darüber habe er am Wochenende bereits in Gottesdiensten informiert, sagte Franke am Montag den PNN.

Er habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, so Franke. In seiner Erklärung heißt es, seit einigen Wochen nehme er in der insgesamt 7000 Mitglieder starken Gemeinde eine Atmosphäre wahr, die „zunehmend von Anfeindungen, Verdächtigungen, unausgesprochenen und ausgesprochenen Ängsten, Sorgen und gegenseitigem Misstrauen geprägt ist“. Die Situation sei entstanden, weil grundlegende Informationen zu den Kandidaten – etwa das berufliche Umfeld oder Ehrenämter – „nicht bekannt waren“. 

JA gilt als Verdachtsfall

Wie berichtet war in die ehrenamtliche Gemeindevertretung im vergangenen November auch Hans-Cornelius Weber gewählt worden, der damalige Schatzmeister der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) Brandenburg und zugleich Potsdamer JA-Kreischef. Die JA gilt als radikaler als die AfD, der Verfassungsschutz führt sie als Verdachtsfall für Rechtsextremismus. Seit Anfang des Jahres hat Weber allerdings in der AfD kein Amt mehr inne. Auf Anfrage sagte er, angesichts seines Engagements in der Kirche – auch als Organist – und seinen Verpflichtungen als junger Vater fehle ihm für weitere ehrenamtliche Aufgaben leider die Zeit.

Franke geht angesichts der fehlenden Informationen über Webers damalige Ämter, die bei dessen Wahl hätten vorliegen müssen, mit sich ins Gericht: „Dies war ein Fehler, den ich zu verantworten habe. Dafür bitte ich die Pfarrgemeinde um Verzeihung.“ Er als Pfarrer trage aber auch die Verantwortung dafür, dass die Gemeinde „nicht in verschiedene Teile zerfällt, die sich nicht für ein Miteinander aller einsetzen“, so Franke. Ferner trage er auch gegenüber der Stadt und dem Land Brandenburg eine Verantwortung „mit allen Menschen, besonders aber mit Menschen guten Willens, in den Dialog zu treten und im Dialog zu bleiben“.

Wahl soll mehr Transparenz bringen

Nach langem Überlegen habe er sich daher entschieden, Erzbischof Heiner Koch zu bitten, den Pfarrgemeinderat aufzulösen. Das Gremium sei bereits am vergangenen Freitag informiert worden. Er habe nun die Hoffnung, dass sich bei der Neuwahl des Gremiums die Kandidaten „umfassender vorstellen können“ – für eine „größere Transparenz und Klarheit in der Wahlentscheidung zum Wohl der Gemeinde“, so Franke. Den PNN sagte er, im Gottesdienst habe es spontanen Beifall für die Entscheidung gegeben. Es seien aber auch kritische Stimmen laut geworden. Wie berichtet stehen in der Peter-und-Paul-Kirche wichtige Jubiläen an, die auch der Gemeinderat vorbereiten muss. So soll dieses Jahr das 150. Jubiläum der Kirchweihe gefeiert werden.

Nun muss Landesbischof Koch entscheiden. Ein Sprecher des Erzbistums sagte auf Anfrage, der Bischof „ist und war über die Absicht von Pfarrer Franke informiert“. Vor der Entscheidung wolle sich Koch „ein umfassendes Bild machen und auch mit dem Pfarrgemeinderat sprechen“, so der Sprecher. In der Satzung der Landeskirche heißt es: „Ist nach Meinung der Mehrheit des Pfarrgemeinderates oder des Pfarrers eine gedeihliche Zusammenarbeit im Pfarrgemeinderat nicht mehr gegeben, kann der Erzbischof angerufen werden. Gelingt es nicht, eine Einigung herbeizuführen, verfügt der Erzbischof die erforderlichen Maßnahmen. Er kann Neuwahlen anordnen.“

Zunächst sollte der AfD-Mann bleiben

Noch im Februar sah die Lage anders aus. Damals hatte der zwölfköpfige Gemeinderat selbst entschieden, dass der AfD-Mann bleiben kann. „Einigkeit bestand darüber, dass das Gebot der Nächstenliebe fordere, offen und ohne Vorurteile aufeinander zuzugehen. Das bedeutet insbesondere, dass allein die Zugehörigkeit eines Pfarrgemeinderatsmitglieds zu einer bestimmten Partei einer vertrauensvollen, konstruktiven Zusammenarbeit nicht entgegensteht“, hieß es in einer Mitteilung des Gemeinderats zu der Entscheidung. Die jetzige Pfarrgemeinderatsvorsitzende Marie-Louise Degener wollte auf Anfrage wegen des laufenden Verfahrens keine Stellungnahme abgeben. 

JA-Mann Weber selbst sagte, der Antrag auf Auflösung sei für ihn überraschend. Er habe die Zusammenarbeit in dem Gremium als konstruktiv und freundlich erlebt. „Auch weiterhin sollten wir wertschätzend aufeinander zugehen und keine Gräben aufreißen.“ Nach der Wahl hatte er gesagt, seine Tätigkeit für die JA habe er nicht angegeben, weil derart detaillierte Angaben auch nicht verlangt worden seien. Ferner habe er geglaubt, dass der gemeinsame Glauben mehr wiege als weltliche Differenzen. 

Nächstenliebe steht im Widerspruch zum Populismus

Gleichwohl hatte die Wahl in der Gemeinde für Unruhe gesorgt und zu Einsprüchen geführt – auch mit Blick auf Aussagen des damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, der eine klare Haltung gegen Rechtsnationalismus in der Kirche fordert: „Unsere Wertschätzung von Tradition und Heimat droht durch rechtsnationale Akteure missbraucht zu werden.“ Auch die Deutsche Bischofskonferenz hat in einer Arbeitshilfe „zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen“ gewarnt, dass das Christentum nicht für solche Zwecke vereinnahmt werden dürfe. Gebote wie Nächstenliebe oder die Gleichheit aller Menschen vor Gott stünden im Widerspruch zum Populismus.

Auch überregional dürfte das Thema für Aufmerksamkeit sorgen. Die auch bei Rechtspopulisten beliebte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ widmete dem Fall bereits einen langen Beitrag. Der Titel: „Andersdenkende sind unerwünscht.“ Einer der Kandidaten, der bei der Wahl zum Pfarrgemeinderat nicht genügend Stimmen erhielt, ist Journalist der vielfach als zu rechtsoffen kritisierten Zeitung. 

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