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80 Prozent der Straßen in Potsdam sanierungsbedürftig: Rathaus will marodes Straßennetz sanieren

Stadtkämmerer Burkhard Exner (SPD) stellt eine langfristige Strategie für künftige Haushalte der Landeshauptstadt vor. Darin bekennt sich das Rathaus zu mehr Investitionen in den Straßenbau.

Als Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) vor zwei Jahren das neue Leitbild für die Stadt Potsdam vorstellte, waren die Reaktionen auf diese 23 Thesen verhalten: Zu viele Allgemeinplätze seien in dem Papier enthalten, zu theoretisch sei das Ganze geworden. Nun haben die Rathausverwaltung mit der Kommunalpolitik und den städtischen Unternehmen die damaligen Forderungen weiter konkretisiert und neun gesamtstädtische Ziele formuliert, die für den kommenden Doppelhaushalt 2020/2021 verbindlich berücksichtigt werden sollen.

Die neun Punkte stellten Kämmerer Burkhard Exner und Kommunikationschef Dieter Jetschmanegg (beide SPD) am Mittwoch vor Journalisten vor. „Diese Ziele bilden die Leitplanken für unseren städtischen Haushalt“, sagte Exner.

Dabei sind die Formulierungen unterschiedlich substanziell. So bekennt sich die Stadt zu einer „bedarfsorientierten und zukunftsfähigen Bildungsinfrastruktur“, in der „noch bestehende Benachteiligungen zielgerichtet abgebaut“ würden. Zudem müsse die Kita- und Schulentwicklungsplanung in Potsdam endlich „integriert“ passieren – also abgestimmt aufeinander. Dann wieder folgt unter dem Punkt Bildung eine hochtrabend formulierte Binsenweisheit: „Die Angebote in der Stadt ermöglichen lebensbegleitende Entwicklungsprozesse.“

Beim Thema Verkehr wird klargestellt: „Die umweltgerechten Verkehrsmittel“ – also Bus-, Tram-, Rad- und Fußgängerverkehr – „werden vorrangig als attraktive Alternative zum motorisierten Individualverkehr weiter ausgebaut.“ Zudem wolle man durch eine planvolle Stadtentwicklung den Alltagsverkehr auf den Straßen verringern. Angesichts des Sanierungsstaus auf den Fahrbahnen heißt es weiter: „Verkehrswege werden so instand gehalten, dass sie dauerhaft, sicher und barrierefrei nutzbar sind“ (siehe Kasten).

Exner sagt, solche Ziele habe man mit den Fraktionschefs im Konsens formuliert – nur die AfD habe sich nicht beteiligt, so Jetschmanegg. Daher wolle man das Planwerk am besten schon in der Stadtverordnetenversammlung am 5. September beschließen lassen. Die Zielstellungen sollen dann die nächsten fünf Jahre zur Leitschnur werden: Daran müsse sich Potsdam messen lassen.

Potsdam soll Stadt „mit hoher Lebensqualität“ bleiben

In den Verhandlungen mit der Politik sei ein Ziel extra formuliert worden, sagte Exner: Ein Bekenntnis, dass die Stadt all ihre kommunalen Instrumente einsetzen soll, um durch den Erhalt und Neubau von bezahlbaren Wohnungen den steigenden Mieten entgegenzuwirken. Beim Land wolle man sich für mehr Wohnungsbauförderung einsetzen. Ähnlich klingt es nun zum Thema Wachstum: Dort wird als Ziel ausgegeben, dass Potsdam – auch im Bundesvergleich – eine Stadt „mit hoher Lebensqualität“ bleibt, an der alle Potsdamer teilhaben könnten. Dabei solle die Infrastruktur „nachhaltig in Balance von Ökologie, Sozialverträglichkeit, wirtschaftlicher Entwicklung und der Einzigartigkeit Potsdams“ wachsen, heißt es in den Zielen weiter.

Indes ist vom Klimaschutz keine Rede, das Wort taucht in den Zielen nicht auf. Jetschmanegg sagte, dieses Thema werde mit dem Verweis auf die Ökologie und den umweltverträglichen Verkehr behandelt. Auch das gültige Klimaschutzkonzept der Stadt werde weiter umgesetzt, versicherte Jetschmanegg.

Gefordert wird in den Zielen auch, dass Potsdam und seine Unternehmen für das Wachstum der Stadt „aktiv Flächen entwickelt“, also notfalls auch ankauft – nachdem jahrelang viele kommunale Grundstücke verkauft worden. Diesen Punkt hätte man vor zehn Jahren „vielleicht“ so nicht in diese Agenda übernommen, räumte Exner ein – der aber auch die bisherige Politik verteidigte und sagte, dass weniger Verkäufe von städtischen Grundstücken auch nicht bei den aktuellen Flächenproblemen geholfen hätten.

Fahrplan für Digitalisierungs- und Wirtschaftspolitik

Weitere Punkte betreffen die Finanz-, die Digitalisierungs- und die Wirtschaftspolitik. So will man im Haushalt kontinuierlich „ausreichend Eigenmittel“ erwirtschaften, um jederzeit investieren zu können und die Neuverschuldung zu begrenzen. Zu den Zielen gehört ferner der Ausbau der IT-Infrastruktur, aber auch von neuen Wissenschaftsstandorten in Potsdam. Ebenso bekennt man sich zu den großen kommunalen Unternehmen der Stadt, die dem Gemeinwohl verpflichtet sein und explizit „attraktive Arbeitgeber“ sein sollen. Im laufenden Oberbürgermeisterwahlkampf hatte vor allem Lutz Boede (Die Andere) mehrfach die Arbeitsbedingungen im Klinikum „Ernst von Bergmann“ kritisiert.

Auch zur mehrfach – gerade von der linken Opposition im Stadthaus – kritisierten Bürgerbeteiligung in Potsdam gibt es ein Bekenntnis: Man wolle die aktive Beteiligung von Potsdamern an Entscheidungsprozessen in der Stadt fördern. Auch der Bürgerhaushalt soll weiterentwickelt werden, heißt es in den Zielen – ohne freilich konkreter zu werden.

Für den Leitbild-Prozess hatte die Stadt bereits 2016 rund 300 000 Euro ausgegeben, danach wurden noch Beratungsleistungen für mehr als 100 000 Euro vergeben. Die konkreten Ziele jetzt wurden verwaltungsintern erstellt.

Hintergrund: 80 Prozent der Straßen in Potsdam sind sanierungsbedürftig

Zu den neuen gesamtstädtischen Zielen gehört auch der Kampf gegen Schlaglöcher. Denn die Stadt Potsdam kann den Sanierungsstau bei ihren Straßen seit Jahren nicht nennenswert abbauen. Immer noch seien „bis zu 80 Prozent der Verkehrsflächen nennenswert sanierungsbedürftig“, teilte der zuständige Rathaus-Fachbereich Grün- und Verkehrsflächen jetzt auf Anfrage des AfD-Oberbürgermeisterkandidaten und Stadtverordneten Dennis Hohloch mit. Die gleiche Zahl hatte die Stadtverwaltung auch in den vergangenen Jahren jeweils auf AfD-Anfrage genannt (PNN berichteten). Dabei nimmt die Stadt durchaus Geld in die Hand – aber eben nicht genügend. Seit 2010 wurden insgesamt rund 28 Millionen Euro für die Unterhaltung der Potsdamer Straßen, Wege und Plätze eingesetzt. In diesem Jahr sind es allein 3,2 Millionen Euro. Allerdings hatte die Verwaltung im vergangenen Jahr noch 4,1 Millionen Euro ausgegeben, 2016 waren es 3,9 Millionen Euro. Seitdem seien unter anderem die Fahrbahndecke der Langen Brücke oder Teilabschnitte der Heinrich-Mann-Allee und der Alleestraße saniert und erneuert worden, hieß es. Doch das alles reicht nicht. Anfang des Jahres hatte Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) erklärt, erst 2022 sei mit knapp 5,7 Millionen Euro pro Jahr ein Niveau geplant, um Straßen, Wege und Plätze zumindest dauerhaft zu erhalten. 

Und eigentlich seien zehn Millionen Euro zusätzlich pro Jahr nötig, um dringende weitere Baumaßnahmen zu stemmen, so Rubelt damals: „Wir müssen noch stärker das Wachstum der Stadt mit Investitionen begleiten.“ Insgesamt geht es laut Rathaus um 630 Kilometer Straßenlänge in ganz Potsdam. Den Sanierungsrückstau hatte Rubelt damals mit knapp 60 Millionen Euro angegeben. 

Das Straßenamt teilte dazu nun mit, bei vielen betroffenen Straßen bestehe die Notwendigkeit eines Vollausbaus: „Hier wären investive Mittel aufzuwenden.“ Über den gesamten Sanierungsbedarf sollen die Stadtverordneten im September informiert werden. Zu der Frage, ob mit den neuen Zielen nun auch die Mittel für den Straßenbau erhöht werden, reagierte Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) zurückhaltend: Die neu formulierten Ziele könnten freilich nicht mehr Geld produzieren – es müsse also weiter austariert werden, in welche Bereiche die Mittel fließen. AfD-Mann Hohloch forderte indes, die Politik in Potsdam dürfe Autofahrer „nicht mehr als Teufel“ ansehen.

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