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Immer wieder. Harry Kuhnt würde seine Frau Inge auch noch mal heiraten.

© privat

70 Jahre verheiratet: Ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl

Das Ehepaar Harry und Inge Kuhnt aus Potsdam feiert seine Gnadenhochzeit.

Potsdam - Kennen und lieben gelernt hat Harry seine Inge im Chor. „Laut Aussage meiner Frau hat ihr meine Stimme gefallen.“ Das war 1942, und beide damals 16 Jahre alt. Harry sang Tenor, Inge Sopran. Und sie spielte Akkordeon. „Einmal habe ich ihr das Akkordeon nach Hause getragen“, erzählt Harry den Beginn ihrer sich zaghaft entwickelnden Beziehung.

Die beiden heute 91-Jährigen kommen aus einfachen Verhältnissen. Die gebürtige Babelsbergerin Inge ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen, ihr Mann ist aus Schlesien und für seine Lehre in Berlin nach Babelsberg gezogen. Kurz nachdem sich die beiden kennenlernen, müssen sie sich auch schon wieder trennen. 1943 wird Harry als Soldat eingezogen. Er wird mit seiner Einheit in Frankreich und Belgien eingesetzt und gerät dort im September 1944 in die Kriegsgefangenschaft der Amerikaner. Zunächst wird er nach England verfrachtet, dann in die USA. „In Texas habe ich Baumwolle gepflückt und in Tennessee Tarnnetze geknüpft.“ Genau am Tag des Kriegsendes, am 8. Mai 1945, wird Harry 19 Jahre alt. In einem großen Kino in den USA sieht er Filme vom Internationalen Roten Kreuz und anderen Organisationen und wie die Alliierten die Konzentrationslager befreien.

1946 ist Harry wieder zu Hause und verlobt sich im Mai 1947 mit Inge. Für die Hochzeit am 18. Oktober 1947 muss er sich Jackett, Hose, Zylinder und Fliege ausleihen. Inge bekommt ihr Brautkleid von der Pfarrerfrau geborgt. Im Babelsberger Rathaus und der Friedrichskirche geben sie sich im kleinen Kreis das Ja-Wort.

Die Hochzeitsreise ist eine Fahrradtour. 850 Kilometer bis nach Thüringen. Reisen soll ihre gemeinsame Passion bleiben. Am liebsten, ohne etwas vorher zu buchen, auf Eigeninitiative, wie Harry erzählt. „Wir sind mit dem Auto durch Tschechien, die Slowakei, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und sogar bis auf die Krim gefahren.“ Vor allem in die Gebirge zieht es sie. Als das Ehepaar 1963 einen Trabi bekommt, fahren sie in den großen Ferien in die Hohe Tatra. „Ich glaube, es gibt dort keinen Berg, den wir nicht genommen haben.“ Das Wichtigste am Reisen war den Kuhnts immer der Kontakt zu anderen Menschen und anderen Kulturen. Von der Gastlichkeit, Freundschaft und Aufgeschlossenheit, die sie auf ihren Reisen kennenlernen durften, hätten sie viel gelernt, sagt Harry.

Ihr Sohn Rainer wird 1951 geboren. Im Jahr 1963 zieht die kleine Familie in die Waldstadt, wo das Ehepaar bis heute lebt. Beide arbeiten über 40 Jahre in Potsdam als Lehrer. Inge unterrichtet bis zur achten Klasse. Harry lehrt nach seinem Ingenieurstudium an der Berufsschule, später bis zur Wende an der Polytechnischen Oberschule 17 in Babelsberg.

Zwischen den beiden, sagt Harry Kuhnt, gäbe es keinen Streit und keinen Zank. „Und wenn es doch mal geknirscht hat, dann haben wir geredet.“ Die Harmonie zwischen den beiden habe einfach immer gestimmt, da sie den gleichen Beruf und die gleichen Interessen hatten. „Unsere Ehe ist ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Wenn ich noch mal von vorne anfangen müsste, würde ich die Ehe sofort wieder eingehen.“ Sarah Stoffers

Sarah Stoffers

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