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Prototyp mit Top-Ausstattung. Richard Wandel und sein Refugium am Waldrand.

© Erik Wenk

Wohnwagen-Manufaktur in Bad Belzig: Wohnen auf Achse

Die Bauwagen-Manufaktur "Wandelwagen" aus Bad Belzig fertigt Eigenheime auf vier Rädern an – und folgt damit einem US-amerikanischen Trend. Doch so romantisch die Vorstellung vom Wohnen im Bauwagen sein mag, es bringt einige Probleme mit sich.

Bad Belzig - Wer hat als Kind nicht davon geträumt, in dem blauen Bauwagen aus der TV-Serie „Löwenzahn“ zu wohnen? Richard Wandel lässt solche Träume wahr werden – nicht ganz so verspielt wie Peter Lustigs Behausung, aber dennoch mit allem, was man braucht. Der 56-jährige Tischlermeister aus Bad Belzig fertigt mobile Bauwagen zum Wohnen an – nach individuellen Wünschen seiner Kunden. Auf der Internetseite von „Wandelwagen“ steht ein berechtigter Warnhinweis: „Ich mache darauf aufmerksam, dass nachfolgende Texte und Grafiken Sehnsucht wecken können.“

Wandels eigener Bauwagen steht natürlich im Grünen: Auf dem Gelände des „Ökokombinats“ in Belzig hat er sein grüngelbes Eigenheim geparkt: Am Wald, den Hackklotz vor der Tür, eine Katze hütet die Pforte. Nur der Funkmast im Hintergrund stört ein wenig. Ein Mann mit grünem Pulli und Pferdeschwanz öffnet die Tür, die Brille am Hals ist mit Holzstaub bedeckt. „Komm ruhig rein“, sagt Wandel und weist freundlich ins Innere.

"Wenn die Waschmaschine läuft, wackelt der Wagen"

Dort ist’s gemütlich: Teppich, Sessel, von der Decke hängen indianische Traumfänger. „Meine Bibliothek konnte ich leider nicht mitnehmen“, sagt Wandel etwas wehmütig. „Man muss eben bewusster mit seinem Hab und Gut umgehen.“ Dennoch ist der Bauwagen mit acht Metern Länge und drei Metern Breite größer als klassische Zirkuswagen. Auf gut 20 Quadratmetern befinden sich ein Bett, eine kleine Küche und ein Bad mit Dusche und Trockentoilette. „Wenn die Waschmaschine läuft, wackelt der Wagen“, sagt Wandel. Das Wichtigste steht in der Mitte: ein kleiner Kaminofen. „Ich habe im Wagen überwintert, um einen Klimatest vorzunehmen“, sagt Wandel. Der Wagen hält Kälte aus, die Dämmung ist auf dem neuesten Stand.

Tatsächlich ist der Bauwagen ein Prototyp, Wandelwagen besteht erst seit 2013. Zwei Jahre musste Wandel sich erst mal in rechtliche und technische Grundlagen einarbeiten: Baurecht, Brandschutz, Abwasser, Stromzufuhr, Lüftung. Er hat alles durchdacht: Wer will, bekommt von ihm einen Bauwagen komplett mit Pflanzenkläranlage, Außenterrasse, Regenwasseraufbereitung, Propangas-Heizung und Photovoltaik-Anlage zum Autark-Betrieb. „Hier drinnen sind 60 Meter Kabel verbaut“, so Wandel.

Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet

Zusammen mit allen Extras kostet das schon mal bis zu 50.000 Euro, der reine Bauwagen ohne Ausbau und Technik die Hälfte. Drei Monate braucht Wandel für einen Wagen, wobei er immer nur an einem arbeitet. Es gebe günstigere Anbieter, so Wandel – mittlerweile bieten acht oder zehn deutsche Hersteller Bauwagen zum Wohnen an. Doch er lege Wert auf hochwertige Materialien: „Ich mache zum Beispiel nur ein Zinkdach drauf.“ Das sei teurer, aber besser. Dafür beliefen sich die Nebenkosten mit Heizung nur auf circa 25 Euro pro Monat, so Wandel.

Einen Bauwagen verkauft hat er noch nicht, das Unternehmen ist gerade aus der Startphase heraus. Anfragen kommen aber aus dem gesamten Bundesgebiet: „Ein Waldkindergarten interessierte sich zum Beispiel dafür. Oder Familien, die ihr Haus aufgeben und in eine Wagensiedlung ziehen wollten“, sagt Wandel.

"Das ist mein neuer Beruf!"

Der gebürtige Berliner kommt, wie er sagt, „aus der Gemeinschaftsbewegung“: „Ich habe mich mein Leben lang für alternative Wohnformen engagiert.“ Vor ein paar Jahren hatte ihn ein Freund gefragt, ob er ihm beim Umbau seines Bauwagens helfen könne. „Dabei habe ich gemerkt, was für eine coole Sache es ist, so einen Wagen zu entwickeln und darin zu leben“, sagt Wandel. „Als er fertig war, sagte ich: Das ist mein neuer Beruf!“

Sein Quartier bezog er auf dem Gelände des Ökokombinats: Der Firmenverbund aus zehn Unternehmen hat sich dem ökologischen Holzhandel verschrieben. Das heißt, alles Holz, das vor Ort verarbeitet wird, stammt aus den umliegenden Wäldern, um lange Transportwege zu vermeiden. Auf den Dächern der Werkhallen sind Photovoltaik-Anlagen installiert. „Derzeit produzieren wir mehr Strom, als wir verbrauchen, trotz der schweren Maschinen, mit denen hier gearbeitet wird“, sagt Wandel.

Kostengünstiger und flexibler als ein festes Haus

Für ihn sind Bauwagen nicht nur kostengünstiger, umweltschonender und flexibler als ein festes Haus, wenn man mal umziehen will, sondern vor allem ein Ausdruck von Individualität und Naturverbundenheit: „Der Natur so nah zu sein, das macht den Hauptreiz aus“, sagt Wandel. „Mitzubekommen, wenn es stürmt und regnet, aus der Tür treten und gleich in der Natur sein.“ In der Tat: Wenn man das Fenster öffnet, hört man den Specht klopfen und die Vögel singen.

So romantisch das alles ist – das Leben im Bauwagen bringt auch Probleme mit sich: Zunächst braucht man als Stellplatz ein Grundstück oder eine Wiese, die man besitzen oder pachten muss. Wer fließendes Wasser haben will, kann sich zwar per Gartenschlauch ans öffentliche Netz anschließen, im Winter muss der Schlauch zum Schutz vor Frost jedoch vergraben werden. Dann ist da das Platzproblem: Klobige Möbel und Elektro-Geräte sollte man sich nicht anschaffen, Wandel empfiehlt die Bauwagen auch nur für eine Person zum Wohnen. Paare oder Kleinfamilien bräuchten mindestens zwei. „Es ist eher etwas für Individualisten“, meint Wandel.

Bauwagen-Wohnen liegt voll im Trend

Doch trotz der Hürden: Leben im Bauwagen liegt im Trend. „Seit etwa zwei Jahren schießen immer mehr Firmen wie Pilze aus dem Boden, die solche Wagen anbieten oder umbauen“, sagt Wandel. Hintergrund ist die sogenannte „Tiny House“- oder auch „Small House“-Bewegung aus Amerika: Anstatt überdimensionierter Eigenheime stellen sich Häuslebauer vermehrt lieber ein 50-Quadratmeter-Häuschen in den Garten, in dem der Wohnraum durch Zwischenebenen und ausklappbare Tische und Betten bestmöglich ausgenutzt wird. „Immer mehr Menschen wollen bei diesem ganzen Konsum nicht mehr mitmachen“, sagt Wandel.

Die steigende Zahl von Bauwagen-Herstellern sieht er nicht als Konkurrenz, im Gegenteil: „Auf lange Sicht wäre es mein Anliegen, einen Verband solcher Unternehmen zu bilden, der quasi als Lobby arbeitet und Werbung für diese Idee macht.“ Vielleicht erfüllt sich dann auch ein weiterer Traum von Wandel: „Ich plane für die Zukunft eine Wagensiedlung aus 15 bis 20 Wägen – das hätte ein ganz andere Dimension.“

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