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Potsdam-Mittelmark: Wie sich die Stimmung drehte

Zum Jahresende schließt das Büro der Mega AG in Werder / Trotz Pleite zieht man eine Erfolgsbilanz

Werder (Havel) - Es ist ein Giga-Projekt aus den Wendejahren: Am Nordrand von Werder soll auf einem Konversionsareal ein Wohn- und Gewerbegebiet von 1,4 Quadratkilometer Größe entstehen. 2500 Menschen sollen in den Havelauen einziehen. Kitas, Schulen, Geschäfte, Freizeiteinrichtungen, Arbeitgeber – alles soll vor Ort zu finden sein. Die Zeit ist von neuen Hoffnungen geprägt, die Zukunft strahlt in schillernden Farben. Doch nach ein paar Jahren gehen erstmal die Lichter aus.

Fünf große Berliner Bauträger hatten sich 1991 zur „Mega Entwicklungs- und Gewerbeansiedlungs-AG“ zusammengeschlossen, um das Vorhaben auf dem einst von der Sowjetarmee übernommenen Wehrmachtsareal zu schultern. Zugleich nahm die Mega den Bau der neuen Stadtmitte von Berlin-Hellersdorf in Angriff. Nach elf Jahren Geldausgeben ging der Firma – vor allem wegen der Havelauen – die Puste aus. Zum Jahresende nun wird das Mega-Büro in Werder schließen, in einem Jahr wird es die Firma wohl nicht mehr geben. Man gehe erhobenen Hauptes, sagt Büroleiter Steffen Lehmann. „Wir geben ein Beispiel dafür ab, wie man ein Großprojekt trotz Insolvenz erfolgreich zu Ende bringt.“ Lehmann weiß, wovon er spricht: Er war von Anfang an an Bord.

Der Abriss des Braunkohlekraftwerks, ein Architektenwettbewerb, die Altlastensanierung, die Renaturierung des Ufers, die Erschließung von Wohn- und Gewerbeflächen und der Bau der Havelauenhalle: Bis zur Jahrtausendwende hat die Mega satte 30 Millionen Euro in Werder investiert. Zum Bauabschluss eines gigantischen Stichhafens wird 1997 sogar der damalige Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) per Helikopter eingeflogen, mit dem Hafen-Aushub wird das Geländeniveau des Baugebiets am Zernsee um einen Meter erhöht. Nach der Vermarktung eines kleinen Reihenhausviertels stagnieren jedoch die Verkäufe. Zuletzt erschließt die Mega 1998 ein kleines Wohnbauareal, vom Platzen der Dotcom-Blase bleibt Werder nicht verschont.

„Wir hatten damals noch 100 Hektar Grundstücksflächen zu verkaufen“, so Lehmann. Auch wenn keine müde Mark mehr da war: Die Gläubiger-Banken und der Berliner Insolvenzverwalter Christoph Schulte-Kaubrügger halten alle Optionen offen. „Man spürte, dass das Projekt erfolgreich zu Ende gebracht werden sollte“, erinnert sich Lehmann. Es war immerhin etwas in Bewegung gesetzt worden in den Jahren zuvor.

Den Startschuss gibt 1992 das Familienunternehmen Miele, das sich unter 40 Standortoptionen für ihr neues Vertriebszentrum für Werder entscheidet. 1994 wird es nach einer Investition von 15 Millionen Euro eröffnet. So kann es aus Werderaner Sicht gern weitergehen, ein paar Wochen später wird ein dreigeschossiges Bürohaus mit 10 000 Quadratmetern Nutzfläche fertig. Ein Immobilienfonds finanziert die zehn Millionen Euro. Dutzende Unternehmen aus der Region hatten Bedarf angemeldet, „das Haus hätte damit dreimal gefüllt werden können“, so Lehmann. Doch anfangs sind die Mega mit den Havelländischen Stadtwerke die einzigen Mieter. Ähnlich läuft der Start des Gewerbegebiets: Das Hermes-Depot wird 1997 in Betrieb genommen und bleibt neben der Gartenbaufirma Mallinger und einer schlecht laufenden Diskothek allein auf weiter Flur.

Erst nach der Insolvenz sorgen dann einige Glücksgriffe wieder für gute Nachrichten. Die Lage zwischen Stadt und Autobahn und das investorenfreundliche Klima im Rathaus tun das Ihre. Wichtigste Ansiedlung aus Lehmanns Sicht: 2003 kommt das traditionsreiche Potsdamer Orgelbauunternehmen Schuke. „Da drehte sich die Stimmung.“

Die APM baut ein Wertstoffzentrum, bald darauf kann eine Marina im Stichhafen eingeweiht werden. So geht es weiter, kein Jahr ohne neue Firmen. Über 30 Unternehmen haben inzwischen ihre Adresse hier, die Hälfte der 26 Hektar Gewerbeflächen sind verkauft. Allein im nächsten Jahr werden sich ein Musterhauspark, der Essener Handelslogistiker Wenco-West, das „Küchenstudio 123“ und die „Gärtner von Eden“ niederlassen.

Auch für den Wohnungsbau bekommt die Mega AG unverhoffte Werbung: Kabel1 baut im Jahr 2006 in wenigen Wochen vor den Augen der Fernsehzuschauer eine Luxusvilla mit Zernsee-Blick in Form einer Windmühle. Mit Partnern aus der Bauwirtschaft geht danach die Erschließung und Vermarktung neuer Wohnbauflächen wieder los. Als sich die Stadt Werder dann noch nach zwei gescheiterten Anläufen entscheidet, am Stichhafen die „Blütentherme“ zu bauen, gibt es kein Halten mehr.

Vier Potsdamer Bauunternehmer – Klaus-Peter Meißner, Bernhard Brennenstuhl, Uwe Brühl und Helmut Frey – übernehmen alle restlichen Flächen inklusive der Verpflichtung zum Bau eines 13 Hektar großen Parks. 600 Wohneinheiten sollen in den nächsten fünf Jahren hinzukommen. Das Baugeschehen ist in diesem Jahr sichtbarer denn je und es gibt Pläne für eine Kita und ein Nahversorgungszentrum. Bürgermeister Werner Große (CDU) resümiert, dass Werder die versprochenen „blühenden Landschaften“ schlussendlich bekommen hat. Wenn es so weiter geht, könnte er Recht behalten.

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