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Der 32-jährige Manuel Möller koordiniert den Einsatz des Brandenburger Wünschewagens.

© Ottmar Winter

Weihnachten in Potsdam: Ein letztes Mal

Manuel Möller fährt seit zwei Jahren im Wünschewagen mit. Dieses Weihnachten wird er einer Potsdamer Familie einen Herzenswunsch erfüllen.

Von Eva Schmid

Vor wenigen Tagen erst kam der Anruf. Eine Potsdamerin meldete sich bei Manuel Möller und bat darum, ihrem Mann, der im Hospiz auf Hermannswerder liegt, einen letzten Wunsch zu erfüllen: Noch einmal Weihnachten mit der Familie verbringen.

Seit zwei Jahren gibt es den Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Brandenburg, mit ihm soll Sterbenskranken ein letzter Wunsch erfüllt werden. Stationiert ist der einem Krankenwagen ähnliche Transporter in Teltow. Seit zwei Jahren rechnet der 32-jährige Koordinator Manuel Möller mit einem Einsatz an Weihnachten. Doch bisher war bei den mehr als 200 Anfragen kein derartiger letzter Wunsch dabei. „Vielleicht denken viele, dass wir an den Feiertagen nicht im Einsatz sind“, überlegt Möller. Und bekräftigt, dass das Gegenteil der Fall ist.

Gerade an Weihnachten, dem Fest der Familie, helfe man gerne, letzte Wünsche zu erfüllen. Vorsorglich hat Möller die 60 Ehrenamtlichen schon früh gefragt, ob sie sich eine Fahrt an Weihnachten generell vorstellen könnten. „Ich muss ja schnell auf die Anfragen reagieren“, bei Menschen, die kurz vor dem Tod stehen, zähle jeder Tag. Drei Helfer haben zugesagt, auch Möller will an Weihnachten helfen. Zusammen mit einer Kollegin wird er am Weihnachtsfeiertag unterwegs sein.

Für diese Fahrt muss alles stimmen

Dass es nicht leicht sein wird, Weihnachten bei einer fremden Familie zu verbringen, das weiß Möller. Zaghaft lächelnd fügt er hinzu: „Die Situation ist oft aber weniger dramatisch als man denkt.“ Meist überwiege große Dankbarkeit gegenüber den Helfern. Möller und sein Team hätten bisher auch immer eine gute Balance gefunden, sich zurückzuziehen und dennoch jederzeit helfen zu können.

Der junge Mann aus Trebbin ist gelernter Pfleger. Bevor er im Oktober dieses Jahres begann, hauptamtlich den Wünschewagen zu koordinieren, hat er an der Charité in Berlin gearbeitet. Über einen Zeitungsartikel ist er auf das Angebot des Arbeiter-Samariter-Bundes aufmerksam geworden.

Gesucht wurden damals Freiwillige aus der Pflege und der Notfallmedizin, erinnert sich Möller. Denn wenn der Wagen, der in Teltow stationiert ist, durchs Land rollt und Sterbenskranke noch einmal dorthin fährt, wo sie gerne hinmöchten, muss für diese Fahrt alles stimmen. „In der Palliativmedizin muss man viele Medikamente verabreichen“, erklärt Möller, daher sei es wichtig, einen Helfer mit medizinischen Kenntnissen mit an Bord zu haben. Der ausgebildete Pfleger indes ist für alles andere zuständig: Er begleitet die Gäste des Wünschewagens auf die Toilette, bringt sie Stufen hoch, kann sie richtig betten. „Wir halten an diesem Tag den Angehörigen den Rücken frei“, sagt Möller und man merkt, dass er stolz auf seine Arbeit ist. Im Unterschied zu seinem Job im Krankenhaus gebe ihm die Arbeit im Wünschewagen viel mehr. Endlich, sagt Möller, habe er Zeit, auf die Menschen einzugehen.

"Die Gäste blühen noch einmal richtig auf"

„Wir wollen den Familien Sicherheit geben“, sagt Möller und man erahnt, wie sehr Familien von diesen letzten gemeinsamen Momenten zehren. Wie sehr man sich fallen lassen kann als Angehöriger, wenn man nicht ganz alleine die Verantwortung tragen muss. Die Fahrten seien deshalb oft unbeschwert. „Die Gäste blühen nochmal richtig auf, und schlafen meist den ganzen Rückweg über.“ Verstorben ist zum Glück noch niemand auf der Fahrt. Aber auch darauf sind Möller und sein Team vorbereitet. Man müsse mit allem rechnen, daher versuche er im Vorfeld, so viel wie möglich vorzubereiten – damit am Tag selbst alles, was in seiner Macht steht, glatt läuft.

Details machen beim Wünschewagen den Unterschied, man kann aus den Fenstern sehen und oben leuchtet ein Sternenhimmel.
Details machen beim Wünschewagen den Unterschied, man kann aus den Fenstern sehen und oben leuchtet ein Sternenhimmel.

© Ottmar Winter

Auch die Wartung des Wagens gehört dazu. Der Wünschewagen steht auf dem Parkplatz der Teltower Feuerwehr. Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) hat als Landesvorsitzender des ASB in Brandenburg den Abstellplatz dort ermöglicht. Von Teltow aus ist der Wagen in den vergangenen zwei Jahren bereits 60 Mal durchs Land gerollt.

Viele der Tagesreisen gingen an die Ostsee, viele zu Familienfeiern. Auch ungewöhnliche Orte waren dabei: ein letzter Besuch auf einem Pferdehof oder der Halt an einer Aussichtsbank im Frankenwald. Dort hatte ein Biker-Paar auf dem Weg nach Italien früher immer Halt gemacht und die Aussicht genossen, erzählt Möller. Eine Kilometerbeschränkung gebe es nicht.

Im Inneren leuchtet ein Sternenhimmel

Auf dem Hof der Teltower Feuerwehr zeigt Möller die Ausstattung des Wünschewagens: Sie sieht auf den ersten Blick genauso aus wie die in jedem Krankenwagen. Möller deutet auf die Fenster: Das verspiegelte Glas würde eine gute Sicht nach außen geben, ohne dass jemand reinschauen könne. In Rettungswagen gebe es keine Fenster. Möller knipst einen Lichtschalter an, blaue LEDs leuchten auf, „unser Sternenhimmel“. Neben der Liege ein Lautsprecher, über den man Musik hören kann. Und etwas versteckt der Kühlschrank – darin steht auch mal eine kleine Flasche Sekt oder ein Bier. Möller zuckt entschuldigend mit den Schultern: Die Medikamente würden sich mit Alkohol nicht gut vertragen, aber hier gehe es um den letzten Wunsch.

„Ich habe aufgehört zu werten“, sagt der Pfleger. Sein Ziel: dem Fahrgast eine angenehme Zeit zu ermöglichen. Mitfahren dürfe man nur, wenn der Arzt vorher sein Einverständnis gegeben hat, erzählt Möller. „Wir reden unter Helfern viel vor und nach den Einsätzen“, denn die Schicksale gingen immer unter die Haut. Bei Bedarf könnten die Helfer auch eine Supervision bekommen, Notfallseelsorger stehen zudem für sie bereit.

Sich zu verabschieden, ist ein intimer Moment

Auf den nächsten Einsatz am ersten Weihnachtsfeiertag hat sich Möller gedanklich seit Tagen vorbereitet. Das sei gut so, auch wenn es ganz anders kommen kann. Auch Möller braucht eine Art von Sicherheit. Er weiß, dass er und seine Kollegin sich in den drei Stunden während des letzten Weihnachtsfests in der Familie so weit wie möglich zurücknehmen müssen. Sich zu verabschieden, das sei ein intimer Moment. Möller kennt ihn mittlerweile gut und weiß, wie wertvoll er den Betroffenen ist.

Informationen zu dem Angebot des Wünschewagens ebenso wie die Möglichkeit zu spenden finden sich unter www.brandenburger-wuenschewagen.de

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