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Potsdam-Mittelmark: Vorgegaukelter Winter

Warum manche Blumen im Kühlhaus lagern und Stiefmütterchen zweimal blühen dürfen

Michendorf - Weggeschmissen werden sie noch nicht, aber ihre Blüten müssen dran glauben. Chefgärtner Holm Wießner vom Rosengut Langerwisch lässt seinen Blick über rund 200 000 gelbe, blaue und lilafarbene Stiefmütterchen schweifen. Alle stehen bereits in voller Blütenpracht. Noch. Denn die Zeit zum Verkauf ist noch nicht reif, die Temperaturen sagen der Blume jedoch was anderes.

Eigentlich wäre Anfang Februar normal, so Wießner. Noch steckt der Winter aber in den Kinderschuhen. Es kann durchaus noch einmal richtig knackig werden. Die Stiefmütterchen würden das ohne Hilfe wohl kaum überleben. Im Rosengut Langerwisch werden sie daher einen Kopf kürzer gemacht und bekommen somit eine zweite Chance. „Letztes Jahr war es genauso“, sagt Wießner. „Jetzt machen wir die Blüten eben wieder ab.“

Was sich brutal anhört, ist notwendig. Denn die Blüten kosten der Pflanze viel Kraft und schlussendlich würde das Stiefmütterchen einfach verfaulen und wäre eine Angelegenheit für den Kompost.

Eigentlich sei der Januar in der Gärtnerei ein ruhiger Monat, so Wießner, die Mitarbeiter könnten Stunden abbummeln. Das gehe jetzt nicht, da die Blüten von Hand abgepflückt werden müssen. Bei rund 400 000 Stiefmütterchen mit mehreren Blüten pro Pflanze ist das eine regelrechte Mammutaufgabe.

Zwei Wochen benötigten die Mitarbeiter, um eine 2000 Quadratmeter große Gewächshalle mit 200 000 Blumen von der bunten Blütenpracht zu befreien. Nachdem sich die Pflanze erholt habe, dauere es nicht lange und die nächsten Blüten sprießen, so Wießner. Dann aber zur richtigen Zeit im Februar. Teurer werde das Stiefmütterchen Wießner zufolge trotz mehr Personaleinsatz dadurch aber nicht.

Die derzeitige Situation sei für die Gärtner zwar nicht optimal, dass die Blumen zu früh sprießen, aber das geringere Übel, sagt Andreas Jende vom Gartenbauverband Berlin-Brandenburg. Die milden Temperaturen seien seiner Ansicht nach nicht normal und weckten beim Käufer bereits ein wenig die Frühlingsgefühle. Als Folge, so Jende, strömten viele in die Gartencenter und wollten sich den Frühling in Form von Frühblühern nach Hause holen. Doch der Winter ist noch nicht vorbei und das mache die Produktions- und Absatzplanung für die Gärtner etwas schwieriger, so Jende.

Ein harter und vor allem langer Winter sei für die Betriebe jedoch noch schlechter zu handhaben. 2013 war so ein Jahr. Bis in den März hinein schlug sich die kälteste Jahreszeit tapfer und sorgte einen Tag um den anderen für frostige Temperaturen. Damals hatten Schnee und Frost den Gärtnereibetrieben das Geschäft vermiest. Kein Mensch wollte bei eisigen Temperaturen Primeln oder Ranunkeln in die Beete pflanzen. Gefrorener Boden machte es ohnehin unmöglich. Auch im Rosengut Langerwisch warteten 2013 rund 560 000 Primeln und Stiefmütterchen darauf, verkauft zu werden. Zusätzlich belastet wurden die Gärtnereien durch die zusätzliche Beheizung der Gewächshäuser.

Richtig los geht das Geschäft für die Gärtnereien zu Ostern. Erst dann könne verlässlich Bilanz gezogen werden, so Jende. Er rät indes allen Kunden, sich der Frühlingsgefühle anzunehmen. Sie täten sich aber keinen Gefallen, wenn sie jetzt zu Frühblühern griffen, denn der Frost schlägt sicher noch einmal zu, so Jende. „Lieber eine Primel für das Wohnzimmer.“

Allen, die bereits Stiefmütterchen in die Balkonkästen oder das heimische Beet gepflanzt haben, sollten zwei Dinge beherzigen, wenn sie noch Freude an ihnen haben wollen. Rosengutchefgärtner Wießner gibt den Tipp, die Blumen abzudecken, sobald es kälter als minus 5 Grad wird. Alternativ können die Stiefmütterchen auch kühl gestellt werden, beispielsweise in den Hausflur. Nur Zimmertemperaturen mögen sie nicht, so Wießner.

Während die Stiefmütterchen stiefmütterlich ihrer Blüten entledigt werden, schlummern andere Frühblüher wie Hyazinthen und Narzissen im Kühlraum, so Wießner. „Denen gaukeln wir den Winter vor.“ Auf die Qualität der Pflanzen habe das keine Auswirkungen, sagt Gartenbauverbandschef Jende. Hobbygärtner können also beruhigt zuschlagen.

Björn Stelley

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