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Der einzige Rübchenbauer. Axel Szilleweit verspricht: Eine einzigartige Mischung aus Süße und Schärfe, Kohlrüben- und Rettichnote und einem bestimmten mehligen Mundgefühl.

© Nestor Bachmann/dpa

Von Ulrike von Leszczynski: Neue Erkenntnisse über die tolle Knolle

Bitterstoffe im Teltower Rübchen können Krebs vorbeugen / Noch wirksamer als Brokkoli

Teltow/Berlin - Teltower Rübchen im Forschungslabor sind ein ungewöhnlicher Anblick. Wohlsortiert stehen die Glaskolben mit Rübchen-Kulturen im Kühlschrank der Technischen Universität Berlin (TU). Schon Dichter Goethe liebte den Geschmack der Rübchen, noch heute wird das Brandenburger Gemüse als Nischenprodukt von Öko- Freunden bis hin zu Feinschmeckern geschätzt. Für TU-Professorin Iryna Smetanska aber gehört die kleine Knolle zu den Hoffnungen in der Lebensmitteltechnologie. Denn Teltower Rübchen haben es in sich: Bitterstoffe, die Krebs vorbeugen können - Darmkrebs vor allem.

Was Iryna Smetanska heute nahe dem Botanischen Garten im Berliner Stadtteil Dahlem erforscht, könnte später vielleicht ein Rübchen-Nahrungsergänzungsmittel werden. Doch das ist noch ferne Zukunftsmusik in Zusammenarbeit mit der Medizin. Noch dienen die Rübchen der Grundlagenforschung. Das bedeutet jahrelange Detektivarbeit in Gewächshaus und Labor.

Auf diesem mühevollen Weg ist Smetanska schon ein Stück vorangekommen. Als die 35-jährige Lebensmitteltechnikerin vor 10 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland kam, hatte sie noch nie von Teltower Rübchen gehört. Beim ersten Anblick erinnerte sie die runzlige Knolle, die früher als Arme-Leute-Speise auf Brandenburgs kargem Sandböden gedieh, an Radieschen. Inzwischen hat sie für die Rübchen im Dienst der Wissenschaft ein neues Zuchtverfahren auf Styroporplatten patentieren lassen. Parallel läuft in Dahlem die Reagenzglasforschung mit Rübchen-Kulturen. Das Projekt ist dem Bundesforschungsministerium bis 2012 rund 2,2 Millionen Euro wert.

Noch ist nicht klar, ob eines der beiden Test-Verfahren für den medizinischen Nutzen geeignet ist. Sicher ist aber schon, dass sich den Forscher-Rübchen zahlreiche der begehrten pflanzlichen Bitterstoffe (Glucosinolate), die sie in der Natur zur Verteidigung gegen Wetterunbilden und Insekten einsetzen, entlocken lassen. Im Kern machen sich die Wissenschaftler die Tricks der Natur zunutze. Ihre Ausbeute – mit speziellen Nährlösungen befördert –ist deutlich größer als bei Rübchen vom Brandenburger Acker.

Am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg hält Clarissa Gerhäuser die Berliner Forschung für einen vielversprechenden Weg. Denn Ernährung zur Vorbeugung gegen Krebs ist weltweit ein großes Thema. Auf dem Deutschen Krebskongress im Februar in Berlin empfahlen Ärzte erneut fünfmal Obst und Gemüse am Tag. Kohlgewächse, zu denen auch die Rübchen gehören, sind wegen ihrer verschiedenen Glucosinolate besonders hoch geschätzt. Brokkoli zur Krebsprävention werde bereits seit 1992 untersucht, berichtet Gerhäuser. „Heute weiß man, dass dieses Gemüse in allen Stadien der Krebsentstehung Wirkung zeigt.“ Brokkoli könne positiven Einfluss haben, ehe Zellen zu Krebszellen mutierten, das Gemüse könne aber auch Entgiftungsprozesse anregen und Entzündungen hemmen.

Teltower Rübchen hätten sogar noch mehr Potenzial als Brokkoli, erläutert Iryna Smetanska. 100 Gramm enthielten 800 Milligramm Glucosinolate – rund 20 Mal mehr als Brokkoli. „Das liegt auch daran, dass Teltower Rübchen nicht für die Massenproduktion hochgezüchtet wurden“, erläutert sie. Klinische Studien empfehlen für die Krebsprävention heute 40 Milligramm Glucosinolate pro Tag.

„Aber kein Mensch will jeden Tag Brokkoli, Rübchen oder Weißkohl essen“, berichtet Smetanska.   Deshalb gibt es die Idee von Nahrungsergänzungsmitteln. Noch wüssten Mediziner jedoch nicht, wie schnell der menschliche Körper Glucosinolate abbaue, berichtet Smetanska. Es bleibt also offen, wie hoch der Nutzen wäre. Sicher sei aber schon, dass ein Teltower- Rübchen-Esser etwas für Darmkrebs-Vorbeugung tue, ergänzt Smetanska.

In Brandenburg bekäme Goethe heute allerdings Probleme mit seiner Rübchen-Leidenschaft. Von einem Anbau in großem Stil könne keine Rede sein, heißt es beim Landesverband Gartenbau. Nur der Teltower Hof von Axel Szilleweit pflege noch die Tradition. Das Rübchen passt wohl schlecht in den heutigen Markt. Es ist klein, verschrumpelt und aufwendig zu putzen. Dafür verspricht Szilleweit auf seiner Internetseite ein Geschmackserlebnis wie für Weinkenner: „Eine einzigartige Mischung aus Süße und Schärfe, Kohlrüben- und Rettichnote und einem bestimmten mehligen Mundgefühl“.

Weitere Infos im Internet unter www.teltower-ruebchen.com

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