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Titan im Einsatz. André Pfeil bringt mit seinem Stahnsdorfer Fahrradunternehmen die speziellen russischen Rahmen auf die Straße.

© Tobias Reichelt/pr

Von Tobias Reichelt: Titan-Räder aus Nischni Nowgorod

Produziert in einer russischen U-Boot-Werft: In Stahnsdorf werden die exklusiven Fahrräder verkauft

Stahnsdorf - Mit Fahrrädern sei das wie mit Anzügen, sagt André Pfeil. Man kann sie für relativ wenig Geld im Einkaufszentrum um die Ecke kaufen – dann kratzt das Sakko vielleicht ein bisschen und die Anzughose ist etwas zu lang, aber die ganze Sache erfüllt seinen Zweck. „Oder ich lasse mir einen Anzug maßschneidern“, sagt Pfeil. Das koste mehr, halte länger und kratze nicht – so wie seine Kocmo-Fahrräder. Auf Wunsch werden die speziellen Titan-Sportgeräte des russisch-deutschen Fahrradherstellers – etliche Tausend Kilometer vom Firmenhauptsitz in Stahnsdorf entfernt – auf dem Gelände einer U-Boot-Werft im russischen Nischni Nowgorod in Handarbeit auf die Körpermaße der Radler zugeschnitten.

Beine zu lang, Arme zu kurz, das war gestern, sagt Pfeil. Seit zehn Jahren gibt es das Kocmo-Fahrradgeschäft am Stahnsdorfer Hof – Kocmo, gesprochen mit weichem C, wie das russische S, erklärt Pfeil. Der Laden in Stahnsdorf ist ein bekannter Treffpunkt für Freizeitradsportler der Region. Oft sammeln sie sich hier an den Wochenenden und präsentieren neben ihre hautengen Hosen und buntschillernden Trikots nicht selten auch ihre silber-glänzenden Titan-Rennmaschinen im Wert von einigen Tausend Euro.

Das Metall, aus dem die Räder gemacht sind, ist leicht und zugleich unheimlich fest, es ist langlebig und korrosionsbeständig, erklärt Pfeil. Das mache es für den Radsport so interessant. „Wir stellen nur Titan-Räder her.“ Allerdings: Aufgrund des komplizierten Herstellungsprozesses ist Titan zehnmal so teuer wie herkömmlicher Stahl. „Wer bei uns ein Rad kauft, bekommt keins von der Stange“, sagt der 30-jährige Kleinmachnower, der die Geschäfte seit einem Jahr führt.

Gegründet wurde das Rad-Unternehmen bereits 1996 vom Kleinmachnower Freizeitradsportler Boris Eichler. Der Werkzeugmacher mit russischen Wurzeln hatte schon vor dem Mauerfall Kontakte zur russischen U-Boot-Werft in Nischni Nowgorod geknüpft, erzählt Pfeil. Eher zufällig hatte Eichler bei einem Radrennen in Russland einige sportliche Werft-Mitarbeiter getroffen, die mit ihren handgefertigten Titan-Rennrädern unterwegs waren. „Die konnten keine Räder kaufen, also haben sie sich selbst welche gebaut“, erzählt Pfeil. So wurde die Idee geboren, aus dem Zufallsprodukt, ein professionelles Geschäft zu machen.

Heute gibt es auf dem Werft-Gelände eine eigene Produktionsstätte für Fahrradrahmen. 25 Mitarbeitern beschäftigt das Unternehmen in Deutschland. Es gibt Läden in Stahnsdorf, Berlin und München. Die Kundschaft reist aus ganz Deutschland an, um sich die Räder auf den Körper schneidern zu lassen. Mindestens 1500 Euro kostet ein Titan-Rahmen, ein komplettes Rad etwa 2500 Euro. „Nach oben ist alles offen“, sagte Pfeil. Im Schnitt zahlten seine Kunden etwa 5000 Euro für ein Fahrrad. Etwa 300 bis 500 Räder verkauft Kocmo im Jahr. Kunden sind vor allem Akademiker, Selbstständige und andere Radsportler mit hohem Einkommen – handgefertigte Titan-Fahrräder sind exklusiv. Zu den bekanntesten Fahrern zählten unter anderem schon Cross-Weltmeister Philipp Walsleben und seine Kollegin Hanka Kupfernagel. Neben Rennrädern produziert Kocmo auch Mountainbikes und Trekkingräder.

Wer einen Blick auf die Titan-Räder werfen will, ist im Stahnsdorfer Fahrradgeschäft gern gesehen. Auch preiswertere Räder anderer Hersteller gibt es hier. „Man kann mit ganz normalen Fahrrädern und Fahrradproblemen zu uns kommen“, sagt Pfeil, einem Platten oder einer abgefahrenen Bremsbacke – davor sind auch Titan-Fahrräder nicht gefeit.

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