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Von Tobias Reichelt: Flugroutenstreit: „Land soll sich warm anziehen“ Kleinmachnow steht mit Flughafen-Klage nicht mehr allein da / Protestler lehnen BBI-Abgabe ab

Kleinmachnow - „Fluglärm ist tödlich“, ruft der Berliner Arzt Detlef Kaleth in den Kleinmachnower Rathaussaal. Ein Raunen bahnt sich durch das lärmbedrohte Publikum.

Kleinmachnow - „Fluglärm ist tödlich“, ruft der Berliner Arzt Detlef Kaleth in den Kleinmachnower Rathaussaal. Ein Raunen bahnt sich durch das lärmbedrohte Publikum. Frauen zucken zusammen, ein Rentnerehepaar greift sich an den Händen. Das Dröhnen der Maschinen über den Dächern der Region werde Kinder vom Lernen ablenken und Schlafende aus den Träumen reißen, warnt der Schmerztherapeut und Orthopäde aus Zehlendorf. Der Blutdruck werde steigen, ebenso das Risiko von Herzinfarkt und Schlaganfall. Studien hätten das bewiesen, sagt Kaleth und fragt: „Muss das sein? Müssen wir uns das gefallen lassen? Geht das nicht anders?“

Die Gemeinde Kleinmachnow hat sich in den vergangenen Monaten zu einem der wichtigsten Protestzentren gegen die Flugroutenplanungen um den Großflughafen in Schönefeld entwickelt. Als erste Gemeinde hat Kleinmachnow Klage gegen das Planfeststellungsverfahren zum Flughafenbau eingelegt, im ganzen Ort prangen Protestplakate, Demos werden organisiert. Am Dienstagabend informierten die Bürgerinitiative und Bürgermeister Michael Grubert (SPD) über den aktuellen Stand im Flugroutenstreit: Kleinmachnow steht in der juristischen Auseinandersetzung nicht mehr alleine da. Weitere Kommunen und Bürger wollen oder haben juristische Mittel eingelegt, so Initiativensprecher Matthias Schubert.

„Das Land soll sich warm anziehen, was die Klagen betrifft“, erklärte Schubert den rund 250 Gästen. Neben den vier bekannten Klagen aus Kleinmachnow, lägen jetzt auch Klagen von Betroffenen aus Stahnsdorf und Potsdam vor. Zudem gebe es zwei Wiederaufnahmeklagen von Anwohnern aus dem Südosten Berlins. Auch Zeuthener haben geklagt, und die Kommunen Blankenfelde-Mahlow, Großbeeren, Schulzendorf und Eichwalde haben es vor. „Wir schätzen unsere Chancen als gut ein“, sagte Schubert. Der Fluglärm, der Kleinmachnow bedrohe, sei erheblich. Die Kommune und ihre Anwohner hätten im Planverfahren berücksichtigt werden müssen. Aber weil die Region Teltow, ebenso wie der Süden Berlins und Potsdam nicht überflogen werden sollten, ließ man sie außen vor. Nach der Klageflut liege der Ball nun im Spielfeld des Gegners, sagte Schubert in Richtung Brandenburgischer Landesregierung. Der jüngste SPD-Vorschlag, die Fluglärmgeplagten mit einer ständigen Abgabe zu entschädigen, stieß auf Ablehnung: „Eine Entschädigung ist absurd.“

Zu groß sei die erwartete Lärmbelastung, machte Gastredner Eric Kearney dem Publikum klar. Der Professor aus Zehlendorf malte das Szenario der Flugroutenentwürfe: Bei Westwind – an zwei von drei Tagen – wird Kleinmachnow von startenden Jets überflogen, bei Ostwind – die übrige Zeit – von landenden Jets.

„Ich habe einen echten Kloß im Hals, schnaufte Klaus Schulze im Publikum. „Wo können wir uns beschweren?“, fragte er. Schon jetzt donnerten Maschinen im Tiefflug über Kleinmachnow. In Zukunft werden es mehr, mahnte Michael Lippoldt: „Wir werden Gefangene des Fluglärms.“ Er rief zur Großdemo am 23. Januar in Schönefeld auf. Auch Mediziner Kaleth wird dort sein. „Der Fluglärm ist überall“, sagte er – und die Kleinmachnowerin Martina Adam stimmte ihm aus dem Publikum zu: „Der Lärm hat auch große Relevanz für die Entstehung von psychischen Erkrankungen.“

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