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Blick auf eine Kiesgrube bei Wildenbruch, in der nach Angaben der Potsdamer Staatsanwaltschaft illegal Gewerbe- und Siedlungsabfälle entsorgt wurden.

© dpa

Von Matthias Matern: Sechs Anklagen im Müllskandal

Auch Bernd R. aus Belzig vor Gericht / Fachgerechte Entsorgung wird 90 Millionen Euro kosten

Von Matthias Matern

Potsdam / Belzig - Gegen die mutmaßlichen Täter der beiden bislang größten Fälle illegaler Müllentsorgung im Land Brandenburg ist Anklage erhoben worden. Insgesamt sechs Personen müssen sich demnächst in zwei getrennten Verfahren vor dem Landgericht Potsdam wegen besonders schwerer Umweltstraftaten verantworten, bestätigte gestern ein Gerichtssprecher. Dabei geht es zusammengerechnet um mindestens 400 000 Kubikmeter Müll, der verbotenerweise in sogenannten Altdeponien und ehemaligen Kiesgruben versenkt worden ist. Auf der Anklagebank Platz nehmen müssen unter anderem auch der Ex-Polizist und Chef einer Entsorgungsfirma aus Borne bei Belzig (Potsdam-Mittelmark), Bernd R., und einer seiner Mitarbeiter.

Wie berichtet, wird den beiden vorgeworfen, mindestens 270 000 Kubikmeter Hausmüll, Gewerbeabfälle und Baumischabfälle in den sechs ausgedienten Deponien Wollin, Zitz, Rogäsen, Altbensdorf, Mörz, und Schlamau sowie in der ehemaligen Kiesgrube bei Schlunkendorf im Kreis Potsdam-Mittelmark illegal entsorgt zu haben. Eigentlich war die Firma von Bernd R. mit deren Renaturierung beauftragt worden. Statt mit geschreddertem Plastikmüll und Metallschrott hätten die Abfallhalden ausschließlich mit unbelastetem Bauschutt und Erde aufgefüllt werden dürfen. Stück für Stück wurden die Straftaten im vergangenen Jahr aufgedeckt.

Im zweiten Fall stehen der 34-jährige Ex-Chef der Sand Quartz und Recycling GmbH aus Jüterbog (Teltow-Fläming), Thomas K., und drei mutmaßliche Komplizen vor Gericht. Zusammen haben sie der Anklage zufolge 2006 und 2007 rund 130 000 Kubikmeter Müll, ebenfalls Haus-, Gewerbe- und Bauabfälle, in einer alten Kiesgrube in Markendorf im Kreis Teltow-Fläming verschwinden lassen. Die Ermittlungen führte in beiden Fällen die Staatsanwaltschaft Potsdam. „Die fachgerechte Entsorgung der gesamten Müllmenge kostet mindestens 90 Millionen Euro“, teilte gestern Sprecher Christoph Lange mit. In allen Anlagen sei zudem eine Gefährdung des Grundwassers nachgewiesen worden, sagte Lange. Den sieben Angeklagten drohen Haftstrafen von jeweils bis zu zehn Jahren.

Aus Potsdam-Mittelmark führen die Spuren auch in andere Bundesländer. So stellten die Ermittler fest, dass auch Müll aus Sachsen-Anhalt in den Deponien versteckt wurde. Vergangenen Herbst saß Bernd R. kurzzeitig wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Immobilienverkäufe hatten darauf schließen lassen, dass R. versucht hatte, sich eine große Menge Bargeld zu beschaffen. Zusammen mit seiner Ehefrau, einer Obermeisterin bei der Autobahnpolizei, soll R. mehrere Grundstücke besessen haben, die aber überwiegend auf ihren Namen eingetragen waren. Ob derzeit auch gegen die Ehefrau ermittelt wird, ließ Staatsanwaltschaftssprecher Lange gestern offen: „Dazu will ich mich momentan nicht äußern.“

Ermittelt wird aber in Neuruppin. Dort geht die für Korruption zuständige Staatsanwaltschaft dem Verdacht der Bestechung der Amtsleiterin des Amtes Wusterwitz und einer ihrer Mitarbeiterinnen nach. Die Amtsleiterin soll sich 2005 von R. eine Weihnachtsfeier für mehrere Tausend Euro bezahlt haben lassen. Vom Amt hatte R. einen Auftrag für die Renaturierung von drei Altdeponien bekommen. „Die Ermittlungen laufen noch“, bestätigte gestern Frank Winter, Sprecher der Antikorruptionsstelle. Im Fall Markendorf ist indes bereits im Februar dieses Jahres Anklage gegen einen Kontrolleur des Landesbergamtes Brandenburg wegen Bestechlichkeit erhoben worden.

Wie Teltow-Fläming sitzt auch Potsdam-Mittelmark nach wie vor auf den Müllbergen. Wer die Kosten für die Entsorgung übernehmen soll, ist bislang ungeklärt. „Momentan geht von den Deponien keine akute Gefährdung für Mensch und Umwelt aus“, versichert Hans-Georg Hurttig, mittelmärkischer Fachbereichsleiter Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. „Mit Spannung werden wir diesen Prozess verfolgen, denn nach wie vor stehen Schadenersatzansprüche in zweistelliger Millionenhöhe für die Entsorgung dieser illegalen Müllberge ins Haus“, sagte Hurttig.

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