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Potsdam-Mittelmark: Um Rabinowitsch wird es einsam

Minister Baaske erinnert sich an Begegnung mit Stasi-Hauptmann / Fraktionsspitzen für Mandatsverzicht

Potsdam-Mittelmark - Sozialminister Günter Baaske (SPD) weiß noch, wie er in den 80er Jahren mit Stasi-Offizier Sieghard Rabinowitsch aneinandergeraten ist. Mit einem Kollegen sei er zum Haus seiner Eltern in Belzig gekommen. Es sei um sein Motorrad gegangen, das angeblich in eine Straftat verwickelt gewesen sein sollte. „Das war alles völliger Quatsch. Ich hatte den Eindruck, ich soll da in was reingezogen werden“, so Baaske gegenüber den PNN.

Als Jugendlicher habe er damals mit seiner Clique die Grenzen ausgetestet. Zur Wendezeit gehörte Baaske zu den Mitbegründern des Neuen Forums und der Ost-SPD. Dass ein Mann wie Sieghard Rabinowitsch für den Kreistag kandidiert hat und nach dem Stasi-Check dort bleiben will, kann Baaske nicht nachvollziehen. Was das MfS betrifft, müsse man jeden Einzelfall genau anschauen. „Aber gerade hier muss man einen Strich ziehen. Wer hauptamtlich beim Ministerium für Staatssicherheit tätig war, hat nicht nur ausgewertet. Der hatte das Ziel, nicht systemkonforme Leute zu bestrafen.“

Es könnte bald einsamer werden um Sieghard Rabinowitsch, auch im Kreistag: Bei den Fraktionsspitzen von CDU, SPD, FDP, FBB und Bündnisgrünen ist man sich einig, dass der ehemalige Stasi-Hauptmann sein Mandat niederlegen sollte. Der 59-jährige Rechtsanwalt wurde im September 2008 in den Kreistag gewählt. Ein Stasi-Check kam zum Ergebnis, dass es sich bei Rabinowitsch um einen „aktiven lokalen Potentaten des Stasisystems“ gehandelt habe, der ohne Rücksicht auf die Menschenrechte seine Rolle „gewissenhaft ausfüllte“.

Dessen ungeachtet hatte Rabinowitsch am Mittwoch in einer Pressekonferenz der Linken angekündigt, im Kreistag bleiben zu wollen – mit Verweis auf sein gutes Wahlergebnis und seine kommunalpolitschen Verdienste (PNN berichteten). In den anderen Fraktionen rief diese Haltung gestern Kopfschütteln hervor. „Die Linken haben bewiesen, dass sie sich inhaltlich seit der Wende kein Stück bewegt haben“, sagte CDU-Fraktionschef Rudolf Werner gegenüber den PNN.

SPD-Fraktionschefin Susanne Melior nannte es „dreist“, wie sich Rabinowitsch verteidigt und zu „schwerwiegenden Vorwürfen schweigt“. „Wir haben genug zu tun, wo auch Menschen mit einer solchen Vergangenheit mithelfen können.“ Sie dürften aber nicht an verantwortlicher politischer Stelle arbeiten oder Stimmrecht in Volksvertretungen bekommen.

„Sieghard Rabinowitsch hat für die Firma gearbeitet, er sollte die Konsequenzen ziehen und von sich aus den Kreistag verlassen“, so FBB-Fraktionschef Wolfgard Preuß. Der Fraktionschef der Bündnisgrünen, Martin Köhler, erklärte: „Herr Rabinowitsch lässt kein Problembewusstsein erkennen. Mir fehlen die Worte, dass er sich auch noch mit seinen Leistungen als Ortsvorsteher verteidigt.“ Für ihn sei der linke brandenburgische Justizminister Volkmar Schöneburg in seinem Willen zur Aufarbeitung zurzeit „deutlich glaubwürdiger“ als Mittelmarks Linke.

„Jemand, der aktiv im Stasi-Apparat tätig war, kann nicht im mittelmärkischen Kreistag sitzen“, urteilt auch FDP-Fraktionschef Heiko Hüller. Es reiche da auch nicht, mit einem guten Ergebnis gewählt zu sein. „Kein Wähler hat sie Akte Rabinowitsch gelesen“, so Hüller. Als Mitglied der Prüfkommission habe er sich bei der Lektüre in die „finsterste DDR-Vergangenheit“ versetzt gefühlt.

Während sich die Fraktionschefs im Fall Rabinowitsch einig sind, gibt es zum linken Kreistagsabgeordneten Bernd Lachmann unterschiedliche Positionen. Der linke Kreistagsabgeordnete soll laut dem Bericht der Prüfkommission des Kreistags als NVA-Feldwebel mit der Stasi kooperiert haben. Die Stasi-Akte dokumentiert 29 handschriftliche Berichte, die Kommission empfiehlt eine Beratung des Kreistags zu dem Fall.

„Herr Lachmann hat in Kauf genommen, dass er Menschen mit seinen Berichten schadet“, so FDP-Fraktionschef Hüller. Wie sein CDU-Kollege spricht er sich auch in diesem Fall für den Mandatsverzicht aus. Bei Grünen, FBB und SPD will man „die Akte Lachmann“ allerdings noch diskutieren. „Als Teil der Armee hat er getan, was man von ihm erwartet hat“, so Martin Köhler von den Grünen. SPD-Fraktionschefin Melior erinnerte daran, dass der Kreistagsabgeordnete bereits in der vergangenen Legislaturperiode den Stasi-Check durchlief. Die CDU habe damals die Kommission geleitet, eine mehrheitliche Empfehlung zum Rücktritt kam nicht zustande.

Auch Günter Baaske sieht den Fall Lachmann differenziert: „Jeder Berufssoldat, der die sozialistische Heimat verteidigen wollte, musste berichten.“ Das sei dann allerdings mit unterschiedlichem Engagement geschehen.

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