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Übergriff in Bad Belzig: Jugendliche greifen hochschwangere Somalierin an

Update: Nach dem Angriff von drei Jugendlichen befindet sich eine hochschwangere Asylbewerberin noch immer im Krankenhaus. Bad Belzigs Bürgermeisterin reagiert erschüttert, der Verein Opferperspektive spricht von einer neuen Dimension rechtsextremer Gewalt.

Von Enrico Bellin

Bad Belzig - Schock in Bad Belzig: Am Mittwochnachmittag ist eine hochschwangere Frau aus Somalia von drei Jugendlichen attackiert, zu Boden gestoßen und getreten worden. Wie eine Polizeisprecherin mitteilte, war die 21-Jährige gegen 14 Uhr auf dem Rückweg vom Edeka-Markt zum Flüchtlingswohnheim, als sie von den drei Jugendlichen – darunter ein Mädchen – im Alter von 14 bis 15 Jahren überfallen wurde. Das Opfer hatte, wie in ihrer Heimat üblich, ihren gerade gekauften Sack Kartoffeln auf dem Kopf getragen. Zugleich telefonierte sie mit ihrem Handy.

Laut Polizei schlugen die Angreifer die junge Frau in der Weitzgrunder Straße die Kartoffeln vom Kopf und stießen sie um. Einer der Jugendlichen habe noch auf die am Boden Liegende eingetreten. Dann flüchtete die Gruppe. Die im achten Monat schwangere Frau befindet sich noch immer im Krankenhaus. Jetzt ermittelt die Polizei gegen die drei Jugendlichen wegen gefährlicher Körperverletzung.

Bürgermeisterin: "Eine Schwangere zu attackieren, entzog sich bislang meiner Vorstellungskraft“

Laut Bad Belzigs Bürgermeisterin Hannelore Klabunde-Quast (parteilos) ist die Somalierin wahrscheinlich mit dem Schrecken davongekommen. Bleibende Schäden seien auch am Kind nicht zu erwarten. „Trotzdem bin ich erschüttert. Eine Schwangere zu attackieren, entzog sich bislang meiner Vorstellungskraft“, sagte sie den PNN. Trotz des Vorfalls sieht sie in der Kreisstadt mit rund 12 000 Einwohnern, in der derzeit rund 250 Flüchtlinge leben, keine zunehmende Fremdenfeindlichkeit. „Wir haben ein starkes Bürgerbündnis und das Informationscafé ,Der Winkel’, hier leben schon immer Menschen verschiedener Nationen.“

Zwar gebe es Klabunde-Quast zufolge eine Handvoll rechter Aktivisten im Ort. „Um bei Veranstaltungen 15 Leute zusammenzubekommen, brauchen die aber Unterstützung aus dem Havelland.“ Sie sei, auch angesichts weiter steigender Flüchtlingszahlen, noch entspannt, „wie wohl die meisten Belziger.“ Laut dem Leiter des Flüchtlingsheimes, Lutz Kuligk, sei auch unter den Asylbewerbern die Stimmung gelassen. Sie gingen wie gewohnt weiterhin in die Innenstadt.

Alternatives Infocafé: Bad Belzig bietet rechtsextreme Erlebniswelt

Im Infocafé bewertet man die Lage anders und zeigte sich gestern wenig überrascht von dem Übergriff. Seit Monaten versuche die rechtsextreme Szene, in Belzig Fuß zu fassen, sagte der Sozialarbeiter Benjamin Stamer. Besonders aktiv seien Gruppierungen rund um die Kleinstpartei „Der III. Weg“ im Jugendbereich und im Fußball. Auch kritisierte er die Jugendarbeit in der Stadt heftig. So hätten über einen längeren Zeitraum rechtsextreme Bands im Jugendzentrum proben dürfen. „Belzig hat einen gewissen Nachholbedarf in der Jugendarbeit“, sagte er. Das nutze die Szene und biete eine rechtsextreme Erlebniswelt. Die Bürgermeisterin bestreitet das. Das Jugendzentrum sei ein Erfolg. Es wird von der Stiftung SPI betrieben, die in Potsdam das Kulturzentrum Lindenpark unterhält.

Von den Tätern ist inzwischen bekannt, dass sie Schüler der Oberschule sind, die nur wenige hundert Meter vom Flüchtlingsheim entfernt steht. Sie stammen aus Belzig und Nachbargemeinden. „Noch ist der Vorfall hier nicht zur Sprache gekommen“, sagt Schulsozialarbeiterin Regina Weber. „Es gibt aber natürlich einfühlsame Gespräche mit den Schülern, durch die Nähe zum Flüchtlingsheim kommt das Thema schon auf.“ Bei einigen Schülern bestünden Ressentiments, die auch vom Elternhaus stammten. Sie seien aber nicht häufiger als anderswo. Ein Lehrer der Oberschüler unterrichte auch im Flüchtlingsheim. Zudem gab es in der Vergangenheit Arbeitsgruppen mit den Betreibern des Infocafés zum Thema Integration.

Opferperspektive: Hemmschwelle sinkt, Menschen anzugreifen

Katrin Meinke vom Hilfeverein Opferperspektive sieht in der Attacke auf die Hochschwangere eine neue Dimension rechtsextremer Gewalt. „Es ist ganz deutlich, dass die Hemmschwelle sinkt, Menschen anzugreifen“, sagte Meinke. Sie ist als Beraterin für Belzig zuständig. Die Szene werde aggressiver und die Stimmung schlechter. Laut Opferperspektive gab es von Januar bis September in Brandenburg 125 rechtsextrem motivierte Vorfälle – Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und Bedrohungen. 2014 zählte der in Potsdam ansässige Verein 92 Übergriffe.

Brandenburgs Grüne zeigten sich entsetzt über den Belziger Vorfall. „ Fassungslos müssen wir feststellen, dass die Angriffe auch vor Schwangeren nicht Halt machen und es keinerlei Respekt vor dem menschlichen Leben zu geben scheint“, so Landeschef Clemens Rostock. „Wie rassistisch verblendet müssen Jugendliche sein, um eine wehrlose schwangere Frau offenbar grundlos niederzuschlagen und dann noch auf sie einzutreten?“

Noch vor der Tat wurde in Belzig für den 24. November ein Forum zur Integrationskultur einberufen, auf dem es laut Hannelore Klabunde-Quast nun auch um das weitere Vorgehen gegen Rechtsextremismus gehen soll. Zudem will der Landkreis Pläne für weitere Flüchtlingsunterkünfte in der Kreisstadt vorstellen.

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