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Rosengarten in Wildpark-West: Gedeih doch, bitte schön

Sinnlicher Duft, farbenfrohe Schönheit: Am heutigen Samstag öffnet die 89-jährige Carla Schmidt ihren Rosengarten in Wildpark-West.

Von Eva Schmid

Wildpark-West - Der Duft weht einem schon im Vorgarten entgegen. Leicht süßlich, ein Hauch von Aprikose und Himbeere. Wer um das schlichte Haus von Carla Schmidt in Wildpark-West biegt, der steht mitten drin. In einem überbordenden Rosengarten. Es duftet links und rechts und man weiß gar nicht, was man als erstes machen soll: gleich riechen oder erst betrachten. 

Über 100 Rosensorten blühen dort auf rund 700 Quadratmetern. Der Garten der 89-Jährigen gleicht einem Meer von bunten Blüten, die alle unterschiedlich riechen. Nach Zitrone, Vanille, manche gar leicht würzig. Die weißhaarige Gärtnerin schaut um sich, so als staune sie selbst, was da alles aufblüht. „Die waren alle mal so klein“, sagt sie und breitet die Hände leicht aus. 15 Jahre Arbeit stecken in diesem verwunschenen Rosengarten, seit vier Jahren öffnet sie zur Hauptblüte einmal im Jahr ihren Garten im Fuchsweg 11a für Interessierte. So auch am heutigen Samstag. 

„Mit 60 Jahren habe ich mein Leben selbst in die Hand genommen“

Carla Schmidt läuft vorsichtig über den waldigen Moosboden, sie hat frisch gemäht, jetzt zupft sie verfärbte Blätter ab, nimmt verblühte Rosen ab. Frisieren nennt sie das. Später am Tag wird gewässert. Die Pflege der Rosen dauert pro Tag gute zwei Stunden. Für Carla Schmidt gehört sie zum Tagesablauf wie das Frühstück oder die Dusche. Die Rosen, ein fester Bestandteil ihres Lebens. Die Rosen, der Fernsehersatz. Die Rosen, ein Hobby in schwierigen Zeiten.  Die kleine Frau mit den feinen Haaren und der spitzen Nase bückt sich, reckt sich wieder hoch, um kurze Zeit später kniend am Stielansatz einer ihrer Stöcke noch etwas zu kontrollieren. Man sieht ihr an, dass sie Mühe hat. Anmerken lässt sie sich aber nichts. „Ich kann nur nicht mehr auf die Leiter“, aber sonst fühle sie sich jung. Und man glaubt es ihr sofort. Die Liebe zur Rose, die kam kurz nach der Wende. „Mit 60 Jahren habe ich mein Leben selbst in die Hand genommen“. Ihr Mann ließ sich nach 37 Jahren Ehe damals scheiden. Sie stand alleine da, kleine Rente und ein sanierungsbedürftiges Haus. Um über die Runden zu kommen, nahm sie allerlei Hilfsjobs an. Am Ende der langen, anstrengenden Tage wollte auch sie sich etwas was gönnen. „Ich war alleine und wollte mir eine Freude machen“. So kam sie dazu, Rosenstöcke zu kaufen.

Anfangs noch im Supermarkt. Die Abbildungen der blühenden Rosen auf den Pappkartons, in denen die kleinen, grünen Stöcke steckten, hatten es ihr angetan. „An denen kam ich einfach nicht vorbei.“ Und dann mussten es auch Edelrosen sein, nur die duftenden wollte sie haben. Sie wanderten in den Einkaufskorb und kurze Zeit später in den verwurzelten Waldboden auf ihrem Grundstück. Später hat sie nach so speziellen Rosenstöcken gesucht, dass sie nur in Inseraten fündig wurde. Heute kauft sie eigentlich keine neuen mehr, es sei ja auch fast kein Platz mehr frei. 

Carla Schmidt nimmt sich zurück und selbst nicht so wichtig. Zum Arzt, nein, da gehe sie nicht hin. Wieso auch. Und nein, Expertin für Rosen sei sie auch nicht. Sie wisse nicht, wie der richtige Rosenschnitt funktioniere. Sie mache es einfach so, wie sie denke. „Und dann kommt sowas dabei heraus“, sagt sie, so als ob sie selbst davon überrascht wäre. Im Gespräch beim Herumgehen durch den Garten zupft sie immer wieder hier und da etwas ab. Es sind kleine, fast schon liebevolle Gesten. Manchmal rede sie auch mit ihren Rosen. „Dann sage ich ihnen, sie sollen doch bitte schön gedeihen.“ 

„Grande Amore“, „Gebrüder Grimm“ und „Augusta Luise“ mit herrlichen Düften

Der Rosengarten, umgeben von hohen Kiefern, wird, je länger man dort verweilt, zu einem immer verwunscheneren Ort. Ein Ort, an dem die Zeit stehen bleibt, an dem es ruhig ist, friedlich. Kleine Vögel fliegen herbei, Eichhörnchen huschen durch den Garten. Carla Schmidt weiß, wie ihr Garten auf Besucher wirkt. Sie nimmt sich zurück. Und kommt doch später nahe an einen heran, und zeigt einem Orte, von denen man den schönsten Blick hat. Die Namen der Sorten kennt sie alle, auf kleinen Schildern stehen sie geschrieben: „Grande Amore“ in knalligem Rot. „Gebrüder Grimm“, Rosen mit zwei unterschiedlichen Farben an einem Stock. „Augusta Luise“ in Champagner-Rosé. 

Die vielen Fragen der Besucher, die heute auf sie zukommen, könne auch sie nicht beantworten. Sie will nur die Schönheit der Hauptblüte nicht alleine genießen, sondern mit anderen teilen. Deshalb öffnet sie nun bereits im fünften Jahr ihren Garten. Mit den Programmen der offenen Gärten, bei denen Brandenburger und Berliner ihre Gärten für Interessierte öffnen, habe sie nichts zu tun. Sie mache das einfach so, und es sei wohl ihr letztes Jahr. Naja, das habe sie auch in den Vorjahren gesagt. Man wird sehen. 

Auch wenn es ihr nicht recht ist, die Kräfte schwinden dann doch. Die Knie schmerzen. „Ich hoffe auf einen rüstigen Rentner“, einen der noch auf die Leiter steigen kann. Ist das der Grund für das Öffnen ihres Gartens? Nein, sagt Carla Schmidt und lacht. Die zwei Kinder der Gärtnerin arbeiten beide als Mediziner und haben daher auch keine Zeit. „Vielleicht hilft ihr Artikel in der Zeitung.“ 

Ihren Elan von einst, den hat sie aber noch. Sie ist nur pragmatischer geworden. Habe sie früher zum Düngen noch getrockneten Kuhmist vom nahen Feld geholt, nehme sie heute Pellets mit Kuhdung aus dem Gartencenter. Und auch die verblühten Rosenblätter hebt sie nicht mehr auf. Die grabe sie jetzt unter, auch das ein Dünger. Während Carla Schmidt erzählt, strahlen ihre Augen, sie erzählt mit Stolz ihre Geschichte. Eine Geschichte, die – um bei den Rosen zu bleiben – sowohl stachelige als auch blühende Zeiten hatte. Eines jedoch ist der sympathischen Frau geblieben: ihr starker Wille. „Am Ende des Tages habe ich immer geschafft, was ich mir vorgenommen habe.“ 

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