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Herr der Fische. Detlef Leue war schon als Kind begeistert von Zierfischen. Inzwischen hat er sich in Lehnin ein kleines Biotop geschaffen, in dem mehrere Hundert Arten leben. Für Teiche und Wege nimmt er gern Materialien, die woanders nicht mehr benötigt werden.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Schönheit auf den zweiten Blick

Sinne schärfen, genau hinschauen: Warum man im Lehniner Koigarten so gut zur Ruhe kommt.

Von Eva Schmid

Kloster Lehnin - Die Schönheit erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Der Weg zum Lehniner Koigarten, ein Abenteuer. Das Navi fällt aus, mitten im Wald, keine Internetverbindung mehr. Dann folgt man den Schildern, es geht auf unbefestigten Wegen weiter. Bis zu einem kleinen blauen Haus. Daneben gelbe Plastikschilder, selbst beschrieben. Hier darf man erkunden, spazieren und sonst nicht was – steht dort, sinngemäß.

Den Garten, am Klostersee gelegen, hat vor Jahren der 63-jährige Detlef Leue gegründet. Eigentlich ist er gelernter Maschinist, heute Fischzüchter. Mit fünf Jahren hatte er sein erstes Aquarium bekommen, seither sind Fische seine Welt. Wie viele Fischarten er kennt, kann er nicht sagen. Jede einzelne hat ihre Besonderheit. Er beobachtet die Tiere bei der Brutpflege, kann sich stundenlang ansehen, wie sie durchs Wasser gleiten. Für den Laien wird das schnell langweilig, für Leue ist das spannend wie ein Krimi.

Leue und die Fische, da gibt es durchaus Ähnlichkeiten. Beide ruhig, zurückhaltend. Erst scheu, doch je länger man bleibt, umso mehr lernt man sie kennen und schätzen. Und der Fischexperte ist vor allem eins: kein Besserwisser, der mit seinem Expertentum nervt. Er weiß, wie es vielen seinen Besucher geht, zumindest beim ersten Mal.

Sie stapfen herein, sehen überall kleine Teiche, an die 30 sollen es sein. Selbst in ein ausrangiertes Saunatauchbecken hat Leue Fische reingesetzt. „Ich verwende gern recycelte Materialien, viele der Steinplatten etwa habe ich von einem befreundeten Steinmetz“, so Leue. Es wirkt alles ein bisschen improvisiert, zusammengeschustert – nicht so glatt organisiert, wie man es sich vielleicht vorstellen würde. Doch genau darin liegt die Schönheit.

Der Besucher läuft an Teichen voller Seerosen vorbei, Bienen, Hummeln, Schmetterlinge – es summt, zwitschert und raschelt. Und die Fische? Leue zuckt kurz mit den Schultern, ein verschmitzter Blick. Aus seinem Mund kommt kein Wort. Man folgt ihm stumm. Vorbei an kleinen Fröschen, die man natürlich nicht sofort sieht. Man erwartet sie schließlich nicht, sucht vor allem die Fische. Weiter geht es, vorbei an Eidechsen und Molchen. Eine Ringelnatter gleitet durchs Wasser. Der ganze Garten ist voller Leben, fast wortlos weist Leue den Besucher daraufhin. Man fängt an, das Auge zu schulen, genauer hinzusehen. Und ist erstaunt über die Vielfalt.

Über kleine Kieselsteinwege führt ein Pfad durch den Garten, man merkt, dass der Koigarten das Lebensprojekt des 63-Jährigen ist. Neben Kois hat er noch rund 150 weitere Fischsorten. Die Kois jedoch sind die bekanntesten, die schönsten. Wobei Leue selbst seine langen Störe viel toller findet. Becken, wie man sie aus Tierparks oder Zoos kennt, in denen sich die leuchtend bunten Kois tummeln, gibt es hier nicht. „Die Tiere sind scheu und sollen es auch bleiben“, erklärt Leue. Wer länger am Teichrand stehen bleibt, sieht sie, ansonsten verstecken sie sich gerne unter der Decke aus Seerosen. Nur für Kinder macht der Fischfreund die Fütterungen zur Schau, dann herrsche Trubel im Wasser.

Um die Teiche herum blüht es in allen Farben. Den grünen Daumen habe seine Lebensgefährtin. Kerstin Schröder ist gelernte Gartenbauingenieurin und realisiert in dem kleinen Koigarten auch ihren Lebenstraum. Sie macht gerade Kaffee, ob man auch eine Tasse wolle, fragt die 58-Jährige und kommt nach einer Weile mit dem frisch aufgebrühten Getränk in den Garten. Auf dem Tablett hat sie Pflaumenkuchen, auch der frisch gebacken. Auch da kann man nicht nein sagen.

Man ist hier gerne Gast, die Gastgeber nehmen sich zurück. Lassen die Besucher das kleine Stückchen Erde selbst erkunden. Leue und seine Partnerin sind täglich draußen, ihr Haut sonnengegerbt. Sie pflegen nicht nur ihre Fische, sondern beraten auf Wunsch auch andere Zierfischhalter. Auch im Winter sind sie unter der Sonne, dann aber auf der südlichen Halbkugel. Im brasilianischen Amazonasgebiet. „Unsere Kur“, sagt Kerstin Schröder und lacht. Jedes Jahr für drei Monate sind sie in einem kleinen Amazonasdörfchen zu Gast, starten von dort aus mit einem kleinen Boot über den Amazonas. Wer aus Deutschland in die Gegend reist, kann das Paar als Guide buchen. Der Flug nach Brasilien koste weniger als die Rechnung für die Ölheizung, sagt Leue. Ihr einfaches Leben gehe dort nur weiter.

Ob brasilianische Hängematte oder Hollywoodschaukel in Lehnin – das Paar weiß, wie man gut entspannen kann. Und das sollen auch die Gäste. Am besten geht das tatsächlich auf der leicht quietschenden Hollywoodschaukel unter dem schönen Rebendach. Spätestens von dort aus erkennt man die Schönheit des Gartens.

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