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Bundeskanzler Olaf Scholz beim Bürgergespräch in seinem Wahlkreis in Michendorf/Langerwisch.

© Andreas Klaer,PNN,Tsp

Olaf Scholz in Michendorf: „Wie ist Ihre Vision, Herr Scholz?“

In Michendorf lädt der Kanzler in angespannten Zeiten zum Bürgergespräch. Von unangenehmen Fragen bleibt Olaf Scholz verschont.

Michendorf - Und noch einen Song bitte! Die Band im Innenhof des Gemeindezentrums Langerwisch in Michendorf spielt. Man will die Wartezeit nicht nur mit Worten füllen. Es läuft Barry McGuire’s „Eve Of Destruction“ (auf Deutsch: „Am Abend der Zerstörung“). Das passe ja zur Zeit, sagt eines der Bandmitglieder. Als der Kanzler dann kommt, stören laute Rufe die fröhliche Atmosphäre. „Friede, Freiheit, keine Corona-Diktatur“, brüllt ein Mann vor dem Gemeindezentrum, als Olaf Scholz (SPD), begleitet von viel Security, den Innenhof betritt. Die Polizei schreitet ein. Der Mann gibt Ruhe. Scholz’ Auftritt in seinem Wahlkreis 61, zu dem Potsdam und das Umland gehört, kann beginnen. 

Man erwartet unangenehme Fragen, auch zu seiner Person; zur Cum-Ex-Affäre, Wirecard, zu vertraulichen Dokumenten im Hausmüll. Aber die Michendorfer:innen sind gnädig mit ihrem Wahlkreisabgeordneten im Bundestag. Es gibt lobende Worte dafür, dass sich der Kanzler in diesen Zeiten den Fragen stellt. 

Teils souverän, teils leere Floskeln

Die beantwortet er alle meist souverän, teils aber auch mit leeren Floskeln. „Wir werden das regeln.“ „Glauben Sie mir.“ „Wir gehen das an.“ Das ist an diesem lauwarmen Sommerabend häufiger zu hören.  Es geht um Renten, Lohnunterschiede in Ost und West, das Klima, Preissteigerungen und warum so viel Geld ausgegeben werde, die Entlastungen aber nicht auf den Gehaltsnachweisen sichtbar seien. Mehr also um die großen politischen Themen, weniger um Lokales vor Ort. Und es geht um den Krieg in der Ukraine, zu dem eine Besucherin fragt, warum die Hilfen so spät dort ankämen. „Mit der Zögerlichkeit, das stimmt nicht“, sagt Scholz. Man habe Technik besorgt, mit der man ganz Odessa verteidigen könne. Es würden Waffen geliefert, über die Deutschland selber nicht verfüge. Dabei erwähnt er, dass Deutschland für einen Angriff Russlands nicht vorbereitet wäre. „Das ändern wir jetzt.“ 

Viele Fragen beim Bürgergespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem Wahlkreis in Michendorf/Langerwisch.
Viele Fragen beim Bürgergespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem Wahlkreis in Michendorf/Langerwisch.

© Andreas Klaer,PNN,Tsp

Die Waffenlieferungen an die Ukraine sind ein präsentes Thema an diesem Abend. Verlängerten diese nicht nur den Krieg, fragt ein Bürger in den vorderen Reihen. Habe die Ukraine wirklich eine Chance? Scholz antwortet zuversichtlich. Wer ein anderes Land angreife, müsse über rund drei Mal so große Kapazitäten verfügen, wie der Angegriffene. Und deshalb habe die Ukraine eine realistische Chance, ihr Land zu verteidigen. „So, weitere Fragen?“ 

Viele Finger gehen nach oben. Eine Mutter möchte wissen: „Wie ist Ihre Vision für Deutschland, Herr Scholz?“ Ihr komme es derzeit vor wie ein Rennen für Menschen ohne Orientierungssinn. Scholz’ Antwort: „Ein Land, das zusammenhält und in dem jeder zurecht kommen kann.“ Dafür müsse man sich wirtschaftlich besser aufstellen. 

„Da werde ich mich mal schlau machen.“

Bei einer Frage muss Scholz dann aber passen. Es geht um die Wasserversorgung in Brandenburg. „Wir leben hier in einem der trockensten Gebiete Deutschlands. Warum kriegen wir es nicht hin, dass wir das Abwasser nicht in die Nordsee verklappen, sondern in unseren Gegenden verrieseln könnten“, möchte ein Mann wissen. Dafür bekommt er, für den Abend verhältnismäßig viel Applaus. Scholz antwortet: "Schönen Dank für diese Frage, aber die kann ich Ihnen jetzt hier nicht aus der Hand beantworten. Und ich will jetzt hier nicht durch langes Drumherumreden davon ablenken, dass ich gar nicht weiß, wovon Sie reden“, sagt er. „Da werde ich mich mal schlau machen.“ Ein kleiner Lacher, ein Gemurmel geht durchs Publikum. Die nächste Frage ist dran. Die Ehrlichkeit kommt bei den Michendorfer:innen gut an. „Er war ehrlich. Vertrauenswürdig“, sagte die 18-jährige Julie Henningsen, die sich mit ihren beiden Freundinnen ein Foto von und mit dem Kanzler geholt hatte. Das war eigentlich nur für eine Wette. Dafür bekomme sie jetzt ein Mittagessen. Scholz sei „authentisch“ und sei gut mit kritischen Fragen umgegangen, findet Freundin Amely Wernitz. 

Die Ukrainerin Marina Kalynchuk wollte eigentlich Danke für die vielen Hilfen Deutschlands an ihr Land sagen. Aber es seien zu viele Fragen gewesen. Sie finde Scholz allerdings sehr sympathisch. „Na, du bist doch verheiratet“, sagt ihre Begleiterin. Es wird gelacht. „Gut und sachlich“, sagt Sandra Erlach aus Wildenbruch. Heute sei man „mal zufrieden mit ihm“. Es sei schön gewesen, dass er sich so viel Zeit genommen habe, um auf alles zu antworten.

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