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Stubenhocker. In der Tee- und Wärmestube kann man bei einer Tasse Kaffee über Probleme reden oder über das Wetter – oder einfach nur am Tisch sitzen und sich aufwärmen.

© Andreas Klaer

Obdachlosigkeit in Werder (Havel): Ein Platz zum Reden und zum Schweigen

Die Wärmestube Werder bietet Essen, Kleidung und Beratung. Die im vergangenen Jahr renovierte Einrichtung lebt von Engagement und Spenden.

Werder (Havel) - Die vier Männer am Tisch zeigen sich unbeeindruckt. Während Werders Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) der Leiterin der Werderaner Wärmestube, Martina Müller, am Montag zwei Schecks in Höhe von jeweils 250 Euro überreicht, sitzen sie weiter an einem der Tische der Stube und trinken Kaffee. Sie gehören zu den „Klienten“, wie es im Sprachgebrauch der Stube heißt, die regelmäßig in die Einrichtung in der Eisenbahnstraße 1 kommen.

Seit fast vier Jahren befindet sich die Tee- und Wärmestube an diesem zentralen Platz in der Havelstadt. Vor einem Jahr wurden die Räume im Souterrain des Innenhofs renoviert. Hier bieten Martina Müller und ihre ehrenamtlichen Helferinnen von Montag bis Freitag Frühstück und Mittagessen für Bedürftige, die Möglichkeit zu duschen, Wäsche zu waschen sowie Hilfe bei Anträgen, Sucht- und Drogenproblemen und bei der Wohnungssuche.

Träger der Einrichtung ist die Ernst von Bergmann Sozial GmbH (EVBS), eine Tochter des Potsdamer Bergmann-Klinikums. Müllers Stelle wird vom Landkreis bezahlt, die Stadt Werder gibt jährlich 5000 Euro – und hin und wieder etwas extra, wie Bürgermeisterin Saß betont. Die Spenden am Montag stammen zum einen aus den Einnahmen einer Kulturveranstaltung im Zuge der 700-Jahr-Feier, die die Stadt in diesem Jahr begeht. Zum anderen handelt es sich um Geld, das das Rathaus jedes Jahr dadurch spart, dass es auf das Versenden von Weihnachtspost verzichtet.

Mit dem Geld kann die Wärmestube etwa Bastelsachen für ihr Kinderferienlager besorgen oder die Weihnachtsfeier vorbereiten. Vom Obstsymposium am vergangenen Wochenende hatte Bürgermeisterin Saß außerdem mehrere Körbe voller Äpfel mitgebracht. „Vielen Dank für Ihre Arbeit“, sagte sie zu Müller.

Die sozialpädagogische Mitarbeiterin gab den Dank zurück an die Verwaltung – und hatte zu Beginn der kalten Jahreszeit noch einige Wünsche für potenzielle Spender auf dem Herzen. So könnte die Stube, die dienstags und freitags eine Tafelausgabe organisiert und Kleiderspenden verteilt, Kleidung und Schuhe gebrauchen. Auch eine gute Pfanne – für Kartoffelpuffer –, ein Topf und Geschirrtücher würden noch fehlen.

Müller kümmert sich seit 17 Jahren in Werder um Obdachlose, arme und suchtkranke Menschen und deren Familien. Der Umzug ins Herz der Stadt habe sich bewährt, sagt sie: „Der Standort ist ideal.“ Im gleichen Haus befindet sich die Arbeiterwohlfahrt, gegenüber ist der „Treffpunkt Werder“ des EVBS. Der Trinkertreff am Plantagenplatz ist auch quasi vor der Haustür, das erleichtert den Kontakt zu potenziellen Klienten.

Denn die haben oft Skrupel, in die Wärmestube zu kommen. „Man ist ja stolz“, sagt einer der Männer – Thomas – am Tisch, „jahrelang ist man allein ausgekommen und dann muss man um Hilfe bitten.“ Viele setzen sich erst einmal nur. Martina Müller und ihre Helferinnen hören dann oft nur zu. Der Wille zur Veränderung müsse von den Klienten selber kommen, erklärt die Sozialpädagogin. Das könne dauern. So auch bei Rainer. Der 56-Jährige hat seit Jahren ein Alkoholproblem, ist erst zwei Tage nüchtern, wie er zugibt. Für die Zukunft hat er wenig Hoffnung. Für das Angebot der Wärmestube ist er trotzdem dankbar. Vielleicht kann er sich hier mehr engagieren, überlegt er, bei der Essensvorbereitung helfen zum Beispiel.

Bei vielen Geschichten, die wie Einzelschicksale wirken, sind auch die Familien betroffen, weiß Müller. Deswegen will sie im kommenden Jahr einmal im Monat einen Familientag veranstalten. Außerdem würde sie gerne mit einigen Klienten das Theater Comédie Soleil besuchen. Ansonsten bleibt auch 2018 das Wichtigste: Gespräche führen und Wärme anbieten. Martin Anton

Martin Anton

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