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In Brandenburg sind Frauenhausplätze rar. 

© dpa

Neue Zuflucht vor Gewalt: Mittelmark will eigenes Frauenhaus bauen

Zunächst sollen 26 Plätze für Frauen und deren Kinder geschaffen werden. Mit der Eröffnung der Einrichtung wird im Jahr 2025 gerechnet.

Bad Belzig - 25 Frauen, die im vergangenen Jahr im Frauenhaus in Potsdam untergekommen sind, kamen nach Angaben der Einrichtung aus Potsdam-Mittelmark. Denn bislang verfügt der Kreis über kein eigenes Frauenhaus. Ein Umstand, der sich nun ändern soll. Im Kreis soll ein eigenes Schutzhaus gebaut werden. „Der Bedarf ist auf jeden Fall da für mehr Plätze“, sagte Heiderose Gerber, Vorstandsfrau vom autonomen Frauenzentrum Potsdam, am Montag – offensichtlich nicht nur in der Mittelmark: 54 der Frauen der Potsdamer Einrichtung stammten aus der Stadt selbst, vier aus anderen Teilen des Landes, 18 aus anderen Bundesländern.

Der Beschluss für ein eigenes Schutzhaus in der Mittelmark erging am letzten Donnerstag einstimmig im Kreistag. 26 Plätze für Frauen und deren Kinder sollen bereitstehen. Auch ein barrierefreier Bereich sowie eine Schutzwohnung für Frauen mit älteren Söhnen zwischen zwölf und 17 Jahren soll es geben. Mit der Eröffnung rechnet Gregor Teubner, Fachdienstleiter für Soziales und Wohnen beim Kreis, im Jahr 2025.

Heiderose Gerber, Vorstandsfrau vom autonomen Frauenzentrum Potsdam.
Heiderose Gerber, Vorstandsfrau vom autonomen Frauenzentrum Potsdam.

© Ottmar Winter

Die Kosten für das Vorhaben belaufen sich nach Schätzungen des Kreises auf 4,73 Millionen Euro. Knapp 2,1 Millionen Euro will der Kreis an Fördermitteln bei Bund und Land beantragen. Erste Gespräche dazu hätten bereits stattgefunden, sagte Teubner gestern. Das Ok für den Beginn vorbereitender Maßnahmen wie die Ausschreibung zum Bau lägen bereits vor. „Wir können loslegen mit den Vorplanungen“, so Teubner. Wo das Haus entstehen soll, bleibt geheim – denn die Frauen sollen dort nicht gefunden werden. Aber es sei gut erreichbar.

In Brandenburg fehlen mehr als 100 Plätze

Das Netzwerk der Brandenburgischen Frauenhäuser begrüßt den Bau. Laut dem Netzwerk gibt es derzeit 286 Plätze landesweit. Nach der Istanbul-Konvention, einem völkerrechtlichen Vertrag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt, fehlen Brandenburg 124 Plätze. Laut Beschlussvorlage, die den PNN vorliegt, müsste Potsdam-Mittelmark bezogen auf seine Einwohner:innen 55 Plätze schaffen. Die Istanbul-Konvention sieht ein Familienzimmer pro 10.000 Einwohner:innen vor. Deutschland hatte die Konvention 2018 unterzeichnet und sich damit wie auch andere unterzeichnende Länder zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verpflichtet.

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Damit sind es zu wenig Plätze, die in dem Neubau entstehen sollen. Die Frauenhäuser im Land begrüßen dennoch das Projekt. „Jeder Platz ist gut für Brandenburg“, sagte Juliane Moosdorf, Leiterin des Frauenhauses Brandenburg/Havel. Gerber vom Potsdamer Frauenzentrum sagte, die Versorgung derzeit sei katastrophal. Das Land brauche dringend mehr Plätze. „Wir sind komplett ausgelastet.“

„Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“

Warum baut der Kreis nicht größer? Man wolle keine „riesen Einrichtung schaffen“, sagte Teubner. Das entspreche nicht dem Schutz- und Ruhepunkt, den ein Frauenhaus bieten solle. „Wir wollen auch erst einmal schauen, wie sich der Bedarf entwickelt, wenn das Haus steht.“ Man könne dann schauen, wie man das bestehende Angebot erweitern werde. „Vielleicht durch einzelne Schutzwohnungen“, so Teubner.

„Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises, Mariana Siggel. „Wir müssen sehen, wie wir das Angebot bedarfsgerecht weiterentwickeln.“ Sie denke da vor allem an ambulante Beratungsangebote. Gegebenenfalls sei es auch nötig, weitere Plätze zu schaffen.

„Für den Landkreis ist das Haus gut“, sagte Catrin Seeger vom Netzwerk der autonomen Frauenhäuser. Es dürfe aber nicht zulasten der Finanzierung anderer Häuser gehen. Denn: Derzeit nutzt Potsdam-Mittelmark mangels eigenem Schutzhaus noch die Einrichtungen in Brandenburg/Havel und Potsdam. Dafür zahlt der Kreis den Häusern Geld. Das würde mit der Eröffnung des eigenen Hauses enden, sagte Teubner. Man wolle aber schauen, dass man auch weiterhin zusammenarbeite und gegebenenfalls bestehende Angebote wie Beratungen aus den kreisfreien Städten nutze.

Ruf nach landesweitem Frauenhausfinanzierungsgesetz

Derzeit werden die Frauenhäuser in Brandenburg von verschiedenen Mitteln bezahlt: Ein Teil kommt vom Land, einen weiteren übernimmt die Kommune und einen Teil zahlen die Betroffenen selbst. Die Frauenhäuser fordern seit Langem ein eigenes, landesweites Frauenhausfinanzierungsgesetz. „Es ist katastrophal, dass die Frauen dafür zahlen, dass sie Schutz suchen“, sagte Moosdorf. Gerber sagte: die gesamte Situation der Frauenhäuser im Land müsse sich verändern. Eine Finanzierung, abhängig von der Größe der Einrichtung, das sei nötig.

Das Sozialministerium will sich für den Haushalt 2023/24 für eine erhöhte Landesfinanzierung der Frauenhäuser einsetzen. „Auch künftig muss das Hilfesystem verstärkt zur staatlichen Aufgabe werden“, so Sprecher Dominik Lenz. Laut Ministerium hatte der Bund eine Weiterführung des Bundesinvestitionsprogramms zur Förderung der Häuser in Aussicht gestellt. Das Programm galt bislang nur bis 2023. Eine gerechte Finanzverteilung von Bund, Ländern und Kommunen sei Voraussetzung dafür, dass die Finanzierung besser gelinge, so Lenz.

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