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Potsdam-Mittelmark: Mit Radar übers Gemünde

Caputher Fähre besteht erste Saison mit neuer Sicherheitstechnik – sie wird aber nicht angestellt

Caputher Fähre besteht erste Saison mit neuer Sicherheitstechnik – sie wird aber nicht angestellt Von Henry Klix Schwielowsee · Caputh - Welche Unfälle hätte es eigentlich schon verhindern können, das neue Radar auf der Fähre in Caputh? Den BMW, dessen Navigationssystem vor sieben Jahren statt der Fähre eine Brücke anzeigte? Das Kajütboot, das nach der Wende gemeinsam mit der Fähre anlegen wollte? Die überladenen Laster, die die Fähre in ihrer über 150-jährigen Geschichte schon zweimal fast zum Sinken gebracht hätten? Oder das sportive Motorboot, das voriges Jahr ins Fährseil raste, als „Tussy II“ mitten auf dem Gemünde war? „Die Unfälle wären alle auch mit Radar passiert“, meint Fährmann Karsten Grunow. Und dennoch ragt jetzt hoch über dem Steuerhaus die teure Radarantenne. Die Fähre besteht in diesem Jahr ihre erste Saison mit der Hochsee-Sicherheitstechnik, deren Einbau durch die Zentrale Schiffsuntersuchungskommission in Mainz erzwungen worden ist. Eine Distanz von 57 Metern überwindet der Pott im Zehn-Minuten-Takt zwischen Geltow und Caputh, angetrieben von einem 12-PS-Diesel, der auf 2 Knoten (3,7 km/h) beschleunigt. Der benachbarte Bootsverleih vermietet Kajütboote, die bald so groß wie die Fähre sind und schneller fahren. Grunow: „Für die braucht man nicht mal einen Führerschein.“ Bei Nacht und bei Nebel verlangt der Mainzer Boots-Tüv, dass das Radar angestellt und die Besatzung verdoppelt wird. Für Grunow sind die Auflagen ein Rätsel: „Bei Nebel darf ich ohnehin nicht fahren. Und nachts fährt die Fähre nicht, bestenfalls in den dunklen Morgenstunden. Da dürfen aber keine Boote ohne Beleuchtung aufs Wasser.“ Aus Sicht seines Potsdamer Anwalts, Siegfried Just, legt die Schiffsuntersuchungskommission die „Binnenschiffsuntersuchungsordnung“ einfach ein bisschen eng aus: Tragfähigkeit und Passagierzahlen würden angesetzt, aber nicht die Fahrtstrecke und der Umstand, dass es sich um eine Seilfähre handelt. „Die Gleichbehandlung wird doch sehr formal genommen. Es ist auch für andere kleine Seilfährbetriebe wichtig, wie hier geurteilt wird.“ Per Einstweiliger Verfügung konnte Just verhindern, dass die eingebaute Radaranlage auch in Betrieb genommen werden muss – Verwaltungsvorschriften würden nicht vor einer Prüfung ihrer Sinnhaftigkeit entbinden, heißt es im richterlichen Beschluss. Beim Potsdamer Verwaltungsgericht ist jetzt die Klage gegen den Behördenstreich anhängig. Die vorherigen Widersprüche gegen die Zentrale Schiffsuntersuchungskommission in Mainz hatten allerdings keinen Erfolg, das Radar musste her. Wirtschaftsminister Junghanns hatte sich schließlich erweichen lassen und Grunow nach einer Veranstaltung von Caputher Mittelständlern das Geld für die 17000 Euro teure Anschaffung aus einem Fördertopf zugeschossen. Grunows trocken referierte Geschichte hatte dort Gelächter und Bauchhalten hervorgerufen. Wenn der Fährmann die Radaranlage vorführt, muss er erstmal die Spinnweben unter dem Klappbildschirm wegfegen. „Die mache ich nur zu besonderen Anlässen an“, sagt er, zum Beispiel zum Fährfest am 6. August. Die Besucher werden dann an dem Flachbildschirm in drei Kontraststufen den Schiffsverkehr in einem Umkreis von 63 Kilometern überwachen können. Und bei Wetterwechseln, akuten Nebeln und hereinbrechenden Finsternissen werden sie bundesbehördlich abgesichert über das Gemünde navigiert. Einem Seeungeheuer ausweichen kann die Fähre allerdings nicht: Sie hängt ja am Seil. Nur lustig ist das Ganze für Fährmann Grunow nicht: Tussy II ist erst sieben Jahre alt. 700000 Mark hat es gekostet, Tussy I in Rente zu schicken. Auch wenn die Hälfte Fördergelder waren, musste Grunow einen Kredit aufnehmen, der noch nicht abbezahlt ist. Die neuesten Sicherheitseinbauten mussten seinerzeit her: geschlossener Schwimmkörper, hohe Reling, Rettungsmittel, Kontrollleuchten. Und die Anlegerampe bekam eine teure Hydraulik eingebaut. Der Boots-Tüv begleitete den Bau. Damit nicht genug: Binnenschiffe melden sich per Funk. Schilder am Wasser kündigen den Seilfährbetrieb an und Grunow und seine beiden Kollegen melden jede Überfahrt mit einem Signal. „Es ist ja auch nicht so, dass ich nichts für die Sicherheit der Fahrgäste tun will. Aber ein Radar ist hier völlig sinnlos.“ Es gehe wohl nur darum, dass er für fremd verschuldete Unfälle in Haftung genommen werden soll. Nach der Vorführung macht Grunow das Radar wieder aus. Der laute Elektromotor übertönt nicht mehr das Entengeschnatter, die Antenne über dem Steuerhaus hört auf, sich zu drehen. Grunow achtet darauf, dass sie parallel über dem kleinen Stahldach stehen bleibt. „Sonst tropft es bei Feuchtigkeit und Regen auf die Passagiere.“ Und nass werden soll schließlich keiner bei der Überfahrt.

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