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Bloß nicht aus dem Leim gehen. Der Druck auf den Wohnungsmarkt in Stahnsdorf ist groß. Wie die Gemeinde im Berliner Speckgürtel sich in der Zukunft entwickeln soll, soll nun in einem Leitbild festgeschrieben werden. Konsens besteht zumindest darin, dass das Wachstum möglichst behutsam vonstattengehen soll.

© Lutz Hannemann

Leitbild für Stahnsdorf: Bernd Albers: "Wir wollen wachsen, nicht wuchern"

Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers spricht im PNN-Interview über die Suche nach einem Leitbild, die steigende Nachfrage nach Wohnraum - und einen behutsamen Wachstum.

Herr Albers, Stahnsdorf ist mehr als 750 Jahre ohne Leitbild ausgekommen, warum braucht es jetzt eins?

Ganz neu ist die Diskussion ja nicht. Es hat im Jahr 2000/2001 eine Zukunftskonferenz gegeben, damals wurden Arbeitsgruppen gebildet und gemeinsam mit den Bürgern erarbeitet, wie Stahnsdorf im Jahr 2030 aussehen soll. Ein Teil dessen mündete später in der so genannten Stahnsdorfer Deklaration. Im Flächennutzungsplan, der 2012 aufgestellt worden ist, sind die Ergebnisse der Zukunftskonferenz schließlich mit konkreten Zielvorstellungen untersetzt worden.

Also erfindet Stahnsdorf jetzt das Rad noch einmal neu?

Wir bauen auf der bisherigen Diskussion auf. Es ist ja so, dass inzwischen viele neue Leute nach Stahnsdorf gekommen sind, die all das nicht mitbekommen haben, aber auch nachvollziehen wollen. Es bestand der Wunsch, die Entwicklungen aufzuzeigen und darüber zu sprechen, wie künftig weiter zu verfahren ist.

Unterstützt wurden Sie dabei von der Bertelsmann-Stiftung.

Ja, zum Auftakt hat es einen Workshop, angeleitet von einem Mitarbeiter der Bertelsmann-Stiftung, gegeben, bei dem wir überlegt haben, wie wir den begonnenen Prozess zum Ziel führen. Es war uns wichtig, die Gespräche nicht zu zerfasern und jenseits einzelner Beschlüsse und kleinteiliger Diskussionen zu führen, ein neutraler Moderator erschien uns dafür am geeignetsten. Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Wie geht es weiter?

Wir haben vier Arbeitsgruppen gebildet, die sich unter anderem den Themen Wohnen, Mobilität oder auch Kultur widmen sollen. Hier wollen wir bewusst die Stahnsdorfer Bürger einbeziehen. Die Ergebnisse sollen in einer weiteren Veranstaltung zum Jahresanfang zusammengeführt werden. Wichtig ist uns, dass am Ende nicht nur bunte Bilder stehen, die nur schön aussehen, aber im Grunde nichts aussagen, sondern wir genau gucken, wo liegen unsere Schwerpunkte in den nächsten Jahren, ohne schon ganz konkrete Maßnahmen festzulegen.

Bisher zeigten sich die Fraktionen in wesentlichen Fragen kompromisslos, etwa in der des Feuerwehrstandorts. Wie optimistisch sind Sie, dass sich alle auf ein gemeinsames Leitbild verständigen können?

Ich habe schon die Hoffnung, dass wir herausarbeiten können, was den Ort künftig prägen und wie er sich verstehen soll. Aber natürlich ist es notwendig, dass nicht einzelne Interessensgruppen der Diskussion ihren Stempel aufdrücken. Ich wünsche mir einen ergebnisoffenen Prozess, der am Ende in einen gemeinsamen Beschluss mündet.

Darüber, dass Stahnsdorf behutsam wachsen soll, besteht ja weitestgehend Konsens.

Wir wollen eine grüne Gemeinde sein, mit hoher Lebensqualität und Freiräumen. Damit unterscheiden wir uns vielleicht von anderen Speckgürtelgemeinden. Wir wissen, dass wir wachsen werden, aber wir wollen nicht wuchern. Es gibt eine erfreuliche Nachfrage nach Wohnraum, aber auch nach Gewerbe. Wir werden dem mit neuer Wohnbebauung etwa an der Heinrich-Zille-Straße oder auch den Schmalen Enden Rechnung tragen und auch das Gewerbegebiet soll weiter wachsen, aber selbstverständlich nicht bis an die Wohnbebauung heran. Hier ist es wichtig, Grünflächen zu erhalten und beides zu trennen.

Stahnsdorf hat darüber hinaus noch viel Potenzial für die Wohnbebauung. Glauben Sie, dass der Ort tatsächlich dauerhaft dem Druck aus der Hauptstadt standhalten kann?

Es ist zweifellos eine der größten Herausforderungen, mit der steigenden Nachfrage im Metropolenraum umzugehen. Aber umso wichtiger ist es, sich jetzt darauf zu verständigen, wohin es mit Stahnsdorf gehen soll. Und dazu ist es uns wichtig, die Bürger einzubeziehen. Wir als Gemeindevertreter haben dabei vielleicht klare Vorstellungen, aber es ist auch spannend, sie mit der Meinung der Menschen im Ort abzugleichen.

Viele Neubauten ziehen auch infrastrukturelle Probleme nach sich.

Im Moment reicht die soziale Infrastruktur noch aus, hier sehe ich zeitnah keine notwendigen Neuinvestitionen. Aber Konsens besteht darin, dass Stahnsdorf sich zu einer familien- und kinderfreundlichen Kommune entwickeln will. Auch Eltern, die mit ihren Kindern hier rausziehen, erwarten, dass sie hier alles vorfinden, was sie brauchen. Wir sind dabei, die Schullandschaft weiter zu entwickeln. Mit der Lindenhof-Grundschule wird unser ältestes Schulhaus saniert, neben der Turnhalle in der Mühlenstraße soll zudem ein neues Hortgebäude entstehen. Zudem ist der Landkreis dabei, das Stahnsdorfer Gymnasium durch einen Anbau zu erweitern. Wir haben zudem viele Kitas mit Alleinstellungsmerkmal, etwa die Kneipp- oder Musikkita. In Kürze wird es noch eine zertifizierte Bewegungskita geben. Wir wollen uns also nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ auf die Nachfrage vorbereiten und allen gute Bedingungen bieten.

Ein Ärgernis ist der innerörtliche Verkehr.

In der Verkehrsinfrastruktur werden wir in den nächsten Jahren deutlich vorankommen. Mit der L77neu befinden wir uns auf der Zielgeraden und auch für die Biomalzspange könnte noch in diesem Jahr der Planfeststellungsbeschluss stehen. Gleichzeitig bereiten wir das Baurecht für die Anbindung der L77 an den Gladiolenweg vor. Das alles wird zu einer deutlichen Entlastung auf den Stahnsdorfer Straßen und insbesondere auch am Verkehrsknotenpunkt Stahnsdorfer Hof führen.

Wie passt die S-Bahn zu einem Ort, der seinen Dorfcharakter erhalten will?

Die S-Bahn ist ökologisch sinnvoll. Aber wir sehen auch mit Blick auf Teltow, welche Folgen sie hat. Hier sind in Bahnhofsnähe viele neue Wohngebiete entstanden, die dann auch weitere infrastrukturelle Herausforderungen mit sich bringen. Wir würden uns derzeit damit überfordern, Einwohner für ein Vorhaben anzusiedeln, das noch in den Sternen steht. Von der Einleitung des Planfeststellungsbeschlusses bis zum Tag, an dem der erste Zug rollt, vergehen viele Jahre. Wenn das Land Brandenburg sich für die S-Bahn-Anbindung entscheidet, sind wir in der Lage, in dem Zeitraum ausreichend Fahrgäste zu organisieren.

Die Fragen stellte Solveig Schuster

ZUR PERSON: Bernd Albers (48, Bürger für Bürger) ist Diplom-Jurist und seit dem 5. Juli 2008 Bürgermeister von Stahnsdorf. Seine zweite Amtszeit begann in diesem Sommer.

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