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Potsdam-Mittelmark: Kunstvoller Abschied

Die aktuelle Ausstellung in den Kammerspielen wird von Fragen nach künftigen Kulturstätten begleitet

Die aktuelle Ausstellung in den Kammerspielen wird von Fragen nach künftigen Kulturstätten begleitet Von Kirsten Graulich Kleinmachnow. Die Ausstellungsbesucher bewegten sich langsam von Bild zu Bild, blieben bisweilen stehen oder traten dichter an die Vitrinen heran, um das Material der ausgestellten Keramiken in Augenschein nehmen zu können. Ein summendes Geräusch aus Gläserklirren, Stimmen und gedämpftem Lachen erfüllten den Mehrzwecksaal der Kammerspiele. Auch die 131. Vernissage brachte wieder kunstinteressierte Bürger des Ortes zusammen, und es schien fast so, als reihe sich diese Veranstaltung an die vorhergehenden. Aber das war nur ein äußerlicher Eindruck, abgesehen davon, dass die gewohnte Brise Klaviermusik diesmal ausblieb, weil der Pianist aus unerfindlichen Gründen nicht kam. Doch ganz so klanglos sollte diese letzte Vernissage in dem kulturellen Traditionshaus nicht enden. Ein Radiokassettenrecorder ließ sich auftreiben, der dann zwischen Blumenarrangement und großen Pianoflügel geschoben wurde und sich trotzig mühte, die Frequenz der Gäste zu erreichen. Doch die Aufmerksamkeit galt vor allem den ausgestellten Arbeiten der beiden Kleinmachnower Künstlerinnen. Ilona Leopold zeigte Aquarellstudien von Reisen, aber auch bekannte Motive aus Kleinmachnow. Einigen Arbeiten ist anzumerken, wie sehr die Künstlerin sich um perfekte Details bemühte. Viel unmittelbarer wirken dagegen die raschen Skizzen mit breiten Pinselstrichen, die auch farblich mehr Frische vermitteln. Überraschung des Abends waren die Keramiken von Bärbel Richter. Noch bei der Terminabsprache zur Ausstellung hatte ihr Mann Curt Richter beiläufig erwähnt: „Meine Frau könnte zu den Bildern vielleicht einige Keramiken ausstellen, so zur Auflockerung.“ Sie selbst hätte nie gewagt ein solches Ansinnen zu stellen, zu hoch sind die eigenen Ansprüche. „Ich bin noch nicht so weit", hatte sie bisher abgewehrt und nur gewagt, ihre Arbeiten in einer Gruppenausstellung im Potsdamer Bürgerhaus am Schlaatz zu zeigen. Dort besucht sie seit 15 Jahren einen Keramikzirkel und leitet seit einiger Zeit selbst Interessierte an. Vor allem ihre Raku-Brandkeramiken mit Rissen und Sprüngen faszinieren. Bei den Rauchbrand-Arbeiten sind es die überraschenden Farbnuancen. Unerschöpfliches Thema für die Künstlerin ist die weibliche Figur. Liegende, Stehende, auch zu Gruppen vereinigt mit sinnlich schwellenden Volumina. Im Kontrast dazu spannungsreiche Figuren in Überlänge. Richters Formenrepertoire ist groß, ebenso ihre Lust am Fabulieren mit den Materialien. Eine gute Entscheidung also, diese Arbeiten vorzustellen. Schade nur, dass solche Entdeckungen kreativer Mitbürger in Kleinmachnow künftig seltener sein werden, wie viele Gäste an diesem Abend vermuteten. Auch wenn ein Optimist ins Gästebuch schrieb: „Ich wünsche mir, dass dies heute nicht die letzte Vernissage sein möge", steht hinter diesem Wunsch ein ungeschriebenes Fragezeichen. Zwar verspricht Hauseigentümer Karl-Heinz Bornemann, der ab 1. Januar 2004 die Regie des Hauses übernimmt, auf kleinen Zetteln: „Auch in Zukunft können die Kammerspiele ein für alle offenes und lebendiges Haus sein. Nicht nur Kinoveranstaltungen, auch Theater und Musik werden weiterhin im Haus einen Platz finden – wenn Sie es wollen". Wie ernst es ihm damit sei, demonstriere Bornemann seit Wochen, berichtet Gabriele Frost, die Leiterin des Hauses. So führe er Eventagenturen durchs Haus und habe sich alle bisherigen Nutzer auflisten lassen. Es sind rund 50 und die meisten wie der Anglerverband seit Jahrzehnten im Haus. Viele haben nun ein Schreiben bekommen, in dem ihnen zugesichert wird, sie könnten weiter im Haus bleiben. Unklar ist nur, wie viel sie das kosten wird, denn dazu steht nichts im Brief. Schon haben sich die ersten neue Domizile gesucht, wie der Mal- und Zeichenzirkel von Petra Rheinwalt, der in die Volkshochschule umsiedeln will. Auch den Seniorenklub „Toni Stemmler" haben einige ins Auge gefasst. Und eine Seniorentanzgruppe hat schon mal vorab in der Jugendfreizeiteinrichtung angefragt. „Ich bin mit dem Haus aufgewachsen, hier war ich das erste Mal im Kino", erinnert sich die 20-jährige Nadin Bloeck noch gern an die vorweihnachtlichen Bastelnachmittage. „Wäre schade, wenn es das nicht mehr gäbe", meint sie. Auch die einstige Kulturhausleiterin Ursula Pitschke äußerte an diesem Abend Zweifel, dass ein Kulturhaus kommerziell betrieben werden könne. „Der Gedanke, dass es nun zu Ende geht, stimmt mich schon wehmütig", sagt sie. Als 1974 der Mehrzwecksaal angebaut wurde, übernahm sie das Haus, überstand in den Kammerspielen manche Höhen und Tiefen der Kulturarbeit bis zur ihrer Pensionierung 1989. Mit ihren alljährlichen Märchenwochen ist sie dem Haus treu geblieben, aber nun glaubt auch sie, dass dieser Veranstaltungsreihe das Aus bevorsteht. Bürgermeister Wolfgang Blasig habe ihr kürzlich angeboten, die Märchentage in der neuen Bibliothek des Ortszentrums fortzusetzen, erzählt sie. Ob das machbar sei, könne sie noch nicht einschätzen, zudem ist ungeklärt, ob sich die Gemeinde an den Kosten beteilige, so Pitschke. Ungewiss ist auch, ob die neuen Räumlichkeiten im Ortszentrum für Ausstellungen geeignet sind, denn noch kann keiner Auskunft geben wie hoch und breit die Wände dort sein werden oder den Lichteinfall bewerten. Gewiss ist aber schon, dass der Konzertflügel ins neue Ortszentrum umziehen wird. Eine Spezialfirma wird ihn demnächst abholen und fachgerecht einlagern.

Kirsten Graulich

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