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KulTOUR: Unversöhnliche Systeme ?

Dietrich Hohmann und sein Roman Gloth

Werder (Havel) - Jeder Literat motiviert sich auf seine Art. Der Werderaner Autor Dietrich Hohmann („Londoner Skizzen“, „Große Jungen weinen nicht“) zum Beispiel glaubt, mit seinem neuen Roman „Gloth – Eine ostdeutsche Karriere“ in die „allgemeine Diskussion über das schuldhafte Versagen der Ostdeutschen“ eingreifen zu müssen. Außerdem will das auf zwei Bände angelegte Werk zeigen, dass man mit alten Biografien auch in den neuen Zeiten etwas machen kann“. Na, wenn er sich da mal nicht selber meint! Aber was nun für ein schuldhaftes Versagen? War das „sozialistische System“ für dieses Völkchen etwa nicht gut genug, oder andersrum?

Er sollte es wissen, schließlich war er von 1961 bis 1978 zeitweise sogar Direktor für Absatz und Materialwirtschaft bei Vulkanfiber, Werder. Natürlich wusste er! Nicht nur, dass ihm seit Ende der Sechzigerjahre die „sozialistische Planwirtschaft“ immer suspekter wurde. Als „Reisekader“ hatte er ja sogar den direkten Vergleich mit dem parasitären, faulenden und sterbenden Kapitalismus, wie man das damals nannte. Und wer vergleichen kann, dem kommen halt die trefflichsten Gedanken, wie eben Gloth.

Natürlich ist Dietrich Hohmann nicht mit seinem Romanhelden identisch, doch welches Buch wäre je ohne „biografischen Hintergrund“ geschrieben worden: Beide arbeiteten zufällig in einer Chemiebude, beide in führender Position, beide reisten nach Schweden, und hatten damit auch die besten Kontakte zu den Planungsbehörden und Parteibeamten in der DDR. Aber gut, es sollte ja Literatur werden, ein Roman.

Man findet den wohlsituierten und wohlangepassten Familienvater Gloth zu Beginn der Handlung gerade beim Check-in. Ein paar Tage Schweden im Februar 1979, weil ein dicker Auftrag durch den Konkurs der skandinavischen Partnerfirma geplatzt ist. Ein Rettungsversuch. Dort trifft er mit seinem Geschäftskollegen Nielsson und dessen exaltierter Frau Margareta zusammen. Er vergleicht „die Systeme“, beschließt, im damaligen „Musterland der westlichen Demokratie“, zu bleiben, aber niemand will ihn aufnehmen. So kehrt er aus dem faulenden, parasitären Kapitalismus ins vermeintlich bessere System zurück, zur Familie, zu VEB Zellaplast, zu seiner „ostdeutschen Karriere“, wie es im Untertitel heißt.

Band zwei wird 1989 anschließen. Das nur als E-Publikation vertriebene Buch ist mit Verstand und Sachkunde, aber auch mit fröhlicher Gelassenheit geschrieben, genau wie bei dem berühmten Estebanillo Gonzales selig. Der Erzählton ist lockeres Präsens, die Haltung leichte Distanz. Im Grunde hat der 1939 in Thüringen geborenen Autor mit Gloth ja eine wichtige Entdeckung gemacht. Er fand bei dem Schwedengeschäft heraus, dass sich Ost und West mehr ähnelten, als Funktionären lieb sein konnte. Beide setzten auf Fortschritt, man betete dieselben Werte an. Dietrich Hohmann formuliert das in einem philosophischem Kopfstand so: Andere Ursachen – gleiche Erscheinungen: Im Osten wurde das System durch Ideologie und Nomenklatur zusammengehalten, im Westen durch das Kapital. Also „mehr Parallelen als Unterschiede, besonders auf der menschlichen Ebene“. Diese Quintessenz wird literarisch serviert.

Ach so, dann war es wohl nichts mit den „unversöhnlichen“ Systemen in Ost und West, da hatte wohl jemand geschwindelt! Und das angebliche „Versagen der Ostdeutschen“? Gloth ist die Frage – Gloth ist die Antwort! Gerold Paul

Dietrich Hohmanns Roman „Gloth - Eine ostdeutsche Karriere“ ist ausschließlich zu beziehen über Internet unter www.epubli.de

Gerold Paul

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