zum Hauptinhalt

KulTOUR: Über die Verhältnisse

Subversiver Zeitchronist: Personalausstellung von Axel Gundrum im Kunstgeschoss Werder

Von Gerold Paul

Werder (Havel) - Nun hat Japans Botschaft doch die schnelle Lösung gewählt. Statt Werders Angebot, die „japanische Kirsche“ ohne Frucht gegen eine deutsche Obstbaum-Spende mit Frucht-Garantie auszutauschen, entschied man sich höheren Ortes ergebnisorientiert: Sekt und Likör auf Fruchtbasis tun es ja auch. Eine nette Episode auf dem erfolgreichen Weg der Werderschen Stadtgalerie, die es innerhalb weniger Tage fertigbrachte, von Nippon auf Westfalen umzuschalten. Nach der Künstlergruppe „A 21 International Art Exhibition Osaka“ also der nahtlose Übergang zu Axel Gundrum, der nach etwa fünfzigjährigem Herumkümmern in und um Osnabrück 2004 endlich sein Exil in Potsdam fand und in Werders Kunst-Geschoss mit einer Personalausstellung nicht nur wahr-, sondern auch ernstgenommen wird.

So er nun seinerseits den Altruismus dieser besonderen Galerie lobt, in Kurator Frank Weber sogar einen Wesensverwandten aus dem Reich der „Neuen Sachlichkeit“ findet, dann ist doch alles paletti, oder?

Alles paletti, wenn es um das doppelbödige Thema „Über die Verhältnisse“ geht. Der Künstler als grollender, schleichend subversiver Chronist dieser brechenden Zeit mit Bildern, welche „das Bild dahinter“ vorerst verbergen oder nur andeuten wollen. Hier wird die betont Sujet-orientierte Deutlichkeit, der leicht abstrahierte Realismus dieses phantastischen Künstlers zur Mausefalle, denn ansichtige Selbsterkenntnis wirkt im inszenierten Straßen-Labyrinth dieser Ausstellung wie ein moralisches Todesurteil: Um Gottes willen, dieses Ölbild „Lose“ mit der kaum verhüllten Hässlichkeit der späten Nackten im Geleit erschrockener Disney-Figuren – dies sollte mit mir zu tun haben? Nimmermehr!

Genau darauf zielt das Lächeln dieses noch immer am Zahn der Zeit löckenden Malers, seine Spielart von Realismus, auf dem er hier retrospektiv beharrt: „Das Geheimnis“ einer Schützengilde im Treppenhaus weist dem Besucher den Weg zu einem Geheimnis, das nirgends wirklich gelüftet wird. Zu ihm selbst!

In den Arrangements manchmal leicht „renaissanceisch“, im Geist eher barock (die Welt als Bühne – darauf der Mensch als Komparse) zelebriert Gundrum seine Figurage mit dem Ingrimm einer fast überzogenen Genauigkeit, teils sind es „Straßenbekanntschaften“, nach der Art seiner Beobachtungen. Er signalisiert Distanz zu dieser Gesellschaft, wenn er den christlichen Missionar auf einen einsamen Eisberg schickt oder den US-Boys schlechte Zeiten prophezeit.

Kurator Frank Weber hat tatsächlich das Kunst-Geschoss in eine Straße verwandelt, in den Fenstern die so ernst-traurigen Porträts in Öl oder Kohle, ein Weihnachtsmarkt, wo diese Jüdin in Grün steht. Düster gleitet ein Wikinger-Nachen mit dem erschrockenen Passagier vorbei. Die Wasserleiche der toten Miss Brandenburg ist da nicht weit, auch nicht die Furcht vor dem „Ende der Vernunft“. Unter den Augen einer Kamera leidet ein Mann seine Qualen wie Jesus – Nahaufnahme über solche Verhältnisse. Hitler und viele andere Clowns als Staffage. Kleinplastiken komplettieren die Retrospektive als „freaks“. Wenn man’s auch nicht immer gleich sieht: Kaum ein Werk ist hier ohne Substanz!

Freilich glaubt Axel Gundrum allen -ismen entronnen, wenn er der Moderne per Text ein „lächerliches Streben nach Endgültigkeit“ nachsagt und wider den „Alleinvertretungsanspruch der Gegenwart“ löckt. Sieht er denn nicht, wie sehr sie in ihm und um ihn herumwuselt und wurzelt?

bis 20. Juni, Donnerstag, Samstag, Sonntag 13 bis 18 Uhr, Uferstraße 10.

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false