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Durchdachte Spontanität: „Farbfinsternis“ von Peter Joseph Weymann.

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KulTOUR: Spontan-Orgasmus eines Frosches

Detlef Denzer und Peter Joseph Weymann: Zwei Künstler und der Sprung ins Reich der Freiheit

Werder (Havel) - Jede Ausstellung ist nicht nur ein Ort des Sehens, sondern auch eine Stätte des Lernens. Das ist im Louvre so, in Omsk, aber auch in der Stadtgalerie zu Werder, wo jetzt die neue Ausstellung „Durchdachte Spontanität“ zu sehen ist. Mag dieser Titel auch nicht gerade erste Sahne sein, so ist es ihr Inhalt zumindest in Teilen, denn Frank Weber hat nach langer Vorbereitungszeit Detlef Denzer und Peter Joseph Weymann zusammengebracht – zwei Künstler mit ganz konträren Sichten und Arbeitsweisen. Da kann man nicht einfach so durchgehen und konsumieren, da muss man mit- und weiterdenken. Und lernen, denn hier geht es nicht um Kleinkram, sondern um das Verhältnis von Freiheit und Ordnung.

Was man bei dem Schönwalder Biologen und Skulpturisten Detlef Denzer alias DEJO lernen kann, steht bei Cartesius: Wer erkennen will, müsse alles zerteilen, zerlegen, zergliedern. Die gesamte Wissenschaft hält sich bis heute daran. DEJO auch. So hat er zum Beispiel eine Orgel auseinandergebaut, um sie als „Orgelfisch“ auferstehen zu lassen. Wurzelwerk aus dem Garten verfremdet er zu klotzigen Evangelisten, aus knorrigen Baumstecken ersteht der Gekreuzigte. Ausgelatschte Schuhe bekommen ein neues Gesicht, herrenlose Munitionskisten mit Federn und Knochen werden zum Museumsschrank, sogar einen Altar für alle Religionen hat er im Repertoire. Es gibt Lanzen und Riesen, manche wollen schier in den Himmel wachsen. Kurz, Detlef Denzer ist Zerteiler, Transformer, Zusammensetzer – und dabei stets noch wissenschaftlicher Art, würde er seinen Sachen denn sonst Erklärzettel dazugeben, damit man ihn ja richtig verstehe? Er sucht also Ordnung, er macht mit den ausgedienten Funden wieder Ordnung – ein Kämpfer wider das Chaos.

Für Peter Joseph Weymann, neben seiner Malerpassion auch noch Schankwirt im „Kuddeldaddeldu“ unten am Wasser, wäre das nichts. Er ist kein kühler Analytiker, er ist Sponti durch und durch. Er fängt einfach an, und es wird. Nicht abstrakt und nicht konkret und trallala – er ist Weymann, der nun wie ein Verrückter in möglichst reinen Farben malen muss. Deshalb leuchtet und strahlt bei ihm auch fast alles.

Gearbeitet hat er eigentlich schon immer, wirklich geschaffen erst seit wenigen Jahren. Frank Weber räumt seinen „frühen Werken“ (um 2008) eine Art Ehrenecke ein. Da sind die schönsten Gebilde in den klarsten Farben mit den poetischsten Titeln wie „Don Quichotte auf der Suche nach kampfwilligen Windmühlen“ und „Schwangeres Seepferdchen nach einer Karussellfahrt“ zu sehen, oder „Spontanorgasmus eines in die Fluten geratenen Frosches“. Unfassbar frei sind diese Bilder, und sie schaffen Freiheit. Es sei versichert, dass der Künstler alles mit großem Ernst und voller Bedeutung malt, diese Wunderwerke an Kunst wollen den Betrachter ja erproben, zur Freiheit verführen, wenigstens innen drin.

Spätere Bilder haben diesen spielerisch leichten, spontanen Zugriff nicht mehr, sie neigen eher – und leider –mehr zur Ordnung, also zum Weltlichen. Toll jedenfalls, seine Gattin Esther zu verewigen, als seine Stütze, als Wirbelsäule.

Diese Ausstellung hat also Dimensionen wie keine zuvor. Zwei Künstler: Der eine hat den Sprung ins Reich der Freiheit noch nicht geschafft, der andere muss sich hüten, diesen Schatz nicht zu verlieren, denn Chaos in der Ordnung ist gerade heute ein viel zu wertvolles Gut.

Bis zum 30. Oktober in der Stadtgalerie, donnerstags, samstags und sonntags jeweils von 13 - 18 Uhr

Gerold Paul

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