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KulTOUR: Geheimnisvoll, vielleicht sogar gruselig

Ausstellung mit Elena Kozlova und Marieken Matschenz in der Galerie Töplitz

Werder (Havel) - Sind es Schatten, sind es Figuren, die da überall in der Galerie Töplitz herumkriechen, mehr oder weniger quaderförmige Podeste erklimmen oder stemmen und dabei ständig irgendwelche Posen einnehmen, weil die Russin Elena Kozlova sie kurzum „Poser“ genannt hat?

Und was ist mit den Mäusen, die mit Menschengestus auf einem weißbetuchten Tisch tanzen, ein Ohr auf dem Rücken tragen, gleich neben dem stolzen Geweihträger, den „Hirsch Heinrich“ inspirierte? Marieken Matschenz ist die zweite junge Künstlerin in der neuen Ausstellung, auch sie Absolventin der großen Kunstschmiede in Leipzig.

Obwohl beide noch gar nicht so lange von dort weg sind, die eine mehr grafisch, die andere mehr von der Malerei her abbildet, verbindet sie doch „etwas Geheimnisvolles, vielleicht Gruseliges“. Damit ist nicht etwa das Kunst-Diplom gemeint, was man nicht an allen hohen Schulen bekommt, eher die innere Schau auf das noch junge äußere Leben, hier mit dem Begriff „Quiet Explosions“ verbunden, also mit den eher stilleren Eruptionen im täglichen Dasein.

Elena Koslova aus der alten Klosterstadt Twer/ Kalinin hat neben ihren Posern, die alles mögliche an Kunst oder Leben (auch sie selbst) ausdrücken können, während ihres Schweden-Aufenthalts eine Serie von eigenartig dunklen Tiefdruck-Grafiken zum Thema „Kein Anruf“ geschaffen. Sie warf die üblichen Telefonbuchseiten nach einem Druckvorgang nicht etwa weg, sondern übertrug per Radiergummi Menschenköpfe darauf, schemenhaft, flüchtig, wie eine Totenmaske, oder lebendig wirkend, nicht sehr zufrieden jedenfalls, weil ein Anruf jedweder Art ja ausbleibt. Die dunklen Passepartouts auf unverputztem Mauergrund der alten Schule verstärken den erwünschten Schwarz-Weiß-Kontrast erheblich. Keine Frage, dass diese nicht Angerufenen zu den „Posern“ aus Draht und getrocknetem Farbacryl gehören.

Marieken Matschenz kommt mehr und viel direkter von der Malerei her. Wenn sie eine fast körperlose Seherin, deren Lächeln an jene arme Mona Lisa erinnert, mit zwei Augenpaaren malt, wirkt das malerisch genauso schlüssig wie „Der stumme Schrei“, eine Liegende mit Augen, die den Tod zu sehen scheinen; der fast schwarzer Hintergrund verweist ganz unauffällig auf die einschlägige historische Schule. Auf anderen Bildern sieht man ihre besondere Technik eher, wenn etwa eine rosa Fläche den Raum diagonal teilt, während unten rechts das Frauenporträt einer früheren Zeit hängt. Man staunt nicht schlecht, dieses Rosa besteht aus Lila, Rot und Blau und ist, wie alle Bilder der Künstlerin, mit Buntstift gemalt, Buntstifte, wie sie nur eine einzige Firma zu liefern versteht.

Das Medaillon hat ein kleines Ding im Ohr, am Ende der Hängung wieder das Ohr, zum Hören, und Gesehenwerden. Eine fahlnackte Maus trägt eines auf ihrem Rücken, wie eine Gen-Mutante. Zuvor vier Bilder im Stil eines Comic: Sie erzählen, wie ein gewisser Herr Hirsch im Wortsinn zwischen die Räder kommt und darüber nicht sonderlich traurig ist. Von Ohr zu Ohr betrachtet man diese geheimnisvolle Hängung übrigens intensiver als im spontanen Suchen. Die „Schrift an der Wand“ wird bei ihr dann von einer Rotte Hornissen gemalt.

Viele Zitate, ein meist bis in die Fahlfarben hinein konstruktivistisches Konzept. Reicht es immer aus, eigene Inhalte wie Kleine Explosionen herüberzubringen? Es ist so sehr viel Ernst darinnen.Eine gute Ausstellung. Gruselig für den, den’s gruseln will.

Vernissage heute um 17 Uhr, An der Havel 68. Öffnungszeiten: Sa–So 14–18 Uhr, Mo–Fr 16–18 Uhr, nur bis 6. September

Gerold Paul

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