zum Hauptinhalt

KulTOUR: Anmut – keine Eigenschaft der Männer

Im Kunstgeschoss Werder kommen die Frauen zu Wort und zu Bild

Von Gerold Paul

Werder (Havel) - Es hat etwas, dem jährlichen Rufen von „Kulturland Brandenburg“ zu folgen, ein vorgegebenes Thema möglichst gut und voller Reife darzustellen: Wer Glück hat, bekommt dafür sogar ein wenig des eingesetzten Werts zurück. Genauso viel hätte es, den sirenenhaften Singsang des Brandenburgischen Großveranstalters zu ignorieren, aber wer traut denn heute noch dem alten Exempel vom gebundenen Odysseus am Schiffsmast, Wachs in den Ohren, die todbringenden Schönen vor Augen?

Und so geht das ganze Land mal wieder im kulturpolitischen Gleichschritt, diesmal in Sachen „Frauen in Brandenburg-Preußen“, dem feminin-feministischen Jahresthema 2010. Auch Caputh und Werder sind mit dabei. Das bewährte Kuratorenduo Krystina Kauffmann und Frank Weber hatte dafür das Ausstellungs-Triptychon „Zeitsprung“ entworfen. Die Anmut (Fotografien von Monika Schulz-Fieguth) wurde Schloss Caputh überlassen, Leidenschaft (Fotos von Lisa Krause) gibt es im Heimathaus gleich nebenan.

Wer die unmittelbare Gegenwart zu sehen wünscht, muss die Werderaner Stadtgalerie aufsuchen – Frank Weber, auch Maler und Konzeptkünstler, hat sie, nicht immer nachvollziehbar, „Mut“ genannt. Logisch, dass er die Frauen im „Kunst-Geschoss“ selbst zu Wort und zu Bild kommen lassen wollte. Dies geschieht unterm Dach auf ganz unterschiedliche Art. Gitta Nickel etwa stellt im Rahmenprogramm eigene Porträtfilme über berühmte oder nicht berühmte Frauen vor, der Lette Verein Berlin zeigt nicht nur einige merkwürdig akademische Fotos, sondern auch schwer futuristisches Modedesign, gedacht als Pendant zu den zerfallenen Kleidern Luises in Petzow. Aber solche Plünnen zieht sowieso niemand an. Trotzdem werden Besucherinnen ganz exklusiv ermuntert, „Mut zum Ich“ walten zu lassen, indem man Selbstporträts per Selbstauslöser macht, welche dann digital auf einem Monitor erscheinen: So wird Frau Besucher selbst zu einem Ausstellungs-Teil. Frank Weber nennt sich ja nicht umsonst Objektkünstler.

Der größte Teil dieser eher stillen Exposition zeigt Fotos mit mehr oder weniger spürbarem „Kunstwert“ in Schwarz oder Farbe, spontan oder gestellt. Die Fachhochschule Potsdam etwa wird von Lina Ruske und Szilvia Sztankovits vertreten, während die erste unter anderem ein ganz unspektakuläres Foto-Tagebuch präsentiert, spielt die andere mit dem Zuschauer Versteck: Sie zeigt sich immer nur andeutungsweise und sukzessive hinter dem Innen-Rollo der Fensterbank. Dorothea Scholz-Janicke fotografierte Johanna Wanka so, wie sich Frau Ministerin bestimmt auch selber gerne sieht; sozial engagiert die Serie „Polonia“ von Marie Galinsky. Auch Monika Schulz-Fieguth ist wieder vertreten, zwei Töchter mit leichter Körnung in der Mitte, umrahmt von zwei etwas zu Schönen älteren Datums, nicht uninteressant!

Julia Otto zeigt ein paar sehr schönbunte Porträts von Anette und Delia, Sabine sogar mitten im Korn. Und vieles andere mehr. Wer sich in diese Frauenbilderwelt hineinkontempliert, kann sicherlich weitaus mehr entdecken, Ansichtssache. Gitta Nickels Leitspruch zum Thema passt zur Ausstellung so gut wie eine Notiz im Gästebuch: Nickel: „Anmut ist schön, bewundernswert, aber selten. Keine Eigenschaft der Männer." Und meint dann, Frauen würden „Anmut“ sogar leben.

Kunst-Geschoss Werder bis 3. Oktober Do., Sa. und So. 15-18 Uhr

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false