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Kleinmachnow: Scherben, die Geschichte erzählen

Am Bauplatz für das Kirchengemeindezentrum wurden Archäologen fündig: Der Alte Dorfkern war schon vor 2500 Jahren besiedelt.

Kleinmachnow - Auf den ersten Blick sind es drei simple Scherben, die Matthias Pytlik da am Freitagvormittag in der Hand hält. Doch die unscheinbaren Artefakte präsentieren drei Zeitalter Kleinmachnower Ortsgeschichte. Die älteste, gestern überraschend gefundene Tonscherbe belegt sogar, dass im alten Dorfkern schon vor 2500 Jahren Menschen lebten. Und das ist für den Archäologen des Grabungsbüros ABD Dressler Berlin eine durchaus neue Erkenntnis.

Er und seine Kollegen sind damit beauftragt, am Bauplatz des neuen Evangelischen Gemeindezentrums nach Spuren der Vergangenheit zu schaben. Das Suchfeld ist flankiert von der 1597 errichteten Dorfkirche auf der einen und der Bäkemühle auf der anderen Seite. Dazwischen tobte das dörfliche Leben, zumindest seit Anfang des 15. Jahrhunderts das Adelsgeschlecht derer von Hake die Dorfanlage übernahm. Doch wie es hier damals und auch wie es davor ausgesehen hat, darüber sei wenig dokumentiert, sagt Pytlik.

Das könnte sich mit den aktuellen Grabungen ändern. „Überall, wo wir hingehen, gibt es hochmittelalterliche Spuren.“ Auch Wagenspuren und Erdstrukturen unter späteren Feldsteingründungen, die an Hüttengrundrisse erinnern, könnten darauf hinweisen, dass es sich nicht erst seit den Hakes um einen bedeutenden Siedlungskern gehandelt haben könnte. Ein Kollege Pytliks erfasst jedes Detail der Bodenstruktur, jeden Feld- und Ziegelstein, jede Fundstelle mit Buntstift auf Papier. Die Feinheiten ließen sich fotografisch gar nicht erfassen, und auch Legenden mit näheren Erläuterungen könnten bei der späteren Reproduktion des Dagewesenen hilfreich sein.

Eine ganze Anzahl von Keramikscherben sei gefunden worden, die sich in Struktur und Aufbau eindeutig dem 13. Jahrhundert zuordnen ließen, erzählt Pytlik. Das wäre weit vor der ersten urkundlichen Erwähnung „Parva Machenows“ im Jahr 1375 im Landbuch Karls IV. In zwei Gruben, offenbar Abfalllöcher, gibt es auch neuere Funde: gut 100 Jahre alte Messingleuchter, Bier- und Likörflaschen sowie kaputte englische Keramik, die die wohlhabenden Besitzer – mangels Müllabfuhr – in Erdlöchern vergraben ließen.

Für besonders bemerkenswert hält Pytlik allerdings die gestern Morgen gefundene Kochtopfscherbe, in deren grober Struktur der Fachmann einen Herstellungszeitraum aus vorchristlicher Zeit erkennen kann. Beim Füllen mit Wasser hat sich der Ton seinerzeit noch vollgesogen und wurde feucht, was spätere, verfeinerte Brenntechniken verhinderten. „Diese Scherbe ist 2000 bis 2500 Jahre alt“, sagt Pytlik. Ein neuer Beleg, dass an den Vermutungen einer eisenzeitlichen Besiedlung des Kleinmachnower Weinbergs und seiner Umgebung vielleicht etwas dran sein könnte.

Solche vorgeschichtlichen Funde wurden bislang selten, meist zufällig im Ort gemacht, sagt Axel Mueller vom Heimatverein: Vielleicht ein halbes Dutzend Fundorte seien im Gemeindegebiet, unter anderem an der Baustelle des Teltowkanals, dokumentiert. „Wenn es hier nicht die Pläne für den Neubau eines Gemeindehauses der evangelischen Kirche gegeben hätte, dann gäbe es auch nichts neu zu erforschen“, sagt Mueller. Nur so wurden schließlich auch die Grundmauern der Alten Hakeburg freigelegt, als es vor einiger Zeit Pläne für einen Weinkeller neben der Bäkemühle gegeben hatte, die dann allerdings nicht umgesetzt wurden.

Was hat es mit dem neuen Kirchengemeindehaus auf sich? Das alte Gemeindehaus, die Auferstehungskirche im Jägerstieg, ist der wachsenden Kleinmachnower Gemeinde zu klein geworden, um den Bauplatz wurde lange gerungen. Die Gesamtkosten von 3,5 Millionen Euro sind auch durch die happigen Kosten für archäologische Grabungen zustande gekommen, für die die Kirche allein rund 250 000 Euro aufzubringen hat. Im Sommer sollen die Bauarbeiten beginnen, das Team von ABD Dressler, das seit Ende April hier unterwegs tätig ist, hat noch zwei Wochen Zeit zum Buddeln und Pinseln. Dann muss das Baufeld von allen Artefakten geräumt werden.

Die genaue Dokumentation ist entscheidend, um später Schlussfolgerungen ziehen zu können, was hier wo und zu welchen nebligen Vorzeiten gestanden hat. Bildlich dokumentiert wurde das Hake’sche Rittergut erstmals im 18. Jahrhundert. Für die Zeit davor haben Leute wie Matthias Pytlik und seine Kollegen vom Archäologischen Landesmuseum die Deutungshoheit. Womöglich seien die aktuellen Funde keine Weltsensation, sagt Pytlik. „Für Kleinmachnow sind sie allerdings sehr bedeutend.“ Zunehmend werde sichtbar, wo die Besiedlung wohl schon in vorchristlicher Zeit ihren Anfang genommen haben könnte.

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