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Potsdam-Mittelmark: Initiativen suchen gemeinsamen Kurs

Seddiner See verabschiedet Resolution gegen Flugrouten. Die Debatte mit den Nachbarn am Schwielowsee wird mit Bedacht geführt

Potsdam-Mittelmark - Nach langem Stillhalten hat sich jetzt auch Seddiner See in die Flugrouten-Debatte eingeschaltet. Auf ihrer Sitzung am Dienstagabend verabschiedete die Gemeindevertretung mehrheitlich eine Resolution mit verschiedenen Forderungen an die Deutsche Flugsicherung. Der Antrag dazu kam aus der SPD-Fraktion. Neben einem strikten Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr am künftigen Flughafen BER in Schönefeld ist darin auch von einem eigenen Sitz in der Fluglärmkommission die Rede. Als ein weiteres Ziel wurde die engere Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden formuliert. Wie berichtet wird zurzeit eine gemeinsame Stellungnahme von Seddiner See und Michendorf vorbereitet. Schließlich müsse aber auch ein Bündnis aller Städte und Gemeinden in der Region nach Berliner Vorbild zustande kommen, um wirksam zu protestieren, hieß es am Dienstagabend.

Allerdings ist es gerade die Routenfrage, die im Detail die Kommunen spaltet. Erst am Montag hatte die Deutsche Flugsicherung eine Änderung der Abflugroute „West I“ über dem Seddiner See in Aussicht gestellt (PNN berichteten). Demnach soll die Strecke, auf der bei Westwind bis zu 133 Abflüge pro Tag erwartet werden, anderthalb Kilometer nach Norden verschoben werden, direkt über die A 10.

Die Wildenbrucher Bürgerinitiative „Zum Seddiner See“ hat diese Entscheidung nun als ihren Erfolg verbucht. Über das Internet seien gut 600 Protestschreiben von Unterstützern per E-mail an die DFS geschickt worden, „und offenbar hat das gewirkt“, sagte Initiativensprecher Peter Ries. Der Juraprofessor erläuterte die Ziele seiner Initiative, die sich erst vor wenigen Wochen gegründet hatte, am Dienstagabend der Gemeindevertretung und rief die Seddiner auf, sich am Protest zu beteiligen.

Der Interessengemeinschaft, der sich neben dem Wildenbrucher Gasthof „Zur Linde“ auch der Golf- und Country-Club Seddiner See angeschlossen haben, geht es in erster Linie um den Schutz der Michendorfer und Seddiner Ortsteile südlich der A 10 sowie des Naturparks Nuthe-Nieplitz. Zwar wäre der Ortsteil Neuseddin durch die Verlegung der Abflugroute wieder stärker betroffen, „insgesamt ist ein Überflug über die Autobahn aber sinnvoller, weil es hier ohnehin lauter ist“, so Ries. Unterm Strich würden statt 6000 Einwohner höchstens 3000 den Fluglärm unmittelbar zu spüren bekommen, so seine Einschätzung.

Die Bürgerinitiative „Fluglärmfreie Havelseen“, die Werder (Havel), Schwielowsee, Nuthetal und Michendorf vertritt, hat gestern jedoch davor gewarnt, Flugrouten wieder nach Norden zu verschieben. „So wird für die DFS der Spielraum größer“, erklärte Sprecher Peter Kreilinger. Er sehe die Gefahr, dass Flugzeuge vom BER aus in westliche Richtung ab Ludwigsfelde einfach geradeaus fliegen werden. Darunter würden dann Orte wie Saarmund, Wilhelmshorst und Caputh besonders stark leiden. Kreilinger widersprach der Einschätzung, dass durch die Routenverschiebung weniger Menschen vom Fluglärm betroffen sein werden, das Gegenteil sei der Fall. „Wir haben immer gesagt, dass die A10 der Rubikon sein muss, den man nicht überschreiten darf.“ Die Abflüge sollten vielmehr so weit südlich wie möglich entlang geführt werden, forderte er.

Die Routen-Debatte zwischen den Bürgerinitiativen wird mit Bedacht geführt – man will sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. „Wir müssen das Einigende stärker betonen“, mahnte Peter Kreilinger deshalb. Und dazu gehöre neben dem Nachtflugverbot auch der Widerstand gegen die niedrigen Flughöhen. Den Ortsteilen von Seddiner See und Michendorf würden zum Beispiel Überflüge in Höhe von 1500 Metern drohen, prognostizierte sein Wildenbrucher „Amtskollege“ Peter Ries. Beide Initiativen fordern deshalb steilere Ab- und Anflüge, auch wenn dies für die Fluglotsen mehr Arbeit bedeuten würde. „Es ist technisch möglich, die Region in 3000 Metern zu überfliegen“, erklärte Peter Ries am Dienstagabend. Eine weitere Forderung beider Initiativen: Keine Doppelbelastung aus An- und Abflügen auf gleichen Strecken.

Auch in der Gemeinde Michendorf, in der sich die Interessensphären treffen, werden Gemeinsamkeiten betont. Die Zusammenarbeit mit den Seddinern bedeute kein Ende der Arbeit unter dem Dach der Havelseen-Initiative, wie der designierte Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) gestern unterstrich. „Viele unserer Einwohner arbeiten mit großen Einsatz in der Bürgerinitiative mit. Dieses gemeinsame Engagement soll auch zukünftig fortgesetzt werden“, so Mirbach weiter. Es sei aber auch wichtig, den Kontakt zu den südlichen Nachbarn Beelitz und Seddiner See zu suchen und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.

„Fakt ist: Die Flugzeuge werden dalang fliegen, wo der Widerstand am geringsten ist“, sagte der Seddiner Gemeindevertreter Werner Ruhnke (SPD) am Dienstagabend und erntete Zustimmung aus dem Publikum. Die Region habe eine schwerwiegende politische Fehlentscheidung auszubaden, nämlich den Bau des Flughafens in Schönefeld – statt, wie 1996 noch erörtert, in Sperenberg. Viele in der Gemeinde seien sich noch gar nicht bewusst, was auf sie zukomme. „Fahren sie nach Tegel und hören sie es sich an – so wird es uns irgendwann treffen“, mahnte Ruhnke.

Und tatsächlich war längst nicht jeder Seddiner Abgeordnete am Dienstagabend auf Fluglärm-Protest eingestellt: Vier Gemeindevertreter enthielten sich der Abstimmung über die Resolution. „Irgendwo müssen die ja langfliegen“, bemerkte einer von ihnen nüchtern.

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