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Neue Wege in Teltow. Tatjana Busch (l.) und Elisabeth Stieger haben den Schinkel-Wettbewerb mit ihrem Entwurf für die Neuplanung rund um den Ruhlsdorfer Platz gewonnen. Autofahrer sollen auf einer neuen Brücke um den Platz herumgeleitet werden (u.r.). Dadurch entsteht Freifläche für Radfahrer und Fußgänger auf einer Achse zur Knesebeck-Brücke (o.).

© Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin

Potsdam-Mittelmark: Häuser gehen auf Reisen

Autofreier Ruhlsdorfer Platz: Im 161. Schinkel-Wettbewerb waren Ideen für Teltower Region gefragt

Teltow - Als für den Bau des Sony Centers in den 1990er-Jahren am Potsdamer Platz in Berlin der alte Kaisersaal vom einstigen Hotel Esplanade um etwa 70 Meter verschoben wurde, galt das noch als eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Doch mit einer Distanz von weniger als 100 Metern gibt sich die Konstanzer Architekturstudentin Amelie Fehrenbach bei ihrem Teltower Projekt nicht zufrieden. Für den 161. Schinkel-Wettbewerb des Berliner Architekten- und Ingenieur-Vereins (AIV), in dem Visionen für die Region Teltow und das am Teltowkanal angrenzende Berliner Gebiet gefragt waren, hat die 24-Jährige einen außergewöhnlichen Vorschlag eingereicht. Mit Fehrenbachs Idee könnte aus der Rübchenstadt eine Weltmetropole werden.

Ihr Vorschlag: Verschiedene Gebäude des einstigen Ackerbürgerstädtchens werden in weltbekannte Städte wie London, Florenz oder Paris transportiert. Am Zielort angekommen, würde man die Häuser jeweils in eine vorhandene Baulücke setzen. Nach einer gewissen Zeit gingen die Bauten dann retour in die Mark. Während des Auslandsaufenthalts würden die Gebäude, so Fehrenbachs Kalkül, den Charme und die Atmosphäre der Gastmetropolen in sich aufnehmen. Eben jenes weltstädtische Flair könnten die Häuser abstrahlen, wenn sie in ihre angestammten Teltower Straßen zurückgekehrt sind.

Fehrenbach errang mit ihrer Idee im Schinkel-Wettbewerb den von der „Hans und Charlotte Krull Stiftung“ vergebenen Sonderpreis. Die von der Architekturstudentin eingereichte Arbeit, so heißt es in einer vom AIV herausgegebenen Broschüre, beinhalte „viele Anspielungen und Verweise auf gängige Ausschreibungsklischees, die aber durch die ironische Pointe gebrochen werden“. In spitzfindiger Weise habe Fehrenbach Stereotypen hinterfragt. Die Konstanzer Masterstudentin selbst spricht davon, dass ihre Arbeit zum Querdenken anregen solle. „Es gibt tatsächlich viel Potenzial in Teltow“, sagt die 24-Jährige. Zugleich erkennt sie einen gewissen Mangel an urbaner Attraktivität, den es zu beheben gelte.

Diesem Ziel der städteplanerischen Qualitätsverbesserung in Teltow verpflichtet ist auch der Siegerentwurf des diesjährigen Schinkel-Wettbewerbs. Die beiden Preisträgerinnen setzen dabei im Gegensatz zu Fehrenbach auf herkömmliche Mittel der Stadtplanung. Tatjana Busch und Elisabeth Stieger haben mit ihrem Siegerentwurf einen Vorschlag eingereicht, der eine grundlegende Umgestaltung der Gegend rund um den Ruhlsdorfer Platz in Teltow bis hin zur Knesebeckbrücke vorsieht. Die Zehlendorfer Straße würde ein völlig neues Gewand erhalten und sich in eine Fläche für Fußgänger und Radfahrer verwandeln. Auf einem langgestreckten Dreieck entlang des heutigen Straßenzuges zwischen dem Ruhlsdorfer Platz und dem Zeppelinufer könnten Menschen auf Bänken unter Bäumen sitzen. Am Rand der Anlage würde eine Fahrradroute verlaufen. Auch der Ruhlsdorfer Platz wäre dann ein Ort, auf dem nicht mehr der motorisierte Verkehr in allen Richtungen rauscht. Die Autos würden nur noch am Rand des Platzes entlangfahren. Die Idee dahinter: „Der Raum öffnet sich und es entsteht ein Platz als Begegnungsort“, erklärt die 26-jährige Elisabeth Stieger.

Um den Entwurf von Stieger und der 28-jährigen Tatjana Busch umzusetzen – beide sind Masterstudenten im Fach Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität Berlin – müssten allerdings einige Häuser an der Zehlendorfer Straße abgerissen werden. Das Freiraumkonzept mit großen Flächen für Fußgänger und Radfahrer sehen Busch und Stieger in ihrem Entwurf auch für das Berliner Gebiet nördlich der Knesebeckbrücke vor. Schließlich war es eine der Aufgabenstellungen im Wettbewerb, für die Nahtstelle zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg am Teltowkanal eine Vision zu entwickeln. Der planerische Ansatz von Stieger und Busch hat die Jury nun so überzeugt, dass sie die Arbeit mit dem mit 3000 Euro dotierten Hauptpreis prämiert hat. „Die Arbeit hat es geschafft, am besten die unterschiedlichen planerischen und räumlichen Aspekte zu verbinden“, begründete Cyrus Zahiri, Sprecher der Fachsparte Städtebau beim AIV, am Samstag die Jury-Entscheidung . Von den 109 eingereichten Arbeiten wurden 11 Entwürfe ausgezeichnet. Der Schinkel-Wettbewerb richtet sich an junge Architekten, Ingenieure und Künstler. Auch Studenten können mitmachen. Die Teilnehmer dürfen nicht älter als 35 Jahre sein.

Wer sich bei der Arbeit von Stieger und Busch nun fragt, wo der Autoverkehr zwischen dem Ruhlsdorfer Platz und der Knesebeckbrücke künftig bleiben soll, für den haben die beiden Studentinnen ein Konzept parat: Der Entwurf sieht vor, in Verlängerung der Berliner Wupperstraße eine Brücke über den Teltowkanal zu bauen. Der Verkehr könnte dann auf dieser neu geschaffenen Nord-Süd-Achse zwischen dem S-Bahnhof Teltow und dem Berliner Süden fließen. Ein weiterer Vorteil: Auf dem großen Gebiet östlich des Ruhlsdorfer Platzes bis hin zur neu zu schaffenden Nord-Süd-Achse könnte ein Wohngebiet entwickelt werden. Die drei Kreisverkehre an der Schönower Straße würden entfallen.

Die Preisträgerentwürfe sind bis zum 24. März im Foyer der Berliner Universität der Künste, Hardenbergstraße 33, zu sehen.

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