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Lokalpolitik für BND-Mitarbeiter? Der Bundesnachrichtendienst, hier der Nordteil der Berliner Zentrale, erlaubt das.

© dpa

Gemeindevertretung Seddiner See: Geheimdienst im Gemeinderat

Bürgermeister Axel Zinke will eine BND-Mitarbeiterin aus der Gemeindevertretung Seddiner See drängen. Die ist verärgert über die Bekanntgabe ihres Arbeitgebers und sieht sich als Opfer einer Kampagne.

Von Enrico Bellin

Seddiner See - Ist ein Schlapphut in der Gemeindevertretung ein Problem? Darf ein Bürgermeister seine Rathausmitarbeiter informieren, dass eine Gemeindevertreterin beim Bundesnachrichtendienst tätig ist? Darf er drohen, Informationen darüber öffentlich zu machen? Die Antwort auf diese Fragen könnte den Bürgermeister von Seddiner See, Axel Zinke (parteilos), noch in Bedrängnis bringen. Zinke hat seine Verwaltungsmitarbeiter und auch den Landrat darüber in Kenntnis gesetzt, dass Gemeindevertreterin Carina Simmes (BVB/Freie Wähler) beim Auslandsgeheimdienst tätig ist – womöglich, um eine unliebsame Gemeindevertreterin loszuwerden. Die sieht ihre Persönlichkeitsrechte massiv verletzt.

Simmes spricht von einer Kampagne und schildert den Ablauf der Ereignisse so: „Bürgermeister Axel Zinke lud mich vergangene Woche zu einem privaten Gespräch, wo er mir darlegte, dass er weiß wo ich arbeite.“ Er habe gesagt, dass seine Verwaltung und der Landrat darüber informiert seien. Zinke habe erklärt, sie müsse nun die Ämter niederlegen, sonst würde er ihren Arbeitgeber öffentlich machen, so Simmes gegenüber den PNN.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit

Dem widersprach Axel Zinke auf Anfrage: „Ich habe lediglich gesagt, dass ich nur die Möglichkeiten sehe, sich zum Arbeitgeber zu bekennen oder die Ämter niederzulegen.“ Er starte keine Kampagne, habe nicht mit Öffentlichkeit gedroht. Aber Gerüchte gingen wie ein Lauffeuer durch die Gemeinde. Zinke zufolge hat Simmes beim gemeinsamen Gespräch bestätigt, dass sie und auch ihr Mann, der für die Freien Wähler im Neuseddiner Ortsbeirat sitzt, beim BND arbeiten. Die Seddiner hätten die beiden im Mai 2014 nicht gewählt, wenn sie den Arbeitgeber gekannt hätten, meint der Bürgermeister zu wissen. „Für mich ist Frau Simmes nicht mehr so gläsern und glaubwürdig, wie ein Gemeindevertreter sein muss.“ Er gehe davon aus, dass sich Simmes zurückziehe.

Simmes dagegen sieht keinen Konflikt. „Die Menschen haben mich als Person gewählt, und ich habe immer wahrheitsgemäße Angaben zu meiner Tätigkeit gemacht.“ Sie unterstrich, sie sei Diplomverwaltungswirtin und habe dies vor der Kommunalwahl auch angegeben, mehr wollte sie dazu öffentlich nicht sagen. Die Verwaltung hätte ihren Arbeitgeber aus Datenschutzgründen niemals nennen dürfen. Sie habe den Arbeitgeber zwar für einen Kitaantrag nennen müssen, nicht aber für die Kommunalwahl. Sie werde sich zudem auf der nächsten Gemeindevertretersitzung am 28. April ausführlich erklären.

Auch er sei Diplomverwaltungswirt, kontert Bürgermeister Zinke, die Ausbildung für den Auslandsgeheimdienst weiche jedoch erheblich von den Tätigkeiten ab, die in einer normalen Verwaltung anfielen. Im Studienprofil zum Diplomverwaltungswirt des Dienstes ist – logisch – auch von der „Beschaffung von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln und Methoden“ die Rede.

Nur Beruf, nicht Arbeitgeber ist zu nennen

Fakt ist, dass Simmes für die Kommunalwahl ihren Arbeitgeber tatsächlich nicht angeben musste, sondern eben nur ihren Beruf, wie das Büro des Landeswahlleiters bestätigte. Laut Angelika Behrend von der Landeswahlleitung müssen Bewerber für eine Gemeindevertretung ihren Arbeitgeber nicht nennen. „Bewerber müssen nur den Beruf oder die aktuelle Tätigkeit angeben, was mit der Bezeichnung als Diplomverwaltungswirtin getan ist“, so Behrend auf Anfrage.

Auch bestehe bei Carina Simmes keine Unvereinbarkeit von Amt und Mandat, wie es Bürgermeister Zinke suggeriert. „Mitarbeiter von Bundesbehörden dürfen selbstverständlich Gemeindevertreter werden“, so Behrend. Nur Mitarbeiter der Rathäuser dürften nicht für die Gemeindevertretung kandidieren. Auch der BND erlaubt seinen Mitarbeitern, sich lokalpolitisch zu betätigen, wollte sich gegenüber den PNN aber nicht dazu äußern, inwieweit sie über ihren Arbeitgeber sprechen dürfen.

Phantombehörde als Arbeitgeber genannt

Das Rathaus räumte ein, von der Arbeitsstätte von Carina Simmes auch nicht durch die Wahl erfahren zu haben: Simmes habe lange vor der Wahl in einem Antrag auf einen Kita-Platz für ihr Kind als Arbeitgeber das „Amt für Schadensabwicklung“ angegeben. Dabei handelte es sich um eine Phantombehörde, eine getarnte Außenstelle des BND.

Dass BND-Mitarbeiter mit solchen Angaben in Bedrängnis geraten könnten, war abzusehen: Vor einem Dreivierteljahr hatte der BND-Präsident Gerhard Schindler diese und andere Phantomämter – nach Zeitungsberichten zum Unmut einiger Mitarbeiter – in einer „Transparenzoffensive“ abgeschafft. Und damit auch die Tarnung für deren Mitarbeiter.

In der Gemeindevertretersitzung am Dienstagabend war man noch davon ausgegangen, dass Simmes ihren Arbeitgeber unrechtmäßig verheimlicht hat. Mathias Frey (Linke) kritisierte, dass Simmes zur Wahl nur eine „Beamtentätigkeit“ angegeben hat. Es kursierten Gerüchte, die richtiggestellt werden müssten. Auch die PNN hatten unmittelbar vor der Sitzung davon erfahren. Offenbar war fest mit einem Rücktritt gerechnet worden.

Unabhängige Wählergruppe gilt als umtriebig

Carina Simmes war bei der Kommunalwahl für die Unabhängige Wählergruppe angetreten, die sich später den BVB/Freien Wählern anschloss. Von knapp 4500 abgegebenen Stimmen erhielt sie 114. Die dreiköpfige Fraktion gilt als umtriebig, kritisierte in der Vergangenheit mehrfach heftig die Verwaltung, etwa zum Thema Altanschließer. Zuletzt beschwerte sich Simmes, dass der Bürgermeister Lehrer der Grundschule nicht über die geplante Unterbringung von Kita-Kindern im Schulhaus informierte.

Beim Landesdatenschutzbeauftragten wollte man den Fall auf PNN-Anfrage nicht abschließend bewerten. „Sollte die Gemeindevertreterin dies wünschen, gehen wir der Angelegenheit selbstverständlich gerne nach“, sagte Behördenmitarbeiter Sven Müller. So viel verriet er bereits: Daten dürfen von Behörden ausschließlich für den Zweck genutzt werden, für den sie erhoben wurden. Der Datenaustausch zwischen öffentlichen Stellen sei nur zulässig, wenn es zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist, Angaben zum Beschäftigungsverhältnis fielen darunter. „Das gilt sowohl für die Übermittlung zwischen den Fachbereichen einer Gemeindeverwaltung als auch zwischen der Gemeinde und dem Landkreis.“ Insbesondere die Gründe, warum die Zweckbindung in Seddiner See durch Bürgermeister Zinke ausnahmsweise durchbrochen wurde, seien zu hinterfragen – wenn es die Betroffene wünsche. (mit hkx)

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