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Sieht die Anwohner bewusst getäuscht: Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) unterstützt den Protest der Fluglärmgegner, immer wieder gab es in den vergangenen zwei Jahren auch Demonstrationen auf dem Rathausmarkt.

© Thilo Rückeis

FLUGHAFEN BER: Über Kleinmachnow abgeknickt

Ab Dienstag verhandelt das Bundes-Verwaltungsgericht über die Klagen der Gemeinde

Kleinmachnow/ Leipzig - Es geht ums Grundsätzliche: Ab dem morgigen Dienstag verhandelt das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig das Verfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss zum neuen Hauptstadtflughafen BER. Die Kläger – die Gemeinde Kleinmachnow, die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Gewog und mehrere Anwohner – wollen dabei nicht weniger als das Verfahren anfechten, mit dem die Genehmigung zum Flughafenbau 2004 abgeschlossen wurde (PNN berichteten). Schon damals hatten Tausende Gegner beim BVG Klage eingereicht, nicht allerdings die Kleinmachnower. Denn damals war offiziell noch von geraden Abflugrouten die Rede, die aber hätten die Kommunen in der Region Teltow nicht betroffen. Deswegen wurden die Bürger dort auch nicht am Auslegungverfahren beteiligt – zu unrecht, wie die Kläger jetzt vor Gericht nachweisen wollen. Sie seien bereits damals vorsätzlich über den Verlauf der wahren Routen getäuscht worden und hätten demnach am Verfahren beteiligt werden müssen.

Erst im September 2010 war bekannt geworden, dass die Deutsche Flugsicherung (DFS) gerade Routen bei den gewünschten Parallelstarts nicht für umsetzbar hält. Bei den nun Betroffenen löste das heftige Proteste aus, die bis heute andauern. Auch in Kleinmachnow bildete sich eine Bürgerinitiative – auf deren Recherche sich jetzt ein wichtiger Beweis im Verfahren stützt: Ein Gesprächsprotokoll der Projektplanungsgesellschaft (PPG) von 1998, das den PNN vorliegt. Demnach hatte die DFS das brandenburgische Verkehrsministerium und somit auch die Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH schon damals darüber informiert, dass ein Flughafenbetrieb mit geraden Abflügen nicht funktionieren würde. In dem Dokument findet sich auch ein Hinweis auf den Brief, den der damalige Flughafenchef Götz Herberg an das Bundesverkehrsministerium schrieb. Darin bittet er, „Einfluss auf die Deutsche Flugsicherung zu nehmen“, um vorläufig bei den bisherigen Routen bleiben zu können. Sonst wären neue Gutachten erforderlich gewesen, warnt Herberg. „Wäre die Routenplanung damals bekannt gewesen, dann wäre der umstrittene, von der Politik durchgesetzte Standort Schönefeld nicht durchsetzbar gewesen“, so der Kläger-Anwalt Philipp Heinz. Flughafensprecher Ralf Kunkel weist den Vorwurf der Vertuschung nach wie vor zurück.

Welche Konsequenzen es hätte, wenn die Planfeststellung zu dem Großprojekt für ungültig erklärt würde, ist indes kaum vorstellbar. Die Kosten für das Projekt sind zuletzt durch die verzögerte Eröffnung und den mangelhaften Schallschutz um gut eine Milliarde Euro gestiegen. Kippt das BVG den Planfeststellungsbeschluss, würde die Inbetriebnahme gestoppt und das Verfahren erneut durchgeführt. Genau das aber fordern die Kläger, auch Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) setzt auf den Aktenfund: „Das Protokoll bestätigt in meinen Augen, dass unsere Gemeinde bei der Beteiligung vorsätzlich aus dem Spiel gelassen wurde.“ Ob das BVG tatsächlich den Mut habe, den Planfeststellungsbeschluss zu kippen, werde man abwarten müssen. Wenn man eins und eins zusammenzähle, könne man nur davon ausgehen, dass die Flughafen-Planungsgesellschaft und das brandenburgische Verkehrsministerium zwar bereits 1998 wussten, dass die geraden Routen nicht funktionieren würden, die abknickenden aber im Vorfeld für viel Widerstand gesorgt hätte. Dass die lokale Bürgerinitiative seit Tagen die Akten des Flughafen-Archivs sichte, sei ein enormes Engagement, so Grubert,

Einer, der sich Seite für Seite durch die 2200 Ordner wühlt, ist der Sprecher der Kleinmachnower Initiative gegen Fluglärm, Michael Lippoldt. Alleine den Zugang zum Archiv zu bekommen, erwies sich als schwierig: Die Flughafengesellschaft hatte die Akteneinsicht bis zur letzten Sekunde hinausgezögert. Immer wieder hieß es, man habe noch zu wenig Zeit gehabt, erfolgreich nach den Akten zu suchen. Die Bürgerinitiative, ebenfalls vertreten durch den Berliner Rechtsanwalt Philipp Heinz, beantragte schließlich die Zwangsvollstreckung. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte der Initiative zuvor das Recht auf Akteneinsicht zugesprochen, der Flughafengesellschaft drohte damit ein Zwangsgeld von 10 000 Euro. Die Summe ist das gesetzliche Maximum für solche Fälle. Erst kurz vor Ablauf der Frist wurden den Kleinmachnowern dann tatsächlich alle Akten zur Verfügung gestellt.

Doch die Ausbeute blieb trotz aller Bemühungen dürftig: Nach dem ersten Glücksfund, dem Protokoll der Projektplanungsgesellschaft (PPG), sucht Lippoldt inzwischen vergeblich nach weiteren Beweisen für eine vorsätzliche Täuschung der betroffenen Gemeinden. Konkret geht es ihm dabei um die Korrespondenz zwischen PPG, DFS und dem brandenburgischen Verkehrsministerium aus den Jahren 1995 bis 1999. „Die Flughafengesellschaft behauptet aber, dass es dazu keine weiteren Unterlagen mehr gibt“, so Lippoldt. Grund dafür seien die abgelaufenen Aufbewahrungsfristen. Dazu wolle die Flughafengesellschaft auch eine eidesstattliche Erklärung abgeben. Lippoldt vermutet jedoch, dass relevante Akten sorgfältig aussortiert wurden. Letztlich sei das bereits vorliegende Protokoll aber der entscheidende Beweis, so Lippoldt.

Neben den Kleinmachnowern wollen außerdem Anwohner aus Rangsdorf, Berlin-Lichtenrade und Mahlow den Planfeststellungsbeschluss anfechten – insgesamt liegen dem BVG die Klagen von 30 Privatleuten, Unternehmern und Gemeinden vor, die sich getäuscht und übergangen fühlen. Die Kleinmachnower wollen vor Ort sein, wenn die Verhandlung am morgigen Dienstag beginnt – neben Grubert auch viele Vertreter der Bürgerinitiative. „Wir haben schon zahlreiche Fahrgemeinschaften organisiert“, so Lippoldt. Auf Protestaktionen vor dem Gerichtsgebäude werde man aber verzichten.

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