zum Hauptinhalt
Kontakte geknüpft: 21 Lehrlinge bekamen ihre Europa-Urkunden.

© Thomas Lähns

Potsdam-Mittelmark: Fachkräfte mit EU-Erfahrung

IHK-Potsdam hat in drei Jahren 117 Azubis ins Ausland vermittelt. Die Erlebnisse sind vielfältig

Teltow - An die französische Mentalität hatte sich Tobias Liepe erst einmal gewöhnen müssen: „Es wurde nicht gleich drauf los gearbeitet – morgens hat man erst einmal in Ruhe Kaffee getrunken“, erzählt der junge Mann, der bei der Speditionsfirma Egerland in Neuseddin eine Ausbildung zum Bürokaufmann macht. Und die Mittagspause, setzt er hinzu, dauerte dort zwei Stunden. Im Mai hat Liepe für vier Wochen ein Auslandspraktikum im nordfranzösischen Magny-en-Vexin absolviert. Gern wäre er noch länger geblieben – wegen der guten Atmosphäre, weil er so herzlich aufgenommen wurde und weil er dort gezwungen war, französisch zu sprechen.

In einer globalisierten Wirtschaft bräuchten junge Fachkräfte solche interkulturellen Erfahrungen und Fremdsprachenkenntnisse, heißt es seitens der Industrie- und Handelskammer Potsdam. Die IHK unterstützt seit drei Jahren Aufenthalte im EU-Ausland mit ihrer Mobilätsberatung. Hier werden Kontakte zu Partnerunternehmen geknüpft und Auszubildende aus den Betrieben zwischen Prignitz und Fläming vermittelt und beraten. 117 Lehrlinge haben auf diesem Wege bereits ihren Horizont auf Europa erweitert. Die 21 Teilnehmer, die in diesem Jahr schon drei- bis achtwöchige Europa-Praktika absolviert haben, bekamen jetzt in Teltow ihre Urkunden überreicht.

Die jungen Leute schwärmten allesamt von den Erfahrungen, die sie gesammelt hatten. Maik Jakoby und Dennis Scholz, die bei der Werderaner Kommunkations-Firma Heinzel zum IT-Elektroniker ausgebildet werden, waren Mitte März für drei Wochen im italienischen Perugia. Sie hätten sich mehr als Gäste denn als Arbeiter gefühlt, berichteten sie. In den ersten Tagen hätte er nicht einmal eine Leiter beiseite räumen dürfen, die Kollegen hätten ihn auf Händen getragen, so Maik Jakoby. Untergebracht waren sie in Gastfamilien – und seien wie eigene Kinder von ihnen aufgenommen worden, so sein Kollege Scholz.

Die beliebtesten Reiseziele der Auslandspraktikanten sind indes Großbritannien, Irland und Malta, erklärte Prakikums-Beraterin Karin Bethke. Polen werde „wie Sauerbier“ angeboten. Dabei habe ihnen ihr Aufenthalt sehr gefallen, wie drei Lehrlinge der Firma MTU in Ludwigsfelde erklärten. Die reisefreudigsten Lehrlinge würden aus dem kaufmännischen Bereich kommen, so Karin Behtke. Sie weiß, dass während der Auslandsaufenthalte manchmal vieles provisorisch abläuft. „Im Ausland sind solche Praktika kaum bekannt.“ Und manchmal würden auch ganze (Arbeits-) Welten aufeinander treffen. „Wenn man einem Deutschen sagt, er kann früher Feierabend machen, fragt er grundsätzlich: Wann soll ich die Zeit nacharbeiten?“

Eine echte Herausforderung seien neben der Sprache dann auch manchmal die Kosten. Diese Erfahrung hat Tom Schneider gemacht: Der angehende Industriemechaniker bei den Potsdamer Verkehrsbetrieben war im schwedischen Södertälje und musste für seine Unterkunft insgesamt 2000 Euro zahlen. Aber sein dortiger Chef sei so begeistert von ihm gewesen, dass er die Kosten dafür übernahm. Am liebsten wäre er gleich da geblieben, auf jeden Fall wolle er mal nach Schweden auswandern, so Schneider.

Das ist indes kaum im Sinne der IHK oder der Ausbildungsbetriebe. Im Hotel- und Gaststättengewerbe laufe die Nachwuchsgewinnung zurzeit „unterirdisch schlecht“, wie Christian Schöneberg, Ausbilder im Hotel Schloss Ziehten (Oberhavel) einräumte. „Wir wollen solche Praktika künftig nutzen, um mehr Bewerber zu locken.“ Er hatte seine Auszubildende Sonja Kynast im März nach Luzern geschickt. Der Aufenthalt in der Schweiz habe sie in ihrer Persönlichkeit sehr vorangebracht, schätzte er. Thomas Lähns

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false