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Potsdam-Mittelmark: Dr. Johannes Kreiselmaier – Arzt im Widerstand

Der Betriebsarzt des Teltower Dralowid-Werkes gehörte zum weiteren Kreis des 20. Juli und wurde zum Tode verurteilt

Der Betriebsarzt des Teltower Dralowid-Werkes gehörte zum weiteren Kreis des 20. Juli und wurde zum Tode verurteilt Teltow - Luftangriffe am Tage waren im Sommer 1944 nichts Ungewöhnliches mehr. Aber am 18. Juli ist alles ruhig. Gegen Mittag poltert ein Streifenfahrzeug der Wehrmacht über das Pflaster der Potsdamer Straße und bremst vor dem Haupttor des Dralowid-Werkes (später VEB Elektronische Bauelemente Carl v.Ossietzky). Aus dem Fenster rufen die Offiziere dem Wachmann etwas zu, der zeigt auf das Hauptgebäude. Dort hält das Fahrzeug neben dem Wagen des Betriebsarztes. Während die Offiziere zum Eingang eilen, verabschiedet sich Dr.Johannes Kreiselmaier von der Sprechstundenhilfe. Er hat bereits gehört von den vielen Verhaftungen der letzten Wochen. Als er am Ausgang auf die Offiziere trifft, bleibt er ganz ruhig. Später steht im Streifenbericht: „Er zeigte keinerlei Verwunderung über seine Festnahme.“ In den Julitagen des Jahres 1944 wurden mehr als 20 Militärangehörige und mehrere hundert Zivilpersonen von der Gestapo verhaftet. Einige Wochen zuvor, am 4. Juli, war die zweite Begegnung von Julius Leber und Adolf Reichwein (Kreisauer Kreis) mit den Kommunisten Anton Saefkow und Franz Jacob aufgeflogen. Obwohl Reichwein und Leber eher eine anti-marxistische Einstellung hatten, knüpften sie mit Wissen Stauffenbergs Kontakte zum kommunistischen Widerstand. Das gemeinsame Ziel war der Sturz Hitlers. Der 1892 in Oberndorf/Pfalz geborene Kreiselmaier kam über München und Thüringen nach Zehlendorf, wo er 1937 eine Arztpraxis eröffnete. Ein Jahr später wurde ihm die Stelle eines Betriebsarztes im Dralowid-Werk Teltow zugewiesen. Dann wird er Stabsarzt, mehrere Lazarette in Berlin werden ihm unterstellt. Aus seiner Thüringer Zeit hat er noch Kontakt zu dem Kommunisten August Ros, der jetzt Unteroffizier in einer Sanitätsabteilung ist. Ros arbeitet mit der illegalen Saefkow-Jacob-BästleinGruppe zusammen und ist von der bevorstehenden Niederlage Hitlers überzeugt. Seit bei Stalingrad eine ganze Armee in den Tod geschickt wurde, hat auch Kreiselmaier Kontakte zu Widerstandsgruppen in der Wehrmacht. Er fühlt sich nicht mehr an seinen Offizierseid auf den Führer gebunden. Täglich konfrontiert mit dem Strom Verwundeter in den Lazaretten und deren Schilderungen kann er sich ein Bild von den Kämpfen an der Ostfront machen. Genesende Kranke und verwundete Soldaten entlässt er frontdienstuntauglich. Daneben betreibt er weiterhin seine Zehlendorfer Praxis und erhält hier Informationen, etwa Einzelheiten über den Produktionsort und Einsatz der V-2-Raketen. Diese Informationen gibt er weiter, ebenso Berichte von der Front. Über den ebenfalls langjährigen Freund Wilhelm Moll bekommt er Kontakt zu Franz Jacob. Als Kreiselmaier den Aufruf des Generals von Seidlitz in Händen hält, ist ihm klar: Der Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden. Die Arztpraxis in der Zehlendorfer Goethestraße 3 wird nicht nur Zufluchtsort für Untergetauchte, sondern auch Treffpunkt der Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe. Kreiselmaiers gesellschaftliche Stellung bietet Schutz vor Gestapo-Spitzeln. Von Anton Saefkow erhält er den Auftrag, Vorbereitungen für die Zeit nach Hitler zu treffen. Der Auftrag beinhaltet ein Gesundheitsprogramm und Sofortmaßnahmen zum Seuchenschutz. Auch die Sprechstunden im Dralowid-Werk führt er weiter. Die Lebensbedingungen der Beschäftigten werden immer schlechter, vor allem der Kriegsgefangenen und Ostarbeiter. Kreiselmaier verordnet Zusatzurlaub, setzt sich gegen „Sondermaßnahmen“ wie Prügel und Essens-Entzug ein. Er empfiehlt, die geringe Leistungsbereitschaft der ausländischen Arbeitskräfte mit höherer Motivation zu befördern. Und obwohl es verboten ist, erhalten Kriegsgefangene und Ostarbeiter von Kreiselmaier die gleiche medizinische Behandlung wie die deutschen Werksangehörigen. Die Widerstandsgruppe Saefkow-Jacob-Bästlein hatte mehr als 60 Opfer zu beklagen. Trotz Folterungen verriet Kreiselmaier niemanden. Am 19. September 1944 steht er vor dem Volksgerichtshof, Vorwurf Hochverrat: „Angesichts der militärischen Entwicklung der Lage hat sich Kreiselmaier zu einem defätistischen Schwächling entwickelt, war innerlich brüchig geworden und hatte sich von seinem Führer und Volk gelöst", hieß es. Am 27.11.1944 holen ihn die Henker am frühen Nachmittag aus der Todeszelle im Zuchthaus Brandenburg. Er stirbt unter dem Fallbeil. Der Reichsminister für Justiz weist an: „Von einer Bekanntmachung in der Presse und durch Anschlag bitte ich abzusehen.“

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